Kopftuchverbot: Experte warnt vor „Sittenwächtern“ an Schulen
Integrations-Experte Kenan Güngör erklärt: „Sittenwächter sind Jugendliche, die sich dazu berufen fühlen, anderen zu sagen, wie sie sich als Muslime zu verhalten haben.“
Das kommende Kopftuchverbot sorgt im ganzen Land für Aufsehen. Die Maßnahme soll für Mädchen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr gelten – und zwar ohne Ausnahme. Vorgesehen ist ein Verbot in Klassenräumen, am Pausenhof, im Turnsaal und an Sportplätzen. Die Regierung möchte das Gesetz nach den Semesterferien mit einer „Aufklärungsphase“ einführen.
Während die Politik vorbereitet, berichten Schulen schon jetzt über ein Phänomen, das für zusätzliche Brisanz sorgt: sogenannte „Sittenwächter“.
„Sittenwächter“ – Jugendliche, die Kontrolle ausüben
Integrations-Experte Kenan Güngör erklärt im Gespräch mit Heute, wie dieses Phänomen in der Praxis aussieht: „Sittenwächter sind Jugendliche, die sich dazu berufen fühlen, anderen zu sagen, wie sie sich als Muslime zu verhalten haben.“
In vielen Klassen gehe es um wenige Einzelne, meist zwei bis drei Burschen, die das Verhalten anderer überwachen. Laut Güngör üben sie Druck aus – sowohl auf Mädchen als auch auf Burschen. Ihr Auftreten beschreibe er so: „Die treten auch dominant auf. Es ist eine Form, Macht auszuüben ‘da bin ich der Mächtige’, so fühlen sie sich.“
Ihr Motto falle entsprechend deutlich aus: „Es ist egal was du denkst, du musst es so machen, wie ich will.“
Druck auf Mädchen – und Kontrolle im Schulalltag
Laut Güngör achten diese Jugendlichen etwa darauf, dass Kopftücher getragen werden. Auch beim Fasten im Ramadan werde kontrolliert, ob Mitschüler tatsächlich fasten. Der Experte schildert, dass der Druck häufig im Kollektiv ausgeübt wird: Jugendliche achteten gegenseitig darauf, religiöse Vorgaben einzuhalten.
Besonders deutlich werde dieser soziale Druck bei Mädchen. Sittenwächter setzen laut den Schilderungen darauf, dass muslimische Mädchen keinen Freund haben. Dabei bleibe es nicht immer bei Worten. Der Experte sagt, „da gab es Fälle, da wurden männliche Jugendliche zusammengeschlagen und die Mädchen massiv unter Druck gesetzt.“
Druck am Schulweg und im Klassenraum
Der Alltag an Schulen wird laut dem Material von Situationen geprägt, die offen vor anderen stattfinden. Die Einflussnahme passiere in der Klasse vor allen anderen, im Pausenhof oder auf dem Heimweg, wenn ein Mädchen allein abgepasst werde.
Diese Vorgänge bleiben laut Güngör selten verborgen: „Die meisten wissen, was da geschieht, zumindest einige im Klassenverband durchschauen es, oft auch alle in der Klasse.“
Woher die „Sittenwächter“ ihre Rolle beziehen
Im Heute-Interview erklärt Güngör, dass die Jugendlichen aus unterschiedlichen Gründen zu Sittenwächtern werden. Teilweise aus Tradition, teilweise auch durch Inhalte auf sozialen Medien. Dort würden Videos verbreitet, in denen Slogans wie
„Passt auf eure Brüder und Schwestern auf, sie sollen dies und jenes nicht machen.“
vermittelt werden. Diese Botschaften beeinflussen die Jugendlichen – und führen dazu, dass sie diese Rollen in der Schule übernehmen.
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