Die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP sind in eine schwere Krise geschlittert. Die Freiheitlichen haben der Volkspartei einen Vorschlag zur Ressortverteilung unterbreitet, der dort auf heftigen Widerstand stößt. Die FPÖ beansprucht neben dem Bundeskanzleramt unter Herbert Kickl auch das Finanz- und Innenministerium sowie die Europa-Agenden im Kanzleramt. Die ÖVP hingegen hält gerade diese Ressorts für unverzichtbar und verweigerte ihre Zustimmung. Die Verhandlungen wurden daraufhin abrupt abgebrochen.

So sieht der FPÖ-Vorschlag aus

Die FPÖ hält ihren Vorschlag für großzügig, weil er der ÖVP ein Ministerium mehr überlässt. Insgesamt käme die Volkspartei auf sieben Ressorts: Vizekanzler, Äußeres, Frauen/Familie/Jugend, Landwirtschaft/Umwelt, Wirtschaft/Energie/Arbeit, Bildung/Wissenschaft/Forschung, Infrastruktur, Landesverteidigung.

Die FPÖ würde sich mit nur sechs Ressorts begnügen, die aber von großer Bedeutung sind: Bundeskanzler, Kanzleramtsminister (EU, Verfassung, Medien, Kultur, Deregulierung), Gesundheit/Sport, Soziales/Integration, Finanzen, Inneres. Außerdem wollen die Blauen einen unabhängigen Justizminister und einen ebenfalls parteilosen Staatssekretär im Innenministerium für den Nachrichtendienst DSN.

Beide Seiten haben derzeit sehr unterschiedliche Vorstellungen über die Ressortverteilung.APA/AFP/ALEX HALADA

ÖVP strikt dagegen, FPÖ sieht das ganz anders

Die Volkspartei sieht in diesem Modell eine ungleiche Machtverteilung und betont, dass sie sich nicht mit “Brosamen abspeisen lassen” werde, wie ein hochrangiger Vertreter gegenüber Heute erklärte. Die freiheitlichen Unterhändler verweisen darauf, dass sie den Schwarzen “unter anderem ihr geliebtes Außen- und Landwirtschaftsministerium” zugestehen würden. Für das Finanzministerium hätte sich die Volkspartei allerdings “in den letzten Jahren nun ja wirklich nicht qualifiziert, wenn man auf das Budgetdefizit blickt”.

Ebenso Streit um EU-Agenden und Justizminister

Besonders umstritten ist überdies die Kontrolle der EU-Agenden. Die ÖVP besteht darauf, dass beide nicht in die Hände der FPÖ fallen, sondern wie in vergangenen Koalitionen bei ihr bleiben, berichtet oe24. Die Volkspartei verweist darauf, dass auch in der SPÖ-ÖVP-Koalition das Kanzleramt zwar von der SPÖ geführt wurde, die EU-Agenden aber bei der ÖVP lagen. Die Freiheitlichen wollen sie dagegen unter Kanzler Kickl zentralisieren, was die Volkspartei strikt ablehnt.

Auch den Wunsch der FPÖ nach einem unabhängigen Justizminister lehnt die ÖVP ab. Sie befürchtet, dass dies zu einer massiven Einflussnahme der FPÖ auf die Justiz führen könnte. Zudem will die FPÖ das Innenministerium zur “Zerschlagung schwarzer Netzwerke” nutzen, was innerhalb der Volkspartei auf heftigen Widerstand stößt. “Nicht in diesem Leben, nicht auf diesem Planeten wird Dr. Christian Stocker dem jemals zustimmen”, zitiert die Tageszeitung Heute eine verärgerte ÖVP-Quelle.

ÖVP stärkt Stocker den Rücken, FPÖ um Schadensbegrenzung bemüht

Die ÖVP hat als Reaktion auf den Vorschlag der FPÖ die Verhandlungen vorerst auf Eis gelegt. Kurzfristig wurde ein Parteivorstand einberufen, um über die weitere Strategie zu beraten. Dort soll ÖVP-Chef Christian Stocker von seiner Partei Rückendeckung erhalten haben, nicht nachzugeben. “Wir schauen uns das an, aber so sicher ist das nicht”, heißt es aus der Volkspartei. Man fühle sich durch das Ergebnis der niederösterreichischen Gemeinderatswahl bestätigt und sei bereit, notfalls auch Neuwahlen in Kauf zu nehmen.

FPÖ-Chef Kickl bemühte sich unterdessen um Schadensbegrenzung. “Die ÖVP stimmt sich offenbar intern ab. Das ist ganz normal in Verhandlungen”, schrieb er auf Facebook. Er stellte klar, dass es keinen Abbruch der Verhandlungen gebe und die Gespräche fortgesetzt würden. Die FPÖ sei weiterhin kompromissbereit, aber nicht um jeden Preis, hieß es aus FPÖ-Kreisen. Auch die ÖVP sprach gestern von einer “schwierigen Phase” der Koalitionsgespräche, aber: “Die Verhandlungen gehen weiter”.

Es kracht – aber die Koalitionsverhandlungen gehen weiter

In den kommenden Tagen sollen die Gespräche nach Angaben beider Parteien in Untergruppen fortgesetzt werden. Für Mittwoch ist ein Treffen zur Sozialpolitik geplant, bis zum Wochenende könnte eine Einigung erzielt werden. Die Situation bleibt jedoch angespannt. Die Parteien könnten auch in eine komplette Verhandlungspause oder Neuwahlen schlittern.

Dass Koalitionsgespräche an Fragen der Ressortverteilung scheitern, dürfte bei den Wählern auf wenig Verständnis stoßen. Sicher ist jedoch, dass die Österreicherinnen und Österreicher im Falle von Neuwahlen durch ihr Wahlverhalten die künftige Ressortverteilung erheblich beeinflussen könnten, indem sie zumindest einer der beiden Parteien deutliche Gewinne oder Verluste bescheren.