Der Fall sorgt europaweit für Stirnrunzeln: Ein DSN-Beamter mit islamistischem Hintergrund wurde wegen mutmaßlicher Datenabfragen und möglichem Informationsabfluss enttarnt – doch die Staatsanwaltschaft Wien sieht keine Haftgründe, weil weder Tatbegehungsgefahr, noch Fluchtgefahr gegeben sei.

Fachleute halten das für kaum nachvollziehbar: In Spionagefällen gilt international U-Haft als Standard, um Beweise zu sichern und Kontaktaufnahme zu Hintermännern zu verhindern. In Österreich aber bleibt der Mann frei – trotz laufender Ermittlungen. Auf exxpress-Nachfragen schweigt Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ).

Der islamistische Hintergrund macht den Fall noch explosiver

Der Verdächtige soll Verbindungen zur Muslimbruderschaft haben – jenem globalen Netzwerk, dessen radikalster Zweig die palästinensische Terrororganisation Hamas ist.

Genau diese Strukturen sorgten zuletzt in Österreich für Alarm: Erst vor wenigen Wochen wurde in Wien ein Hamas-Waffenlager entdeckt. Der Besitzer traf kurz davor in Katar einen hochrangigen Hamas-Funktionär – mutmaßlich zur Vorbereitung von Anschlägen in Europa, wie der Mossad berichtet.

Das Umfeld des enttarnten DSN-Beamten überschneidet sich mit denselben islamistischen Netzwerken, die seit Jahren von europäischen Diensten überwacht werden.

https://exxpress.at/politik/mossad-hamas-baute-zelle-in-wien-sohn-von-top-kommandeur-plante-anschlaege/

Scharfe Kritik: Österreichs Justiz – das schwächste Glied in Europa?

Hinzu kommt internationale Kritik. Ein aktueller Bericht des renommierten Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center (ITIC) rügt Österreichs Justiz ungewöhnlich scharf. Während Hamas-Aktivitäten in anderen europäischen Ländern – etwa im Umfeld der Union of Good, eines Dachverbands zur Unterstützung der Hamas – rechtliche Folgen nach sich zogen – in Berlin läuft ein großer Terror-Prozess gegen mutmaßliche Hamas-Kader – blieb die österreichische Justiz weitgehend untätig.

Wörtlich erklärt das ITIC: „Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, insbesondere Deutschland und den Niederlanden, die wirksam gegen mit der Union of Good verbundene Organisationen vorgingen, ergriffen die österreichischen Justizbehörden trotz klarer Verbindungen zur Hamas keine effektiven rechtlichen Maßnahmen gegen diese Organisationen und ihre Führungskräfte.“

Der Bericht des ITIC widmet sich ausführlich den Verbindungen zur Hamas in Österreich.The Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center/Screenshot

Das ITIC sieht ein Muster in Österreich: Islamistische Aktivisten wurden zwar immer wieder festgenommen, aber kurz darauf ohne Anklage wieder freigelassen – mit der Begründung, es ließen sich keine belastbaren Hamas-Verbindungen nachweisen.

Selbst parlamentarische Anfragen zu Hamas-Aktivitäten seien laut Bericht regelmäßig ausweichend beantwortet worden – mit Formulierungen wie „keine Informationen“ oder „klassifizierte Informationen“. Für internationale Experten entsteht so das Bild eines Landes, das gegenüber islamistischen Netzwerken zögert.

Die Struktur der Hamas in Europa – laut dem israelischen Auslandsgeheimdienst MossadBüro des israelischen Premierministers/Grafik

Andere Länder handeln sofort – Österreich nicht

Für aufgeflogene Maulwürfe in den Sicherheitsdiensten gilt in anderen Ländern praktisch ausnahmslos: U-Haft. So war es beim Russland-Spion im deutschen BND, Carsten L., und 2016 bei einem enttarnten Islamisten im deutschen Verfassungsschutz.

Nur in Österreich heißt es: „Keine Haftgründe.“ Der Kontrast könnte deutlicher kaum sein.

Das laute Schweigen der Justizministerin

Das Innenministerium betont: „Wir bringen derartige Verdachtsmomente zur Anzeige. Über das weitere Vorgehen entscheidet die Justiz.“ Weiter heißt es: „Ein pauschaler Vergleich von Fällen aus anderen Ländern ist aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen sowie der notwendigen Einzelfallprüfung nicht möglich.“ Festzuhalten sei aber, „dass die internen Kontrollmechanismen, die im Zuge der Neuaufstellung der DSN im Jahr 2021 implementiert wurden, gegriffen und maßgeblich dazu beigetragen haben, das Fehlverhalten aufzudecken.“

Die Justizministerin reagiert auf Anfragen des exxpress nicht.

Ein sicherheitspolitisches Warnsignal – und ein Reputationsrisiko

Der Fall trifft Österreich in einer Phase, in der islamistische Netzwerke europaweit stärker unter Druck geraten. Dass ausgerechnet Österreich bei einem Innentäter im Nachrichtendienst nicht durchgreift, sorgt international für Unverständnis. Innentäter sind das gefährlichste Szenario, Verdunkelungsgefahr entsteht heute digital in Sekunden, islamistische Netzwerke operieren grenzüberschreitend – und staatliche Zögerlichkeit wirkt wie eine Einladung.

Der exxpress bleibt dran.