Nach Mamdanis Wahlsieg zeigt sich Donald Trump offen für ein Gespräch, obwohl er zuvor scharfe Warnungen vor einem politischen Kurswechsel in New York ausgesprochen hatte. Kurz vor der Wahl hatte der Präsident noch mit finanziellen Konsequenzen gedroht und Mamdani als „kommunistischen Kandidaten“ bezeichnet. Jetzt schlägt Trump einen anderen Ton an und erklärt: „Wir werden eine Lösung finden.“ Damit signalisiert er Bereitschaft, gemeinsam nach Auswegen für die angeschlagene Stadt zu suchen.

„Sehr hoch gepokert“ mit Wahlversprechen

„Was seine Versprechen angeht, hat er sehr hoch gepokert”, sagt Reinhard Heinisch von der Universität Salzburg. Der Politikwissenschaftler hegt „große Skepsis” hinsichtlich Mamdanis Verwaltungsfähigkeit. „Das sind zum Teil Dinge, die er nicht einfach selbst ändern kann. Da stellt sich die Frage, wie viel Unterstützung er wirklich kriegen wird.“

Normalerweise scheut Trump keine Herausforderung. „Er reagiert immer mit Stärke”, sagt Heinisch. Der Politikwissenschaftler rechnet im Jänner „schon eher mit einer Verdopplung der Anstrengungen”. Doch wie abhängig ist New York wirklich von „federal funds”, also Bundesmitteln? Laut einer im April dieses Jahres veröffentlichten Analyse wird die Stadt im Haushaltsjahr 2026 7,4 Milliarden US-Dollar benötigen. Diese machen somit 6,4 Prozent der Gesamtausgaben aus. Die restlichen Mittel stammen aus staatlichen Steuern, Gebühren und anderen Einnahmen.

Allerdings fließt auch Geld über den US-Staat New York in die Stadt. So erhält das Gesundheitsprogramm für Erwachsene und Kinder mit geringen finanziellen Mitteln, Medicaid, 30 Milliarden Dollar. Das Gesundheitsprogramm für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, Medicare, erhält ebenso Zuschüsse. Heinisch zufolge besteht seitens Trump daher „ganz klar” die Macht, Dinge grundlegend zu verändern.

Kongress hat Befugnis über Bundesmittel

Gemäß der US-Verfassung hat nicht der Präsident, sondern der Kongress die Befugnis, über die Verteilung der Bundesmittel an die US-Staaten zu entscheiden. In Artikel I, Abschnitt 8 wird festgelegt, dass der Kongress Steuern erheben und über die Verwendung der Gelder für nationale Zwecke entscheiden kann. In Artikel I, Abschnitt 9 der US-Verfassung heißt es darüber hinaus: „Es dürfen keine Gelder aus der Staatskasse entnommen werden, es sei denn, dies geschieht aufgrund einer gesetzlich festgelegten Mittelzuweisung.” Wenn der Präsident die Entscheidungen des Kongresses über die Verwendung von Bundesmitteln nicht umsetzt, würde dies als verfassungswidrige „Beschlagnahme” seitens des Präsidenten angesehen werden.

Derzeit wird der Kongress von der Republikanischen Partei kontrolliert. Sie hält 53 Sitze im Senat, die Demokraten 45 und die Unabhängigen zwei. Im Repräsentantenhaus liegt das Verhältnis bei 219 zu 214 Sitzen.

Trump hatte bereits maßgeblichen Einfluss auf das Rennen genommen: Durch seinen Druck stieg der amtierende Bürgermeister Eric Adams aus – in der Hoffnung, dass Andrew Cuomo dadurch im Finish noch aufholen könnte. Dass der Präsident den Republikaner Curtis Sliwa nicht ebenfalls zum Rückzug bewegen konnte, zeigt eher die Grenzen persönlicher Loyalitäten als jene seines politischen Gewichts. „New York ist für Trump nicht irgendeine Stadt“, sagt Heinisch. Für den Präsidenten ist es eine Herzensangelegenheit – und besonders schmerzhaft, dass ausgerechnet dort nun ein Bürgermeister antritt, der alles verkörpert, was Trumps Kurs ablehnt.

