Klenk verteidigt Gaza-Fake – krankes Kind als Beweis für Hungersnot
Ein Bild geht um die Welt: Ein abgemagerter Bub soll für den Hunger in Gaza stehen. Doch die Medien verschweigen seine Erbkrankheit. Wer das kritisiert und von Fake News spricht, wird von Falter-Chef Florian Klenk prompt als rechtsextremer Propagandist abgestempelt. Interessant.
Nicht verhungert – aber medial missbraucht? Falter-Chef Klenk verteidigt (Bild) umstrittene Bilder, die schwerkranke Kinder als Symbol für Israels angebliche Aushungerungspolitik zeigen. Im Hintergrund: NYT und Il Fatto.APA/HELMUT FOHRINGER/NYT/Il Fatto/Screenshot
Was Fake News sind und was nicht, hat die ehemalige CIA-Analystin Cindy L. Otis in ihrem Buch „True or False“ klar unterschieden: Fake News sind der Versuch, „absichtlich ungenaue oder falsche Informationen zu verbreiten, um andere in die Irre zu führen“ – im Unterschied zu Irrtümern oder unbeabsichtigten Fehlern, wie sie täglich in Politik, Wissenschaft und Medien passieren.
Zwei besonders brisante Fälle von Gaza-Fake-News sorgten zuletzt weltweit für Empörung – und brachten internationale Medien wie BBC, New York Times, Die Zeit oder Il Fatto Quotidiano in Erklärungsnot. In beiden Fällen wurde das Bild eines schwerkranken Kindes mit genetischer Vorerkrankung als Beweis für eine angebliche Hungersnot in Gaza verbreitet – teils sogar auf Titelseiten. Der medizinische Hintergrund? Verschwiegen. Wesentliche Fakten? Ausgeblendet.
Moral statt Wahrheit – wer Kritik übt, wird diffamiert
Falter-Chef Florian Klenk verteidigt nun ausgerechnet diesen Umgang mit Fakten. Auf Facebook attackiert er jene, die auf den Missbrauch der Bilder hinweisen – und spricht von „konkludenten Lügenpresse-Vorwürfen gegen internationale Qualitätsmedien“. Statt die Irreführung zu kritisieren, brandmarkt er lieber die Kritiker: Wer den Fake benennt, sei ein „Propagandist der rechtsextremen israelischen Regierung“. Oder zumindest jemand, der „der israelischen Propaganda auf den Leim geht“.
Moralische Denkverbote statt journalistischer Aufklärung – das scheint die neue Devise zu sein. Auch der Arzt, auf den sich Klenk beruft, lenkt vom eigentlichen Skandal ab: der systematischen Instrumentalisierung individuellen Leids für politische Stimmungsmache.
Krank, nicht verhungert: Der Fall Osama al-Raqab
Der jüngste Fall betrifft den fünfjährigen Osama al-Raqab. Die italienische Zeitung Il Fatto Quotidiano druckte am 25. Juli 2025 ein skelettartiges Foto des Buben groß auf die Titelseite – mit der Schlagzeile: „Ist das ein Kind?“ (im Original: „Se questo è un bambino“), eine Anspielung auf Primo Levis Holocaust-Zeugnis „Ist das ein Mensch?“. Die Botschaft war unmissverständlich: Israel lässt palästinensische Kinder wie Holocaust-Opfer verhungern. In der Bildzeile heißt es zudem: „Die ersten Fotos: Unterernährte Kinder in den sozialen Medien und in der Weltpresse.“
Was die Zeitung verschwieg: Osama leidet an Mukoviszidose – einer erblich bedingten Stoffwechselkrankheit, die unbehandelt zu schwerer Unterernährung führt. Auch ohne Hungersnot können betroffene Kinder stark abgemagert sein, besonders bei mangelnder medizinischer Versorgung.
Israels Hilfeleistung wird verschwiegen
Das Bild entstand bereits im April in Gaza – und ist längst überholt. Am 11. Juni wurde Osama mit 53 Angehörigen von der italienischen Luftwaffe nach Mailand ausgeflogen. Grundlage dafür ist eine humanitäre Kooperation zwischen Israel und Italien. Laut dem Außenministerium in Rom konnten seit Beginn des Krieges über 700 Palästinenser nach Italien gebracht werden.
