„Manipulierte EU-Wahlen“? AfD-Mann attackiert Brüssel-Gelder für Journalisten
Brüssel hat dem Investigativ-Netzwerk OCCRP kürzlich mehr als 600.000 Euro überwiesen – offiziell, um den Journalismus zu stärken. Nun gibt es daran scharfe Kritik: Die geförderten Journalisten jagen gezielt EU-Skeptiker, sagt der AfD-Abgeordnete Petr Bystron. Partner-Medien des OCCRP ließen auch einst die „Ibiza-Bombe“ platzen.
EU-Geldregen für Enthüller: Mehr als 600.000 Euro flossen Ende 2024 an das Investigativ-Netzwerk OCCRP – offiziell zur Stärkung des Journalismus, Kritiker wittern politische Einflussnahme.GETTYIMAGES/domin domin/Santiago Urquijo/occrp
Die Europäische Union hat dem internationalen Investigativ-Netzwerk Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) Ende 2024 mehr als 600.000 Euro überwiesen. Das bestätigte die EU-Kommission in einer Antwort auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Petr Bystron. Die Förderung erfolgt aus dem Programm NEXT-IJ, das den „investigativen Journalismus in Europa“ stärken soll.
Die Zahlungen seien transparent und an strenge Standards geknüpft, erklärte die Kommission. Ziel sei es, journalistische Netzwerke mit „Schulungen und Werkzeugen“ auszustatten, um Korruption und organisierte Kriminalität aufzudecken.
Förderung mit Vorgeschichte
Brüssel unterstützt OCCRP nicht zum ersten Mal: Zwischen 2014 und 2023 flossen bereits rund 1,1 Millionen US-Dollar an das Netzwerk. Die aktuellen 604.000 Euro wurden im November 2024, fünf Monate nach der EU-Wahl bewilligt.
Bystron wirft OCCRP und Partner-Medien vor, gezielt EU-kritische Politiker unter Druck gesetzt zu haben. Gegenüber der Berliner Zeitung sagte er: „OCCRP-Medien wie der Spiegel haben direkt nach der EU-Wahl von der EU über 600.000 Euro erhalten. Genau diese Medien haben durch massive Kampagnen die letzten EU-Wahlen manipuliert.“
OCCRP: Globales Enthüllungsnetzwerk
Gegründet 2006, machte OCCRP international Schlagzeilen mit den Panama Papers und der Azerbaijani Laundromat-Affäre. Es versteht sich als Gegengewicht zu Korruption und organisiertem Verbrechen, arbeitet dabei eng mit Partnern wie dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) zusammen.
Deutsche Leitmedien wie Spiegel, Süddeutsche Zeitung oder Zeit nutzen regelmäßig OCCRP-Material und kooperierten bei großen Recherchen – häufig mit Folgen für politische Eliten und auch EU-kritische Stimmen.
USA als früherer Hauptfinanzier
Über viele Jahre floss der Großteil der OCCRP-Mittel aus den USA, insbesondere von der Entwicklungsbehörde USAID. NDR-Journalisten John Goetz und Armin Ghassim wiesen Ende 2024 darauf hin, dass ein erheblicher Teil der Finanzierung aus amerikanischen Regierungstöpfen kam. Unter Präsident Donald Trump wurde diese Förderung eingestellt – was OCCRP empfindlich traf.
Die Abhängigkeit von EU-Geldern verschärft die Diskussion, ob das Netzwerk noch unabhängig ist oder politisch beeinflusst wird.
Ibiza-Video: Prägend
In Österreich bleibt das Ibiza-Video von 2019 ein Paradebeispiel für die Macht dieser Form von Aufdecker-Journalismus. Damals brachten Spiegel und Süddeutsche Zeitung die Aufnahmen des FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache – jedoch stark gekürzt auf wenige Minuten. Das mehrere Stunden umfassende Ursprungsmaterial wurde erst knapp zwei Jahre später vom exxpress gezeigt und wirkte im Gesamtbild weit weniger spektakulär, als es die dramatisch verdichtete Kurzversion suggerierte. Nichtsdestotrotz stürzte die „Ibiza-Bombe“ die türkis-blaue Regierung und beeinflusste auch die EU-Wahl 2019.
Offiziell hatte dieses Projekt allerdings nichts mit OCCRP zu tun. Die Recherchen wurden von den Redaktionen der Süddeutschen Zeitung und des Spiegel betrieben.
Kritik: Medien greifen oft EU-Skeptiker an
Die EU verkauft ihre Zahlungen als Beitrag zu mehr Transparenz und Korruptionsbekämpfung. Kritiker sehen darin eher ein Mittel, unliebsame Stimmen mundtot zu machen. Tatsächlich geraten regelmäßig Populisten, EU-Skeptiker und rechte Parteien ins Visier kritischer Berichte – nicht selten mit Folgen für deren politische Karrieren.
Auch Bystron selbst ist davon betroffen. Gegen ihn ermittelt zurzeit die Münchener Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Geldwäsche. Der AfD-Politiker soll Gelder von der prorussischen Plattform Voice of Europe erhalten haben. Bystron bestreitet. Er betrachtet das Verfahren als politisch motiviert, und die Berichterstattung darüber im Spiegel als „bezahlte Propaganda“.
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