Geht vielmehr um die Optik

Laut dem Politologen Heinisch geht es Trump bei seinen Drohungen „vielmehr um die Optik“: Der Präsident sende bewusst Signale an mächtige Institutionen wie Universitäten, Medien und politische Gegner. „Er gibt ein bisschen den ‚Mafia-Boss‘, sucht den Kampf mit den Stärksten“, sagt Heinisch. Manche würden nachgeben, andere würden sich widersetzen – „aber zu hohen Kosten“. Genau das sende eine Botschaft an alle anderen.

Für die Republikaner ist Mamdanis Sieg jedoch nur ein Teil eines größeren Problems. Am 4. November erlitten sie entlang der gesamten Ostküste empfindliche Niederlagen. In Virginia holte Abigail Spanberger ein historisch starkes Ergebnis für die Demokraten, in New Jersey zerbrach die Koalition zwischen Trump und Jack Ciattarelli und in Kalifornien wurde Newsoms Wahlkreisreform „Proposition 50“ deutlich angenommen. „Da ist die Gefahr für Trump größer als die aus New York“, so Heinisch.

Die Präsidentschaftswahl 2024 sei für viele Wähler eine „totale Absage an den ‚Bidenismus‘“ gewesen. Doch nun zeigten sich die Demokraten wieder „kampfbereit” und verabschiedeten sich von der Rolle der gemäßigten Zentrumspartei. Trump selbst profitiert davon, dass die politische Front klarer gezogen ist und seine Gegner nicht mehr als einheitlicher Block auftreten.

Gavin Newsom gibt neue Richtung vor

Heinisch sieht innerhalb der Demokraten eine neue strategische Linie, angeführt von Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom. Er nennt sie „Fighting Moderates“ – gemäßigte Politiker, die überzeugt sind, „mit allen Waffen, die wir haben, zurückschlagen“ zu müssen. Diese Haltung gehe, so Heinisch, teils „an die Grenzen der Demokratie“, werde aber mit dem Argument vertreten, „wir sind in Gefahr“. Die Partei sei der Ansicht, sich keinen Rückzug mehr leisten zu können und stattdessen aktiv zurückkämpfen zu müssen – notfalls auch mit politischen Tricks „solange die Gefahr noch besteht“.

Newsom sei dabei „zu einer Art Führungsfigur einer sonst führungslosen Demokratischen Partei“ geworden, erklärt Heinisch. Der Gouverneur „trollt“ Trump seit Monaten, also provoziert ihn gezielt mit spitzen Kommentaren und Online-Beiträgen, um Reaktionen hervorzurufen. Laut Heinisch tut er das „auf recht geschickte Weise“ und „mit ein bisschen Augenzwinkern“. Dass Newsom als Chef eines der mächtigsten Bundesstaaten politisch abgesichert ist, verschaffe ihm dazu den nötigen Spielraum.

Frage der Polizei wird „zentral” sein

Wie sehr Mamdani das politische System tatsächlich herausfordert, werde sich erst im Amt zeigen, sagt Heinisch. Entscheidend sei sein Umgang mit der Polizei – ein Bereich, in dem Mamdani früher besonders harte Positionen vertreten hat. 2020 schrieb er auf X: „Wir brauchen keine Untersuchung, um zu wissen, dass die NYPD rassistisch und anti-queer ist … Was wir brauchen, ist eine Kürzung der Mittel für die NYPD.“ Für Heinisch steht fest: „Wenn er gegen sie arbeitet, wird es sehr schwierig.“ Ein Bürgermeister müsse vielmehr „Gruppen in Balance halten“ und Kompromisse schaffen.

Mamdani versucht mittlerweile, Distanz zu seinen radikaleren Aussagen aufzubauen. Im Oktober entschuldigte er sich sogar auf Fox News: „Ich weiß, dass diese Männer und Frauen beim NYPD jeden Tag ihr Leben aufs Spiel setzen.“ Ob diese Kehrtwende glaubwürdig ist, werde sich laut Heinisch erst zeigen.

Wichtig sei außerdem, dass Mamdani nicht jeden politischen Kampf austrägt. „Ein Politiker verspricht zehn Sachen, aber nur zwei oder drei sind wirklich zentral“, sagt Heinisch. Diese müsse er durchsetzen, um eine Chance auf Wiederwahl zu haben – „und dann kann er sagen: Wir haben etwas begonnen, lasst uns diesen Weg zu Ende gehen.“ Ob dann noch derselbe Präsident im Amt ist, bleibt offen.