Israel tat also das Gegenteil von dem, was Il Fatto suggerierte: Es ließ den Bub nicht verhungern, sondern sorgte für seine medizinische Versorgung – mit Erfolg. Im Mailänder Niguarda-Krankenhaus wurde Osama behandelt – neue Fotos zeigen ihn deutlich erholt. Gerade deshalb wirkt die Holocaust-Anspielung perfide. Die Empörung des israelischen Außenministeriums ist berechtigt.
Bewusste Verschleierung sind klassische Fake News
Zugleich verdichten sich die Hinweise auf bewusste Irreführung. Am 25. Juni schrieb die palästinensische Studentin Aya Ashour – ebenfalls in Il Fatto – über „drei Kleine ohne Nahrung in Gaza“, angeblich basierend auf einem Interview mit Osamas Mutter. Der Bub, so Ashour, leide schwer im Nasser-Krankenhaus in Khan Yunis. Tatsächlich befand sich Osama zu diesem Zeitpunkt bereits seit sechs Wochen in Italien – und war in Behandlung.
Schon Anfang Mai hatte die Nachrichtenagentur AP mehrere Bilder des Kindes veröffentlicht – und dabei seine Krankheit erwähnt. Warum verschwieg sie dann Il Fatto Quotidiano?
Mohammeds Bild ging um die Welt – seine Krankheit nicht
Der zweite Fall wurde vom britisch-israelischen Journalisten David Collier aufgedeckt: Es geht um den eineinhalbjährigen Mohammed Zakariya al-Matouq. Sein Bild ging um die Welt – ein bis aufs Skelett abgemagerter Körper, hervorstehende Rippen, regloser Blick. Das Kind wurde zum Symbol einer angeblich flächendeckenden Hungersnot im Gazastreifen. Die Zeit titelte: „So sieht Hunger aus.“
Was dabei – ob aus Unwissenheit oder vorsätzlich – verschwiegen wurde: Mohammed litt an einer schweren neurologischen Vorerkrankung, Zerebralparese, eventuell kombiniert mit einer genetischen Stoffwechselstörung. Er war auf Spezialnahrung, Medikamente und tägliche Therapien angewiesen. Das erklärte sein abgemagertes Aussehen – ganz ohne Hungersnot.
Schon wieder: Infos werden verschwiegen
Collier verweist auf einen medizinischen Bericht der Basma Association for Relief vom 20. Mai 2025. Dieser belegt die Diagnose – inklusive Wirbelsäulenverkrümmung, Muskelabbau und einer langen, dokumentierten physiotherapeutischen Behandlung.
Brisant: Der Öffentlichkeit wurden zentrale Informationen bewusst vorenthalten. So sprach Mohammeds Mutter in mehreren Interviews offen über die Erkrankung ihres Sohnes – in der Hoffnung auf Hilfe. Doch genau diese Passagen wurden weggeschnitten. BBC zeigte exakt 64 Sekunden des Falls – ohne ein Wort über die Krankheit. Stattdessen: Das isolierte Bild, der stumme Vorwurf – Hunger, angeblich verursacht durch Israel.
Bildausschnitt statt Wahrheit – die unsichtbare Familie
Was ebenfalls verschwiegen wurde: Es existieren zahlreiche Fotos von Mohammeds Mutter und seinem dreijährigen Bruder Joud. Beide wirken gesund, zeigen keinerlei Anzeichen von Mangelernährung. Doch genau diese Bilder wurden nicht gezeigt – oder so beschnitten, dass der Bruder unsichtbar blieb. Laut David Collier wurde er auf manchen Fotos sogar absichtlich unscharf gemacht. Warum? Weil der gesunde Bruder die Inszenierung gestört hätte.
