Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol sieht sich wegen des kurzzeitig von ihm verhängten Kriegsrechts mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Die größte Oppositionspartei warf dem konservativen Staatsoberhaupt Verfassungsbruch vor und forderte Yoon zum sofortigen Amtsverzicht auf. Andernfalls werde man ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Gewerkschaften drohten mit Streiks. Auch der Chef der Regierungspartei, Han Dong Hoon, übte scharfe Kritik: Er forderte den Präsidenten laut Berichten südkoreanischer Medien auf, sein Verhalten zu erklären und Verteidigungsminister Kim Yong-hyun wegen der „desaströsen Lage“ zu entlassen.

Kriegsrecht wieder aufgehoben

Der in einem Umfragetief steckende Präsident hatte in der Nacht das von ihm überraschend verhängte Kriegsrecht binnen Stunden wieder aufgehoben. Zu dieser Kehrtwende hatten ihn zuvor sämtliche 190 anwesenden Abgeordneten in der Nationalversammlung per Abstimmung aufgerufen. Zehn ranghohe Berater des Präsidenten wollten daraufhin laut einem Bericht der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap geschlossen zurücktreten – darunter Yoons Stabschef und der nationale Sicherheitsberater.

Internationale Besorgnis

In einer live ausgestrahlten Rede hatte Yoon die Opposition des Landes beschuldigt, mit Nordkorea zu sympathisieren, was ihn offenbar zu seinem radikalen Schritt bewog. Die USA als wichtigster Verbündeter und Schutzmacht Südkoreas zeigten sich über die kurzzeitige Verhängung des Kriegsrechts zutiefst besorgt, ebenso wie Deutschland. Auch Japans Regierungschef Shigeru Ishiba ließ wissen, seine Regierung verfolge die Entwicklung im Nachbarland mit „ernsten Bedenken“. US-Außenminister Antony Blinken begrüßte die spätere Kehrtwende Yoons und mahnte, politische Differenzen müssten „friedlich und im Einklang mit den Prinzipien des Rechtsstaats“ ausgeräumt werden.

Yoon Suk YeolGETTYIMAGES/Handout

In Seoul waren in der Nacht Tausende Demonstranten vor das vom Militär abgesperrte Parlament gezogen, um lautstark gegen Yoons Vorgehen zu protestieren. Kritik kam auch aus seiner eigenen Regierung: „Die Republik Korea ist eine liberale demokratische Nation, und wir stehen an der Seite des Volkes, um die liberale Demokratie zu verteidigen, und werden uns dieser Erklärung des Kriegsrechts entschieden widersetzen“, erklärte Parteichef Han Dong Hoon.

Es war das erste Mal seit Südkoreas Übergang zur Demokratie Ende der 1980er Jahre, dass der Präsident des Landes das Kriegsrecht verhängte. Zuvor war Südkorea nach Erlangung seiner Unabhängigkeit von Japan im Jahr 1945 überwiegend von Militärdiktaturen regiert worden. Im Frühjahr 1980 verhängte der damalige Militärdiktator Chun Doo Hwan das bislang letzte Mal das Kriegsrecht.

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