Kriegs-Schock: Experte sieht Ukraine-Niederlage – EU rüstet Bürger für Ernstfall
Ein renommierter Kriegsforscher warnt: Die Niederlage der Ukraine sei unvermeidlich. Die Politik bereitet die Bürger bereits auf den Ernstfall vor – mit Notfall-Kits, Schutzräumen und Unis mit Kriegs-Curricula. Europa plant für das Schlimmste – doch Moral, Informationskrieg und Bürgerwillen brechen weg.
Ukraine: Infanteristen suchen Deckung nach einem Artillerieeinschlag. Holt der Krieg Europa ein?APA/AFP/Ed JONES
Es sind unheimliche Signale der Politik für ein Schreckensszenario: Die EU-Kommission empfiehlt jedem Haushalt ein Notfall-Kit, Frankreich will ein Survivalkompendium an alle Bürger verteilen. Noch ernster: Das französische Gesundheitsministerium verpflichtet Kliniken, sich bis März 2026 auf eine „Ausnahmesituation oder militärische Intervention“ vorzubereiten.
Mehr noch: In Deutschland werden alte Schutzräume inspiziert, in Belgien nehmen medizinische Fakultäten die „Behandlung von Kriegsopfern“ in ihre Curricula auf. „Wie ernst müssen wir das nehmen?“, fragt der Sprecher einer brisanten Doku des belgischen Online-Nachrichtenportals Brussels Signal. Offenbar sehr.
„Die ersten 72 Stunden entscheiden“
Im Krieg ist die Zivilgesellschaft ein entscheidender Faktor, unterstreicht Maria Martisiute in dem Film: „In Notfällen und Kriegszeiten spielen Zivilisten eine Schlüsselrolle: Energie, Transport, Wasser, Infrastruktur. Deshalb müssen die Menschen vorbereitet sein.“
Mit Blick auf die Vorsorge, was man zu Hause haben sollte fordert sie Orientierung an nordischen Ländern wie Estland: „Die ersten 72 Stunden sind entscheidend – oft ist noch unklar, woher die Bedrohung kommt und was auf dem Spiel steht. Deshalb muss man nüchtern vorsorgen, ohne Panik, aber mit Klarheit.“
Wehrpflicht – Panikreaktion oder Notwendigkeit?
Es ist offenkundig: Europäische Länder stellen sich darauf ein. Deutschland diskutiert die Rückkehr zur Wehrpflicht – für deren Beibehaltung sich die Österreicher im Jahr 2013 bei einer Volksbefragung ausgesprochen haben. Andere Staaten haben sich von ihr gelöst, nun denken sie über eine Wiedereinführung nach. Zudem haben mehrere Länder ihre Verteidigungsbudgets auf historische Rekordhöhen getrieben.
Doch sind diese Pläne überhaupt realistisch? Oder ein Schnellschuss, der eine Generation verschreckt, die nie Krieg erlebt hat? Martisiute sieht beides: „In Europa wurde die Frage von Fähigkeiten und Personal lange vernachlässigt. Nur Länder wie Finnland oder Polen sind wirklich vorbereitet. Wenn Wehrpflicht, dann verpflichtend an der Ostflanke. Sonst braucht es Anreize, klare Begründungen, offene Debatten. Sonst überzeugt man niemanden.“
„Würden Sie für den Status quo sterben?“
Sehr pessimistisch ist David Betz, Professor für War Studies am King’s College London. Er stellt die heikelste Frage: „Warum sollten die Menschen überhaupt kämpfen? Würden sie für den Status quo sterben?“
Seine Diagnose ist brisant: Das Ansehen des Militärdienstes ist im Westen seit Jahrzehnten gesunken. Junge Eliten sehen kaum Prestige im Militär – „die Zeiten, in denen der Beruf jedes Gentlemans der Krieg war, sind vorbei.“ Überdies wurde nationale Identität nach 1945 dekonstruiert – das Gefühl eines „Wir“ fehlt. Damit fehle auch der moralische Kern.
Ukraine verliert an der Front – Europa in den Köpfen
Damit noch nicht genug: „Europa verliert den Informationskrieg. Russland überzeugt seine Bevölkerung, dass es im Recht ist – und dass es den Krieg gewinnt. Im Westen dagegen herrscht Spaltung, und viele akzeptieren längst das russische Argument, die NATO-Erweiterung sei der Auslöser.“ Die Russen stehen hinter diesem Krieg und glauben an den Sieg – die Europäer hingegen nicht, sie sind in Summe gespalten.
Als wäre das noch nicht schlimm genug: Der Zweifel der Europäer ist begründet, wie Betz offen einräumt: „Es wird immer offensichtlicher: Eine Niederlage im Ukrainekrieg ist unvermeidlich. Für Militärprofis ist das ohnehin klar, und ich denke, öffentlich wird es ebenfalls weitgehend so gesehen. Die Frage ist nur noch: Wie viel Zeit bleibt – und wie groß werden der Reputationsschaden und die wirtschaftlichen Kosten für den Westen sein, ganz zu schweigen von der Ukraine?“
„Europa ist zu weich“
Eine weitere Eskalation ist möglich – doch ob die Zivilbevölkerung mitzieht, ist fraglich. Wie die Doku deutlich macht: Die Haltung der Bürger in Europa ist sehr verschieden, je nach geografischer Lage: „Länder, die keine Grenze zur Ukraine haben, spielen Kriegswarnungen herunter.“
Larysa Marchenko, Top-Beraterin bei Ernst & Young (EY), einer der größten Beratungsfirmen der Welt, kommentiert: „Manche Menschen leugnen sogar, dass in der Ukraine überhaupt Krieg herrscht.“ Marchenko organisiert internationale Investoren für den Wiederaufbau der Ukraine. Sie kritisiert Europas Zögerlichkeit: „Russland betreibt massive Propaganda, Europa nicht“, klagt Marchenko. „Eure Botschaften sind zu weich, zu schwach. Seit Kriegsbeginn habt ihr eure Sprache nicht verändert.“ Sie fordert eine „Propaganda im guten Sinn – auf Basis unserer Werte, die den Menschen klar vermittelt: Ihr seid geschützt.“
Die unbequemen Fragen
Die Doku von Brussels Signal konfrontiert die Zuschauer mit einigen der heikelsten Fragen. Hilft der Aufruf zu Notfall-Kits oder löst er Panik aus? Ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht wirklich notwendig – und wer wäre bereit zu sterben? Verliert Europa nicht nur an der Front, sondern auch in den Köpfen? Und schließlich: Kann eine Gesellschaft ohne starkes „Wir“-Gefühl überhaupt kämpfen?
Das Bild ist düster. Die Politik bereitet den Ernstfall minutiös vor – doch Europas Bevölkerung bleibt skeptisch, uneinig und mental entwaffnet. Europas Politik rüstet fürs Schlimmste – aber die Bürger bleiben unvorbereitet.
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