US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hat am Donnerstag den Militäreinsatz „Southern Spear“ (Südlicher Speer) verkündet, der sich gegen „Narko-Terroristen“ in Lateinamerika richtet. Dazu wurde auch der modernste Flugzeugträger des US-Militärs, die „USS Gerald R. Ford“, aus dem Mittelmeer in die Karibik verlegt. Eben wurde, zum ersten Mal seit 2014, ein Öltanker vor der Küste Venezuelas, der Öl aus Venezuela und Iran transportierte, durch US-Streitkräfte aufgebracht und beschlagnahmt.

US-Präsident Donald Trump hat erklärt, die Zeit, in der das Maduro-Regime die westliche Hemisphäre destabilisieren konnte, sei vorüber. Denn wer glaubt, es gehe nur darum, den Drogenschmuggel in die USA zu verhindern, verkennt die Lage: Das eigentliche, viel größere Problem ist die Tatsache, dass Venezuela mit Amerikas Feinden verbündet ist: Iran, Kuba, China und Russland. Die Druckkampagne wurde gestartet, um das Regime zu isolieren. Sanktionen und eben auch militärische Maßnahmen sollen die Fähigkeit der venezolanischen Regierung, ihre Geschäfte wie gewohnt zu führen, dramatisch einschränken.

Mit Chávez fing es an

Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Venezuela sind seit Jahrzehnten von tiefen Konflikten geprägt. Alles begann 1998 mit der Wahl von Hugo Chávez zum Präsidenten Venezuelas, der eine enge Allianz mit Ländern wie Kuba, Iran und Russland pflegte, die Washington als Bedrohung seiner Einflusssphäre in Lateinamerika ansah.

Nach Chávez’ Tod 2013 übernahm Nicolás Maduro die Präsidentschaft und vertiefte die autoritäre Politik. Die USA reagierten mit Sanktionen, die 2017 in der ersten Amtszeit Trumps begannen und sich auf Schlüsselbranchen wie Öl, Finanzen und Regierungsbeamte erstreckten. Weil die Opposition die Parlamentswahlen 2015 deutlich gewann, regiert Maduro seither mit Notverordnungen, die USA erkennen ihn nicht an. Sie sehen in Maduros Regime eine Bedrohung für die regionale Stabilität und befürchten, dass venezolanisches Öl in sanktionierte Märkte wie China fließt.

Doch das Bild ist noch viel größer. Dass die USA ihre Interessen gefährdet sehen und die Spannungen jetzt einen militärischen Unterton angenommen haben, liegt darin begründet, dass es nicht nur um Drogenschmuggel und politisch heikle Öllieferungen geht, sondern dass die südamerikanischen Kartelle eine Macht besitzen, von der sich die meisten Menschen keine Vorstellung machen. Sie verfügen über Milliarden-Etats, welche die mancher Staaten deutlich übersteigen.

Wenn Staat und Kartelle unter einer Decke stecken

Und es ist nicht „nur“ so, dass Fentanyl nach Amerika gebracht wird, was jährlich 100.000 Menschen in den USA das Leben kostet. Es geht um die Macht, die von den Kartellen ausgeübt wird, wenn sie sich mit staatlichen Strukturen zusammentun, etwa mit Politik, Geheimdienst oder Militär eines Staates verbünden, sie bestechen oder kontrollieren – und mit Schurkenstaaten kooperieren.

Der Drogenhandel in Lateinamerika, insbesondere der Kokainhandel, ist ein milliardenschweres Geschäft, das nicht nur kriminelle Kartelle, sondern zunehmend auch staatliche Akteure in südamerikanischen Ländern verstrickt. Venezuela spielt hier eine zentrale Rolle als Transit- und Produktionszentrum, daneben aber auch Länder wie Kolumbien und Ecuador. Diese Netzwerke finanzieren Korruption, Gewalt und autoritäre Regime und erstrecken sich über Allianzen zu Staaten wie China, Iran und Nordkorea. Aus Sicht der Amerikaner ist das ein Angriff, der die innere Sicherheit der USA untergräbt, wirtschaftliche Ressourcen bindet und geopolitische Einflusssphären bedroht.