Colliers Kritik ist deutlich: „Das ist kein Journalismus. Das ist gezielte Manipulation durch eine staatliche Medienanstalt – im Dienste eines anti-israelischen Narrativs.“
Klenk verteidigt die Fake-Berichte – und attackiert die Aufdecker
Das will Falter-Chef Florian Klenk nicht stehen lassen. Auf Facebook empört er sich über den „unseligen Artikel von Collier“ und beklagt „Lügenpresse-Vorwürfe gegen internationale Qualitätsmedien“. Er verweist auf einen Gastbeitrag eines Arztes in der FAZ, über dessen Inhalt Collier angeblich geschwiegen habe: „Warum wohl? Weil er der Propaganda auf den Leim geht.“
Was Klenk von Kritikern der Fake News hält, macht er in einem weiteren Posting klar: „Ein Arzt belehrt die Propagandisten der rechtsextremen israelischen Regierung, wieso das Bild eines vorerkrankten und unterernährten Kindes eben gerade NICHT irreführend ist.“
Die Logik ist also klar: Nicht die Verbreiter der Irreführung sind Propagandisten – sondern jene, die sie aufdecken.
Einseitige Deutung, ignorierte Fakten – die Schieflage in der FAZ
Auch der von Florian Klenk ins Spiel gebrachte FAZ-Gastbeitrag ist bei genauerem Hinsehen problematisch. Verfasst wurde er vom Lungenfacharzt Cihan Çelik, Oberarzt am Klinikum Darmstadt. Auf den ersten Blick wirkt der Text differenziert – tatsächlich übernimmt Çelik weitgehend die Deutung Hamas-naher NGOs und stützt ein Narrativ, das medizinisch wie journalistisch weniger fundiert ist, als es den Anschein erweckt.
Bemerkenswert: Die konkreten Vorwürfe rund um die Fake-Bilder werden mit keinem Wort erwähnt. Çelik verteidigt sogar den Bericht mit der Holocaust-Parallele aus Il Fatto Quotidiano – obwohl Israel dem abgebildeten Kind gerade medizinisch geholfen hatte. Die Manipulationsvorwürfe lässt er aus, stützt sich allein auf die humanitäre Lage und eigene medizinische Einschätzungen.
Hungersnot als Tatsache? Kritik nicht einmal erwähnt
Çelik war offenbar nie vor Ort in Gaza – hält aber eine Hungersnot für gesichert. Seine Quellen: Berichte von UN-Gremien und NGOs, deren Neutralität vielfach infrage steht. Wörtlich schreibt er: „Es gibt keine ernsthaften Zweifel am Vorliegen einer schweren Hungersnot.“
Doch diese Zweifel gibt es sehr wohl – und sie sind belegbar. Laut öffentlich einsehbaren Daten des Israel War Portals hat Israel über 1,4 Millionen Tonnen Lebensmittel geliefert – rund ein Kilo pro Person und Tag. Der Portal-Betreiber Yishai Gelb verweist zudem auf die dokumentierten Todesfälle durch Unterernährung: 122 bis 147. Das ist im internationalen Vergleich extrem niedrig – zum Beispiel im Vergleich mit Jemen (85.000), Somalia (250.000) oder dem Sudan (500.000).
Es gibt also eine Versorgungskrise – aber statistisch keine Hungersnot. Denn dafür müssten laut internationaler Definition mindestens 20 Prozent der Bevölkerung unter extremem Nahrungsmangel leiden, 30 Prozent der Kinder akut mangelernährt sein, und die Sterblichkeitsrate bei über zwei Todesfällen pro 10.000 Personen und Tag liegen.
Over the past week, over 23,000 tons of humanitarian aid, 1,200 trucks, entered Gaza and 1,200 trucks were successfully collected by the UN and international organizations.
— COGAT (@cogatonline) August 3, 2025
Despite this progress, hundreds of trucks remain inside Gaza, waiting to be picked up and distributed by… pic.twitter.com/i8LNgdJUuT
Israel bestreitet die Not nicht – aber verweist auf die Verantwortung der Hamas. Diese kontrolliere die Verteilung, horte Hilfsgüter in Tunneln und zweckentfremde sie systematisch. Çelik hingegen unterstellt der israelischen Regierung und ihren Kritikern eine „Ablenkungsstrategie“, um von ihrer politischen Verantwortung abzulenken. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Israel will auf die tatsächlichen Verantwortlichen hinweisen – auf eine Terrororganisation, die Leid bewusst instrumentalisiert und um ihr Überleben kämpft.
Kurz: Die Not wird nicht geleugnet. Die Hungersnot – gemessen an den bekannten Kriterien – sehr wohl. Und auch der Adressat der Verantwortung ist ein anderer.
