Die Regierung hat am Mittwoch das neue Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren in Begutachtung geschickt – doch Widerstand von islamischer Seite regt sich.

Die Islamische Föderation (IF), der zweitgrößte Moscheeverband in Österreich, kritisiert das Gesetz, das im Jänner 2026 in Kraft treten soll. Es gehe den Regierungsvertretern in Wahrheit nicht um Kinder, sondern um politisches Kleingeld, heißt es in einer Presseaussendung. „Das Ziel ist, von der islamfeindlichen Stimmung zu profitieren“, meint der Moscheeverband und bezieht sich auf die Wortwahl Claudia Plakolms (ÖVP). Die Integrations- und Jugendministerin bezeichnete das Kinderkopftuch als ein „Zeichen der Unterdrückung“

Islamische Föderation: Verlängerter Arm von Mili Görüs

Die IF ist der österreichische Arm der türkisch-nationalistischen Bewegung Milli Görüs (auf deutsch: „Nationale Sicht“). Die Dokumentationsstelle Politischer Islam (DPI) ordnet die Gemeinschaft dem Politischen Islam zu. In einem Bericht schreibt die DPI, dass Milli Görüs der Muslimbruderschaft nahesteht. „Wesentlicher Punkt der Ideologie ist das Bekenntnis zur ’Gerechten Ordnung‘ (…), die die ’Ordnung des Westens‘ als zu überwindendes System betrachtet“, steht in dem Grundlagenbericht.

Der 2011 verstorbene Gründer von Mili Görüs Necmettin Erbakan. Er studierte Maschinenbau in Deutschland und gilt als politischer Ziehvater Erdoğans.IMAGO/sepp spiegl

Dem Gründer Necmettin Erbakan soll es darum gegangen sein, den Laizismus in der Türkei zu schwächen und stattdessen einen Staat gemäß dem Islam aufzubauen. Erbakan gilt als politischer Ziehvater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Erbakans Denken sei darüber hinaus durchzogen von antisemitischem Gedankengut, sagt Heiko Heinisch, wissenschaftlicher Beirat der DPI, gegenüber dem Onlinemagazin Corrigenda. In Deutschland wird Mili Görüs vom Verfassungsschutz beobachtet.

Islam-Gymnasium steht dem IF nahe

Die Fassade des Islamischen Realgymnasiums in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus.Emanuela Sutter

Besonders brisant: Das Islam-Gymnasium in Wien-Rudolfsheim steht der Islamischen Föderation nahe. Der Trägerverein des ersten islamischen Realgymnasiums mit Öffentlichkeitsrecht in Europa heißt SOLMIT. Dieser ist eng mit dem Wien-Ableger der Islamischen Föderation (IFW) verbunden. Bis zum November 2024 befand sich das Islamgymnasium und die Zentrale der IFW im selben Gebäude: die Schule in Hausnummer 34, die IFW in Hausnummer 36. Dann bezog die IFW eine neue Zentrale am Reumannplatz. Bei der Eröffnung war Erdoğans Botschafter für Österreich Ozan Ceyhung anwesend.

Österreichische Politiker haben „islamfeindliche Agenda“

Der Moscheeverband wirft den verantwortlichen Politiker vor, durch Symbolpolitik Aufmerksamkeit erregen zu wollen. Das würde die „Fundamente des gesellschaftlichen Miteinanders zutiefst erschüttern“. Durch die „islamfeindliche Agenda“ von Politikern werde der Rechtsstaat für die eigene Karriere oder die ihrer Parteien missbraucht.

„Genau durch jene Koalitionsparteien wird das Kopftuchverbot angestrebt, die vor den Wahlen den Kontakt zu Musliminnen und Muslimen suchen und auf Stimmenfang gehen“, kritisiert der Verband. Mit dieser Aussage wird wohl die SPÖ gemeint sein. Die Partei ist bekannt dafür, auf muslimischen Stimmfang zu gehen – was nicht verwunderlich ist, da es immer mehr Österreicher gibt, die dem Islam angehören.

Das Pressefoyer nach dem Ministerrat stand ganz im Zeichen des geplanten Kopftuchverbots. (l.n.r. SPÖ-Klubobmann Philip Kucher, Bundesministerin Claudia Plakolm (ÖVP), NEOS-Klubchef Yannick Shetty)APA/Roland Schlager

Politik wähle „Weg der Spaltung“

Plakolm betonte bei dem Pressefoyer nach dem Ministerrat am Mittwochvormittag, dass Mädchen in Österreich „frei, sichtbar und selbstbestimmt aufwachsen können“. Die IF ist der Meinung, dass man Selbstbestimmung und Chancengleichheit nicht durch Verbote erreicht, sondern durch „gezielte Förderung“. Stattdessen wähle die Politik den „Weg der Spaltung“. Das führe zu einer steigenden Anzahl rassistischer Übergriffe gegen Muslime. Dann unterstellt die Islamische Föderation Österreich, islamfeindlich zu sein.

Kinderkopftuch am Islam-Gymnasium

Doch wie sieht es mit der Selbstbestimmung am Islam-Gymnasium aus? In der Hausordnung der Schule findet sich zwar keine Kopftuchpflicht, aber wirft man einen Blick auf ihre Instagramseite, sieht man dort auf den Fotos viele Mädchen mit Kopftuch. Die meisten dürften über 14 Jahre als sein, einige könnten jünger sein – etwa die aus der zweiten oder dritten Klasse des Realgymnasiums. Tritt das Kinderkopftuch im Jänner tatsächlich in Kraft, würde das bedeutet, dass auch Schülerinnen unter 14 des Islam-Gymnasiums kein Kopftuch mehr tragen dürften.

Laut der Instagram-Seite des Islam-Gymnasiums sind das Schülerinnen einer 2. Klasse. In dieser Schulstufe sind Kinder in der Regel 11 oder 12 Jahre alt. Tritt das Kopftuchverbot in Kraft, müssten die beiden Mädchen das Kopftuch ablegen, sonst drohen den Eltern Strafen.Instagram / irgw.at / Screenshot

Der exxpress stellte eine Anfrage diesbezüglich an die Schule, erhielt jedoch auch nach mehreren Tagen keine Antwort.

Die Kleiderordnung sieht jedoch vor, dass „Beine mindestens bis zum Knie“ bedeckt sind, ebenso der Bauch und Schultern. Auf „großzügige Dekolletés“ soll verzichtet werden.

IF plant Schritte gegen Kopftuchverbot

Die islamistische Gemeinschaft Milli Görüs, zu der die Islamische Föderation gehört, unter deren Einfluss das Islam-Gymnasium steht, sei stark im Bildungsbereich aktiv, heißt es im Bericht der DPI. Das Ziel sei eine Abschottung der Jugendlichen gegenüber der restlichen Gesellschaft, die als „unislamisch“ gelte.

Zurück zur Pressemitteilung der Islamischen Föderation: Zu Schluss betont der Verband, dass er den Gesetzgebungsprozess „genauestens“ beobachten werde und rechtliche Schritte unternehmen werde, um das für 2026 geplante Kinderkopftuchverbot anzufechten.