Venezuela ist zentraler Knotenpunkt für den globalen Drogenhandel und das Regime unter Nicolás Maduro tief in kriminelle Strukturen verflochten, insbesondere durch das sogenannte Cartel de los Soles („Kartell der Sonnen“), benannt nach den Rangabzeichen der venezolanischen Armee. Dieses Netzwerk umfasst hochrangige Militärs, Geheimdienstmitarbeiter und regierungsnahe Figuren, die den Drogenhandel koordinieren und schützen.

Sogar Iran und Hisbollah sind involviert

Milliardeneinnahmen aus dem Kokainhandel finanzieren Maduros Regime. Experten sehen Venezuela daher als Mafia-Staat, in dem der Drogenhandel nicht trotz, sondern durch die Regierung blüht. Die USA haben das Kartell im November 2025 als ausländische Terrororganisation eingestuft, was Sanktionen und militärische Maßnahmen ermöglicht – darunter direkte Angriffe auf Drogenboote im Karibikraum, die sich in den vergangenen Tagen gehäuft haben.

Der Kokain-Boom speist sich aus den Andenländern, wo Korruption und schwache Institutionen Kartellen freie Hand lassen: Kolumbien ist Heimat von Gruppen wie dem Clan del Golfo. In Peru und Bolivien expandieren lokale Kartelle wie das peruanische „Tren de Aragua“ (TdA) – ursprünglich venezolanisch – und kontrollieren Grenzgebiete, oft mit Komplizenschaft lokaler Beamter. Ecuador ist ein Hotspot für Gewalt geworden. Kartelle nutzen Häfen wie Guayaquil für den Versand nach Europa und in die USA; Morde und Erpressungen haben zugenommen. Brasilien beherbergt Gruppen wie die PCC (Primeiro Comando da Capital), die mit kolumbianischen und venezolanischen Netzwerken zusammenarbeiten.

Doch der Knackpunkt ist: Die Verstrickung reicht weit über Lateinamerika hinaus und verknüpft Kartelle mit geopolitischen Akteuren, die das Maduro-Regime stützen. Venezuela dient als „Safe Haven” für die libanesische Hisbollah-Miliz, die sich auch durch Drogenhandel finanziert. Hisbollah-Mitglieder erhalten venezolanische Pässe und nutzen Routen für Kokain- und Waffenhandel, was den Iran indirekt einbindet. Iran liefert zudem Öl und Technologie im Tausch gegen Gold und illegale Güter. Nordkorea teilt Technologie und Waffen mit Venezuela.

Auch Terror ist ihr Geschäft

In Südamerika, wo schwache Institutionen und Korruption herrschen, nutzen Kartelle Korruption in Polizei, Justiz und Politik, um ihre Aktivitäten zu schützen. Diese Verstrickungen haben weltweite Ausmaße: Routen reichen von den Anden über den Amazonas bis nach Europa, Nordamerika und Asien. Sie finanzieren nicht nur Kartelle, sondern stärken auch proxy-ähnliche Strukturen, die geopolitische Spannungen schüren.

Südamerikanische Kartelle verwenden terroristische Taktiken – wie Anschläge auf Zivilisten, Entführungen und Propaganda –, um Territorien zu kontrollieren und Rivalen einzuschüchtern. Dies wird als „Narko-Terrorismus“ bezeichnet, ein Hybrid aus Drogenhandel und bewaffnetem Terror, der die Grenze zwischen Kriminalität und politischer Gewalt fließend macht. So nutzt der Clan del Golfo in Kolumbien terroristische Taktiken wie Autobomben, Massaker an Zivilisten und Angriffe auf Sicherheitskräfte, um Produktionsgebiete zu dominieren.

Kolumbianisches Kokain erreicht den Nahen Osten über venezolanische Häfen, wo die Hisbollah es an Al-Qaida-Verbündete verkauft. Die USA haben 2025 sechs Kartelle (inklusive südamerikanischer Ableger) als Foreign Terrorist Organizations (FTOs) eingestuft, um militärische Interventionen zu ermöglichen. Auch die Massenmigration, etwa aus Venezuela (7 Millionen Flüchtlinge seit 2015!), wird genutzt – für Schmuggel und Zwangsarbeit. Der Übergang von Schmuggel zu Handel ist fließend: Migranten, die Schutzgeld zahlen, werden bei Zahlungsausfällen versklavt.

