Eigentlich hätte die „Integrationsphase“ nur für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte gelten sollen. Doch nach der juristischen Logik des Verfassungsdienstes müssten künftig auch gebürtige Österreicher drei Jahre lang Sprach- und Wertekurse besuchen – um sich in ihrer eigenen Gesellschaft zu integrieren. Erst danach hätten sie Anspruch auf die volle Sozialhilfe.

Was wie ein Scherz klingt, ist ernst gemeint: Die geplante Reform sorgt damit für massiven Zündstoff in der Koalition. Denn laut Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt reicht es nicht, nur eine bestimmte Gruppe nach Schutzstatus in eine „Integrationsphase“ zu schicken – vielmehr müsste das Modell für alle Arbeitsfähigen gelten, auch für Österreicher.

Sozialministerium sieht sich bestätigt

Bereits vor zwei Wochen hatte das Sozialministerium dieselbe Einschätzung geäußert. Aus Gründen der Gleichbehandlung könne die Integrationsphase nicht nur für Zuwanderer gelten, erklärte das Haus von Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ). Bei ÖVP und NEOS stieß das auf Unverständnis.

Der Verfassungsdienst bestätigte diese Sichtweise nun in einer schriftlichen Stellungnahme, nachdem sich das Sozialministerium an ihn gewandt hat. Dabei wird besonders kritisiert, dass Schutzberechtigte nicht pauschal schlechter gestellt werden dürfen. Wörtlich heißt es: „Die pauschale Anknüpfung an den Schutzstatus (…) dürfte (…) kein sachliches Unterscheidungsmerkmal darstellen, das die Gewährung einer niedrigeren Sicherheitsleistung rechtfertigen kann.“

„Absurd“: Plakolm weist Idee zurück

Ganz anders sieht das ÖVP-Integrationsministerin Claudia Plakolm. Sie reagierte prompt und scharf: „Es wird sicher keine Integrationsphase für Österreicher geben. Das ist und bleibt absurd. Alleine die Vorstellung, dass österreichische Staatsbürger in Deutsch- und Wertekursen sitzen sollen, richtet sich von selbst.“

Für Plakolm ist die Rechtslage klar: Möglich werde eine Bindung von Sozialleistungen an Integrationsmaßnahmen ab Mitte 2026 durch eine neue EU-Statusverordnung. „Das hat das Sozialministerium beim Verfassungsdienst gar nicht abgefragt“, erklärte Plakolm weiter. Unterstützung bekam die ÖVP auch von den NEOS, deren Klubobmann Yannick Shetty bereits vor zwei Wochen ähnliche Bedenken äußerte.

Schumann (M.) teilt die Einschätzung des Verfassungsdienstes, Plakolm (l.) und Shetty (r.) schütteln den Kopf. APA/HANS KLAUS TECHT

Integrationsbeihilfe statt voller Sozialhilfe

Der Plan sieht vor, dass während der Integrationsphase zunächst nur eine „Integrationsbeihilfe“ ausbezahlt wird. Erst nach Ende der bis zu drei Jahre dauernden Phase sollen die vollen Leistungen der Sozialhilfe fließen. Bedingung: Erwerb von Deutschkenntnissen und der Besuch von Wertekursen.

Verfassungsdienst fordert klare Kriterien

Doch der Verfassungsdienst warnt: Eine Integrationsphase dürfe nicht pauschal mehrere Jahre dauern. Vielmehr müsse zwischenzeitig überprüft werden, ob die Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt gegeben ist. Auch sollten die Kriterien niedrigschwellig angesetzt sein, da viele Jobs keine hohen Sprachkenntnisse oder Ausbildungsnachweise erfordern.

Die Stellungnahme verweist zudem auf ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes von 2019, das weite Teile der damaligen Sozialhilfereform der türkis-blauen Regierung gekippt hatte.

Familienbeihilfe soll angerechnet werden

Neben der Integrationsphase nahm der Verfassungsdienst auch die geplante Anrechnung der Familienbeihilfe auf die Sozialhilfe unter die Lupe. Ergebnis: rechtlich zulässig – solange der Unterhalt der betroffenen Personen gesichert bleibt. Damit könnten künftig Doppelbezüge verhindert werden.

Startschuss für Verhandlungen mit Ländern

Am Donnerstag steht die Reform erstmals auch auf der Agenda der Bundesländer. Sozialministerin Schumann lädt zu einer „Auftaktsitzung“ ins Ministerium. Die Umsetzung der neuen Sozialhilfe liegt nämlich bei den Ländern. Geplant ist ein Inkrafttreten der Reform mit Jänner 2027.