Ärztliche Ferndiagnose – mit doppeltem Boden
Die zentrale Behauptung von Cihan Çelik lautet: Die Erbkrankheiten der abgebildeten Kinder allein könnten ihren abgemagerten Zustand nicht erklären. So schreibt der Lungenfacharzt über Osama, der an Mukoviszidose leidet: Diese Erkrankung könne „keinesfalls den grotesken Zustand des Kindes“ erklären. Mit Blick auf seine Patienten in Deutschland ergänzt er: „Keiner meiner Patienten sah auch nur annähernd so aus.“
Ähnlich argumentiert er im Fall Mohammeds, der an infantiler Zerebralparese leidet: „Die Krankheit allein erklärt ein so extremes Auszehrungsbild nicht. Daher ist es legitim, dieses unterernährte kranke Kind als Symbol für die Hungersnot zu zeigen.“
Doch genau das ist medizinisch fragwürdig.
Mukoviszidose: Auszehrung trotz Ernährung – wenn die Therapie fehlt
Çelik unterscheidet nicht klar zwischen Abmagerung durch medizinische Unterversorgung und einer Hungersnot. Doch gerade bei Mukoviszidose ist das entscheidend: Ohne Enzymtherapie kann der Körper selbst hochkalorische Nahrung nicht verwerten. 85 Prozent der Betroffenen leiden an Verdauungsstörungen, weil ihre Bauchspeicheldrüse keine Enzyme produziert. Gleichzeitig haben sie einen deutlich erhöhten Kalorienbedarf.
Kurz: Fehlen Medikamente und medizinische Betreuung, führt das zwangsläufig zu Auszehrung – selbst bei ausreichender Ernährung.
Zerebralparese allein kann zur Auszehrung führen – ganz ohne Hungersnot
Auch bei schwerer infantiler Zerebralparese kann es ohne Hungersnot zu ausgeprägter Abmagerung kommen. Viele dieser Kinder haben massive Fütter- und Schluckstörungen. Studien zeigen: Bis zu 94 Prozent der betroffenen Vorschulkinder haben Probleme beim Essen, viele brauchen stundenlang für jede Mahlzeit und nehmen trotzdem zu wenig Kalorien auf.
Zugleich verbrauchen sie durch Muskelkrämpfe mehr Energie, bewegen sich aber kaum – was zu Muskelabbau und Untergewicht führt. Bis zu 91 Prozent der schwer betroffenen Kinder gelten als chronisch mangelernährt – allein aufgrund ihrer Krankheit. Das reicht aus, um ein extrem mageres Erscheinungsbild zu erklären – ohne jeden externen Hungerfaktor.
Widerspruch mit Ansage
Brisant: An einer Stelle räumt Çelik das indirekt selbst ein – und widerspricht damit seiner Argumentation. Wörtlich schreibt er: „Kinder mit neuromuskulären oder autoimmunen Erkrankungen können tatsächlich ein mageres Erscheinungsbild haben.“ Deshalb seien solche Bilder zu Beginn des Gaza-Kriegs unseriös gewesen. Doch heute, so Çelik, sei das anders: Gerade diese Kinder seien nun am stärksten vom Hunger bedroht.
Nur: Eine belastbare Diagnose aus der Ferne kann auch er nicht liefern – und so bleibt offen, ob Hunger in beiden Fällen tatsächlich eine Rolle spielte. Speziell bei Mohammed sind die Zweifel groß – denn seine gesunden Angehörigen zeigen keinerlei Anzeichen von Mangelernährung.
Falsche Bilder, echte Folgen – und ein Angriff auf die Aufklärung
Cihan Çelik und Florian Klenk werfen Kritikern der Fake News pauschal vor, sie würden mit dem Verweis auf Krankheiten den Hunger verharmlosen. Doch darum geht es nicht. Es geht um Präzision statt Propaganda – darum, die tatsächlichen Ursachen kindlicher Auszehrung medizinisch korrekt einzuordnen. Und um die Frage, ob Medien gezielt emotionalisieren, Bilder selektiv zuschneiden und dabei zentrale Informationen weglassen – mit dem Effekt, Israel moralisch an den Pranger zu stellen.
Es geht um Qualitätsjournalismus.
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