Kabuler Ex-Minister: Regierung hatte eigene Flucht lange vorbereitet
Der ehemalige afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta lässt mit einem Interview aufhorchen. So sei die Machtübernahme der Taliban keineswegs überraschend gewesen. Die damalige Führung in Kabul und das Verhandlungsteam der USA seien darauf vorbereitet gewesen. Mit diesen Aussagen widerspricht Spanta Ex-Präsident Ashraf Ghani.
Alles andere als überraschend sei die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August gewesen. Die damalige Führung in Kabul soll schon längst darauf vorbereitet gewesen sein, und nicht nur die: Auch das Verhandlungsteam der USA hätte schon zuvor mit den Taliban entsprechende Abmachungen getroffen. Selbst die Flucht des afghanischen Präsidenten sei Monate zuvor erprobt worden. Das sagt nun der ehemalige afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta.
"Der Präsident hat nicht überstürzt den Palast verlassen"
So sei schon Monate zuvor geprobt worden, wie man den Präsidenten, seine Frau und enge Mitarbeiter evakuiert. “Das alles waren erprobte Sachen, das war nicht so, dass der Präsident überstürzt den Palast verlassen hat”, sagte der Ex-Minister am Donnerstag im Deutschlandfunk.
Viele Politiker und Beobachter in Kabul hätten gewusst, dass ein Zusammenbruch der Regierung und der Republik bevorstanden. “Das war von langer Hand vom Präsidenten und seinem Team und vor allem auch vom Verhandlungsteam der Vereinigten Staaten von Amerika mit den Taliban vorbereitet worden”, sagte der nun in Aachen lebende Politologe Spanta. ”
Überraschend sei nur gewesen, dass alles auf einmal so plötzlich geschah – “damit hatten wir nicht gerechnet.”
"Niemand wollte, dass die internationalen Truppen bleiben"
Spanta war von 2006 bis 2010 Außenminister Afghanistans gewesen. Den Abzug der internationalen Truppen verteidigte er, nicht aber die Art des Abzugs. “Niemand wollte in Afghanistan, dass die internationalen Truppen weiterhin in Afghanistan präsent sind”, sagte er. “Aber der Abzug sollte verantwortungsvoll stattfinden. Und nicht so, ohne die Afghanen mitzubeteiligen, ohne eine Übertragung der Macht oder ohne Friedensverhandlungen zum Ergebnis zu bringen.” Zudem hätten “die Regierungen, die massiv auch in ihren Wahlfälschungen von manchen westlichen Ländern unterstützt wurden”, ihre Flucht von langer Hand vorbereitet.
Spanta selbst gelang Mitte August mit türkischer Hilfe die Flucht aus Kabul. Sein Haus sei von den Taliban durchsucht worden, kurz nachdem er sich auf den Weg zum Flughafen gemacht habe. “Wenn ich eine geringe Überlebenschance gehabt hätte, wäre ich in Afghanistan geblieben”, sagte er.
Auf die Frage, ob der Anspruch der westlichen Staaten, in Afghanistan eine Demokratie zu schaffen, ein Fehler gewesen sei, sagte Spanta: “Demokratie ist doch kein Projekt, das man in anderen Ländern verpackt und dann überträgt.” Das sei ein Prozess und in einem Land, das sich 20 Jahre im Krieg befinde, nicht zu realisieren.
Ghani: "Hatte keine Ahnung, dass ich weggehen werde"
Völlig anders stellt der afghanische Ex-Präsident Ashraf Ghani die Dinge dar. So hat er – ebenfalls am Donnerstag, in einem Interview mit BBC Radio 4 – seine Flucht aus dem Land Mitte August verteidigt. Diese sei nicht geplant gewesen und er habe dies getan, um ein Blutvergießen in der Stadt zu verhindern. “Am Morgen dieses Tages hatte ich keine Ahnung, dass ich am späten Nachmittag weggehen werde.”
Der Chef der Präsidentengarde und der nationale Sicherheitsberater Hamdullah Mohib hätten ihn damals informiert, dass die Präsidentengarde kollabiert sei. Sollte er Widerstand leisten, würden alle getötet und keiner könne ihn verteidigen. Die Anweisungen seien gewesen, sich für eine Abreise in die ostafghanische Stadt Chost vorzubereiten. Mohib habe ihm dann aber gesagt, Chost sei gefallen. Er habe nicht gewusst, wohin sie unterwegs seien. Erst als sie abgehoben hätten, sei klar geworden, dass sie das Land verließen. “Das war alles wirklich plötzlich.”
Viele Afghanen nehmen Ghani seine Flucht übel
Ghani behauptete auch, seine wichtigsten Sicherheitsberater hätten ihm gesagt, die Taliban hätte ihre Zusage gebrochen, nicht in Kabul einzurücken. Mit seiner Flucht hatte er eine geordnete Machtübergabe aber verhindert. Als er und seine wichtigsten politischen Mitstreiter geflohen waren, rückten die Islamisten in der Stadt ein, um, wie sie sagten, kein Sicherheitsvakuum entstehen zu lassen. Viele Afghanen werfen Ghani, der sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufhält, heute vor, sie an die Taliban ausgeliefert zu haben. (APA/Red)
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