Zwangsarbeit, Sexhandel, Kinderpornografie

Das Netzwerk Tren de Aragua (Venezuela/Ecuador/Peru) umfasst 10.000 Mitglieder (von denen viele aus den USA abgeschoben wurden), dominiert Grenzübergänge und verdient 100 Millionen Dollar jährlich durch Menschenhandel. Es zwingt venezolanische Migranten in Bergbauzwangsarbeit oder Sexhandel. Südamerikanische Kartelle kooperieren mit mexikanischen Gruppen (z. B. Sinaloa), um Migranten nach Nordamerika zu leiten. In Europa landen Opfer in Bordellen oder als Hausangestellte.

Kartelle kontrollieren auch Bordelle als Waschsalons für Kokain-Gewinne und zwingen Frauen in Abhängigkeit durch Drogen. In mexikanischen Tijuana betreibt das Zetas-Kartell (mit kolumbianischen Komplizen) „Zonas de Tolerancia“-Bordelle, in denen 5.000 Frauen täglich ausgebeutet werden. In Ecuador explodierte der Sexhandel um 300 Prozent seit 2020 durch TdA, das ecuadorianische Frauen nach Europa schickt.

Selbst vor Kinderpornografie und sexueller Ausbeutung von Kindern machen die Kartelle nicht Halt. Ein Viertel der kolumbianischen Kinder soll in kommerzieller sexueller Ausbeutung stecken, oft durch Kartell-finanzierte „Casas de Citas“. In Venezuela und Ecuador zwingt TdA venezolanische Kinder in die Pornografie-Produktion; der TIP-Report Ecuador 2024 erweitert das Strafrecht auf Kinderpornografie als Trafficking-Form. In Caracas operieren „Farmen“, wo Kinder gefilmt werden.

Die Zeit des Appeasements ist vorbei

Wer glaubt, es ginge nur darum, kleine Boote mit Kokain-Ladung abzufangen, verkennt das große Bild. Der eigentliche Gegner ist das Maduro-Regime als zentrale Drehscheibe für kriminelle und terroristische Geschäfte, in die fremde Mächte involviert sind, die ein Interesse daran haben, die Schwachstellen der Vereinigten Staaten auszunutzen, um Amerikas Macht zu destabilisieren.

Die Regierung von Joe Biden, die von solider Abschreckungsstrategie nichts hielt, hat dabei tatenlos zugesehen. Sie hat sogar Alex Saab, den mutmaßlichen Geldboten von Maduro und dem iranischen Führer Ayatollah Khamenei – der Berichten zufolge für den Transfer von Milliardenbeträgen in Form von Geld, Gold und Waffen zwischen Venezuela und dem Iran verantwortlich ist –, im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen. Ein Akt der Beschwichtigung, der dem Maduro-Regime einen großen Sieg bescherte.

Indem die USA Maduros Venezuela jetzt massiv unter Druck setzen, wird die Abschreckungsfähigkeit der USA wiederhergestellt. Mit einem Verteidigungs- bzw. Kriegsminister wie Pete Hegseth lässt sich die Weltmacht USA nicht weiter auf dem Kopf herumtanzen. Das ist auch ein Signal an China und Russland sowie Staaten wie Iran.

„Er wird der Nächste sein“

Zumal es nicht bei Maduro bleiben wird, dem Trump immerhin noch einen Türspalt für Gespräche offenhält. Am Mittwoch verschärfte der US-Präsident seine Drohungen gegen Kolumbien und erklärte gegenüber Reportern, der kolumbianische Präsident Gustavo Petro sei der „Nächste“ in der regionalen Kampagne des Weißen Hauses gegen den Drogenhandel: „Kolumbien produziert eine Menge Drogen“, sagte Trump. „Also sollte er besser zur Vernunft kommen, sonst ist er der Nächste. Er wird bald der Nächste sein. Ich hoffe, er hört zu, denn er wird der Nächste sein.“

Ob man es nun mit den alten Begriffen Kanonenboot-Politik oder Monroe-Doktrin bezeichnen mag: Amerika ist wieder bereit, seine Macht einzusetzen, und sei es erst einmal nur durch ihre Demonstration: Wer nicht nur die Folterwerkzeuge zu sehen bekommt, sondern auch weiß, dass Washington bereit ist, sie notfalls einzusetzen, sollte sich mindestens zweimal überlegen, ob er so weitermachen will wie bisher.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partner-Portal NiUS erschienen.