Die Probleme im Strafvollzug sind längst nicht mehr zu übersehen – und jetzt soll Beton die Lösung bringen. Im APA-Gespräch kündigt Justizministerin Anna Sporrer an, im kommenden Jahr gleich zwei Bauvorhaben „im Westen” auf den Weg bringen zu wollen, nämlich eine neue Justizanstalt und, wenn möglich, ein forensisch-therapeutisches Zentrum. Gespräche mit dem Finanzminister seien bereits „avisiert“, doch klar ist auch: Fertig wird das wohl nicht mehr in Sporrers Amtszeit. Während sie den Überbelag und den Personalmangel als „ernst“ bezeichnet, bleibt die Frage, warum es erst jetzt zu diesem Schritt kommt – zumal Einrichtungen wie die JA Josefstadt zuletzt mit Details wie einem Jugend-Abendessen um 13:30 Uhr für Negativschlagzeilen sorgten.

Vollbetrieb am Münnichplatz ab 19. Jänner

Die vor Beginn ihrer Amtszeit angelaufene Sanierung der Justizanstalt Josefstadt bei laufendem Betrieb sei „natürlich eine Herausforderung”, so Sporrer. „Ich bin seit dreiviertel Jahr im Amt. Wenn ich Zeit hätte, würde ich selber auf der Baustelle stehen.“

„Geerbt“ hat Sporrer auch die eher leidige Debatte um das neue Jugendgefängnis am Münnichplatz in Wien-Simmering. Dieses wurde ab Jahresbeginn während der Bauarbeiten teilweise bezogen, der Vollbetrieb verschob sich dann aber immer wieder. Am 19. Jänner findet die Amtseinführung mit Leiterin Seada Killinger statt. Bis Ende Jänner wird der Vollbetrieb mit 72 Insassen aufgenommen, kündigte die Ministerin an.

Derzeit sei man für den Betrieb gut aufgestellt. Gesichert seien eine Therapeutin und die ärztliche Versorgung durch eine externe Ärztin. Im Jugendgefängnis kann man vier Lehrberufe erlernen. „Sollte die Haft kürzer sein als die Lehrdauer (Kurzlehren von ein bis eineinhalb Jahren, Anm.), kann die Lehre dort fortgesetzt werden und im Lehrabschlusszeugnis ist nicht vermerkt, dass sie in einer Haftanstalt absolviert wurde.”

Ausweitung der Fußfessel „kann nur eine von mehreren Entlastungen sein"

Auch durch die bedingte Entlassung und die Ausweitung des elektronisch überwachten Hausarrests – nun möglich bei zwei statt einem Jahr Reststrafe –, auf die sich die Dreierkoalition schon vor dem Sommer einigte, versucht man, der Überfüllung der heimischen Gefängnisse entgegenzuwirken. „Die Fußfessel wird die Gefängnisse aber nicht leeren”, räumt Sporer ein. „Derzeit befinden sich ca. 360 Personen im elektronisch überwachten Hausarrest, wir rechnen mit 150 mehr pro Jahr. Das kann nur eine von mehreren Entlastungen sein angesichts der tatsächlichen Zahlen.“

Dass die Fußfessel eine Zwei-Klassen-Justiz befeuere, weil Wohlhabende die Kriterien für Wohnsitz und Einkommen eher erfüllten, glaubt Sporrer nicht. Wenn jemand für die Fußfessel infrage komme, aber keine Wohnung habe, könne sich der Verein Neustart um eine Wohnung und eine Arbeitsstelle für die betroffene Person kümmern. „Es ist nicht so, dass man die Wohnung dann schon haben muss. Der elektronisch überwachte Hausarrest ist schließlich auch eine Form des Strafvollzugs, daher werden die Häftlinge beim Übergang auch unterstützt.“

Ausländer, die in Österreich verurteilt werden, können die Haft auch in ihrer Heimat absitzen. Mit EU-Staaten funktioniere das sehr gut. Man stehe aber auch mit Staaten am Westbalkan oder den Maghrebstaaten in Verbindung, um der Überbelegung in den Justizanstalten zu begegnen.

Personaloffensive geplant

Der Ruf nach neuen Planstellen in den Justizanstalten sei verfehlt, denn bereits jetzt könne man die bestehenden Stellen nicht mit qualifiziertem Personal besetzen. Bei den uniformierten Justizwachebeamten sind derzeit etwa fünf Prozent der Stellen unbesetzt, im nicht exekutiven Bereich – etwa in den Bereichen Pflege, Gesundheit und Psychologie – sind es sogar elf Prozent. Für das kommende Jahr ist deshalb eine Personaloffensive geplant.

Als bereits laufende Attraktivierungsmaßnahmen nannte die Ministerin das Projekt „Athleta”, bei dem junge Spitzensportler neben Wettkämpfen und Trainings eine Ausbildung absolvieren, die der beim Bundesheer oder der Polizei ähnelt. In Graz startete im Herbst ein Bachelorlehrgang für Justizmanagement. „Aber nächstes Jahr wollen wir an eine breite Öffentlichkeit treten und erklären, welche interessanten Berufe im Rahmen einer Justizanstalt, einer Haftanstalt oder eines forensisch-therapeutischen Zentrums ergriffen werden können.”