Zum 79. Mal veranstaltete die Alfred E. Smith Memorial Foundation gestern Nacht zu Ehren des viermaligen Gouverneurs von New York Al Smith (der auch der erste katholische Präsidentschaftskandidat der USA war und 1928 scheiterte) das traditionelle “Al Smith Dinner” im Waldorf Astoria Hotel in New York City. Es findet immer am dritten Donnerstag im Oktober statt und ist dafür bekannt, dass in Wahljahren auch die beiden Präsidentschaftskandidaten eingeladen sind.

Das Event dient dann zwei Zwecken: einmal dem Sammeln von Spenden für karitative Projekte der katholischen Kirche und dann dem sympathischen Zweck, die Spitzenpolitiker der beiden großen Lager unter einem Dach zu vereinen – ein Forum für gutmütiges Geplänkel und sanfte Sticheleien der Präsidentschaftskandidaten.

Lieber in Wisconsin unterwegs als in New York

Seit 1960 pflegen sich diese dann in feierlichem Ambiente (die Herren im Frack, die Damen im Abendkleid) der Tradition gemäß einen rhetorischen Schlagabtausch zu liefern. Allerdings einen der lockeren Art, in dem sich die Kontrahenten wie weiland Smith selbst von der humorvollen und auch selbstironischen Seite zeigen. Der gute Zweck des Ganzen wird also noch geadelt durch die Tatsache, dass sich auch sonst feindlich gesinnte Geister miteinander treffen und geistreich-friedlich streiten.

Wie das so sein sollte in einer Demokratie. Allerdings erklärte Kamala Harris Ende September, nicht am “Al Smith Dinner” teilzunehmen. Stattdessen ist sie im Bundesstaat Wisconsin unterwegs, einem der battleground states oder swing states genannten Staaten, in denen um jede Stimme erbittert gekämpft wird, um die entscheidenden Wahlmännerstimmen zu ergattern. Dort ist das Rennen besonders eng, kaum ein Prozentpunkt trennte die Kandidaten 2016 und 2020, und auch diesmal droht ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Dank einer segensreichen, nicht gerade neuen Erfindung namens Luftfahrt wäre es Harris durchaus möglich gewesen, in Wisconsin Termine wahrzunehmen und dennoch abends beim Charity-Event in New York zu erscheinen, wie die “New York Post ironisch feststellte. Allein: Sie wollte nicht. Erzbischof Timothy Dolan, Gastgeber des feierlichen Dinners, zeigte sich “enttäuscht, weil die Vizepräsidentin nicht kommt”.

Harris scheut den ironischen Schlagabtausch mit Trump

Aber das hat wohl seine Gründe: Zum einen ist Kamala Harris frommen Christen gegenüber nicht eben wohlgesinnt, insbesondere beim Thema Abtreibung. Schon als Generalstaatsanwältin in Kalifornien trat sie vehement dafür ein, Abtreibungskliniken kostenfrei werben zu lassen. Und als Senatorin fragte sie in Anhörungen katholische Richterkandidaten über ihre Mitgliedschaft im Kolumbus-Ritterorden aus, einer Organisation, die sich dem Gemeindedienst und anderen wohltätigen Aktivitäten widmet. Gern gibt sie ja vor, die Amerikaner wieder zusammenführen zu wollen, bei Abtreibungsgegnern kennt sie jedoch keine Milde.

Und zum anderen fürchtete Harris die wohl unweigerliche Attacke Trumps, was ihr Verhältnis zur Kirche betrifft. Zwar leben in den Vereinigten Staaten 77 Millionen Katholiken, etwa ein Viertel der Bevölkerung, doch gehörten bisher nur zwei Präsidenten der römisch-katholischen Kirche an: John F. Kennedy und Joe Biden. Donald Trump würde es sich gewiss nicht nehmen lassen, seiner Konkurrentin vor großem Publikum “einen mitzugeben”.

Trump zeigt sich angriffslustig

Harris’ Absage bot Trump die Gelegenheit, darüber zu witzeln. “Wenn Sie wirklich wollten, dass Vizepräsidentin Harris Ihre Einladung annimmt, hätten Sie ihr wohl sagen sollen, dass die Gelder für die Plünderer und Randalierer in Minneapolis bestimmt sind, und sie wäre garantiert gekommen”, scherzte Trump und verwies auf ihre Förderung eines Kautionsfonds während der Unruhen von 2020. Er sei geschockt gewesen, als er gehört habe, dass sie nicht zum Dinner erscheinen würde, “denn wir können nicht genug davon bekommen, ihr wunderbares Lachen zu hören”.

Die eine oder andere Pointe brachte Trump unter: “Ich dachte immer, die Demokraten seien verrückt, weil sie sagten, dass Männer ihre Periode haben. Aber dann traf ich Tim Walz.” Sich an Chuck Schumer wendend, den demokratischen Fraktionsführer des Senats, sagte Trump: “Chuck, wenn Kamala verliert, ist deine Partei so woke, dass du immer noch eine Chance hast, die erste Präsidentin zu werden.”

Harris’ Video wird zum Schuss in den Ofen

Statt selbst zu erscheinen, schickte Kamala Harris ein dreieinhalbminütiges Video, das wohl witzig gemeint war, aber im Publikum schiere Fremdscham auslöste: Im Dialog mit der „Saturday Night Live“-Darstellerin Molly Shannon in der Rolle der katholischen Studentin Mary Katherine Gallagher sagte sie Sätze wie „Es ist ein sehr wichtiges Abendessen und eine wichtige Tradition, auf die ich sehr stolz bin“. „Gibt es irgendetwas, das ich Ihrer Meinung nach heute Abend nicht erwähnen sollte?“, fragte Harris. „Nun, lügen Sie nicht. ‚Du sollst kein falsches Zeugnis über deinen Nächsten ablegen‘“, antwortete Shannon. „In der Tat. Vor allem über die Wahlergebnisse deines Nachbarn“, gab Harris in Anspielung auf Trump zurück.

Niemand im Saal lachte, woraufhin sich Moderator Jim Gaffigan ans Publikum wandte: “Ich weiß nicht einmal, was das Geräusch ist, das Sie da machen”, sagte Gaffigan. “So etwas wie ahhhhh.” Offenbar ist Harris das Video schwer auf die Füße gefallen. Auch der konservative politische Kommentator und YouTuber Benny Johnson konnte es nicht fassen. Auf der Plattform X fragte er: “Wer hat ihr erzählt, dass das eine gute Idee war?”

Vor Kamala Harris hat sich nur ein Kandidat der großen Parteien geweigert, am Dinner der Alfred E. Smith Memorial Foundation in New York teilzunehmen: der Demokrat Walter Mondale vor 40 Jahren. Er verlor dann erdrutschartig gegen Ronald Reagan, in 49 von 50 Bundesstaaten – beziehungsweise mit desaströsen 13:525 Wahlmännerstimmen. Kein wirklich gutes Omen für Kamala Harris.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partner-Portal NIUS erschienen.