Sie zündeten Kerzen an, hielten Schweigeminuten ab und wollten einfach friedlich demonstrieren: Am Donnerstagabend kamen laut Augenzeugenbericht an die 30 syrische Drusen und Kurden am Christian-Broda-Platz beim Wiener Westbahnhof zusammen, um ihrer getöteten Landsleute zu gedenken. Diese wurden während der Kämpfe in der syrischen Region Suwaida von sunnitischen Beduinen und/oder Regierungstruppen umgebracht.

„Stopp das Massaker an Zivilisten in Sweida“, „Auch als Minderheit hast du das Recht, Deine Meinung zu äußern“, steht auf am Boden liegenden Zetteln geschrieben. Einige Demonstranten – Frauen und Männer jeden Alters – schwenken Österreich- oder Kurdenflaggen.

„Wir wurden verspottet, provoziert und eingeschüchtert"

Doch die Ruhe hielt nicht lange an. Eine Teilnehmerin der angemeldeten Demonstration berichtet gegenüber dem exxpress, dass die Versammlung plötzlich gestört wurde. „Eine Gruppe aggressiver Männer, viele davon arabischstämmig und offensichtlich islamistisch geprägt, kam dazu und begann, uns lautstark zu beleidigen und zu bedrohen. Sie riefen Parolen gegen Drusen, Christen, Kurden und andere Minderheiten. Wir wurden verspottet, provoziert und massiv eingeschüchtert“.

Die Demonstrantin, selbst syrische Drusin, hat für dieses Onlinemedium ein auf TikTok kursierendes Video der Störer übersetzt, das den Vorfall dokumentiert. „Nieder mit dem zionistischen Agenten!“, „Jeder Sunnit, der nicht teilnimmt (an der Störung der Demonstration, Anm.), ist wegen dieser Hunde ein Verräter und kein wahrer Sunnit!” oder „Ihr Hurensöhne!”, brüllen die Gegendemonstranten auf Arabisch, so die Drusin, die vor 10 Jahren mit ihrer Familie per Visum und Arbeitserlaubnis nach Österreich kam und gerade die Matura hinter sich brachte. Ihr Name ist der Redaktion bekannt, er wird jedoch aus Sicherheitsgründen nicht genannt.

Minderheiten fürchten, Syrien könnte islamistisch werden

Syrien ist geprägt von unterschiedlichen religiösen Gruppierungen. Die stärkste sind sunnitische Moslems: Diese machen zwei Drittel der Bevölkerung aus. Die meisten Moslems weltweit sind Sunniten. Zu dieser Gruppe zählen auch der neue syrische Machthaber und Anführer der islamistischen Rebellenmiliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) Ahmed al-Scharaa und seine Regierungsmitglieder. Al-Schaara gibt sich nach außen zwar moderat, doch die religiösen Minderheiten – Christen, Drusen, Alawiten, Kurden – haben Angst, dass Syrien islamistisch werden könnte und sie ihre Rechte verlieren (der exxpress berichtete). Der gestürzte Machthaber Baschar al-Assad herrschte zwar diktatorisch, aber er war selbst Angehöriger einer Minderheit und bemühte sich um einen säkularen Staat.

Auffallend viele „Foodora“-Lieferanten unter den Gegendemonstranten

„Die Gegendemonstranten wurden immer mehr“, berichtet die junge Drusin. Auf einem anderen Video ist zu sehen, wie einige Störer auf Arabisch brüllen und den Mittelfinger oder eine erhobene Faust gegen die syrischen Minderheiten erheben. Laut der Demonstrantin schrien einige auch „Wir Sunniten werden euch töten!“ und bezeichneten die syrischen Minderheiten als „Schweine“. Auffällig ist, dass unter ihnen viele „Foodora“-Lieferanten sind. Einige schwingen die grün-weiß-schwarze Fahne mit drei roten Sternen – während des Bürgerkriegs wurde sie zum Symbol für die Gegner des alten Diktators Al-Assad. Jetzt hisst die neue syrische Regierung die Fahne auf ihre Gebäude und zeigt sie bei Reden des Präsidenten im syrischen Staatsfernsehen.

Gegendemonstranten brüllen und zeigen den Mittelfinder. Dazwischen immer wieder die Flagge der neuen syrischen Machthaber.exxpress
Immer mehr Störer versammelten sich.exxpress

„Ich kann nicht glauben, dass so etwas in einem Land wie Österreich passiert“

„Es waren keine politischen Gegendemonstranten. Es waren einfach Menschen, die uns nicht als gleichwertig sehen – sondern hassen. Der Hass war religiös motiviert, viele von uns hatten große Angst. Ich selbst stand dort und konnte kaum glauben, was in einem Land wie Österreich geschieht”, sagt die Demonstrantin. Sie sei froh, dass viele Polizisten an Ort und Stelle waren.

Die Landespolizeidirektion Wien bestätigt gegenüber dem exxpress, dass die Kundgebung rechtmäßig angezeigt wurde und „es kurzzeitig zu einer spontanen Gegenkundgebung von augenscheinlich syrischen Regierungsanhängern“ kam. Zu nennenswerten Vorfällen sei es nicht gekommen. Jedoch wird gegen die Gegenkundgebung Anzeige erstattet, da sie im Voraus nicht angemeldet wurde.

An dem Vorfall ist bemerkenswert, wie rasch unter sunnitischen Moslems anscheinend zu einer Gegendemonstration mobilisiert werden kann – und dass in dieser Gruppe ein gewisses Aggressionspotenzial enthalten ist. Er zeigt aber auch, dass durch Migration Probleme aus dem Ausland nach Österreich importiert werden.