Besonders präsent ist vielen Gläubigen Weihnachten 2023. Nicht wegen festlicher Stimmung, sondern wegen schwer bewaffneter Polizisten vor Kirchen. Die Christmette unter dem Schutz von Spezialeinheiten – ausgelöst durch eine konkrete islamistische Terrorbedrohung. Für viele ein Schock.

„Herz unserer Gesellschaft“

Für Jan Ledóchowski, Leiter der neu gegründeten Meldestelle Christenschutz, ist das kein Zufall. „Dass die Terrorgefahr ausgerechnet im Advent und gegen Christkindlmärkte gerichtet ist, ist eine besonders dramatische Form der Christenfeindlichkeit“, sagt er in einem Interview zum KURIER. Islamisten zielten bewusst auf das „Herz unserer Gesellschaft“.

Noch grundsätzlicher wird Ledóchowski, wenn er Weihnachten selbst ins Zentrum rückt: „Die großartige Idee der Menschenwürde stammt letztlich aus der Krippe von Bethlehem. Wer Weihnachten angreift, greift die Wurzel unserer Humanität an.“ Seine Meldestelle sammelt Vorfälle, macht sie öffentlich – unterstützt von kirchlichen Kreisen wie Wiens Weihbischof Franz Scharl, aber unabhängig organisiert.

Flaggen auf der Votivkirche

Ein besonders symbolträchtiger Vorfall ereignete sich am ersten Adventwochenende: Zwei Palästinaflaggen wurden auf den Türmen der Wiener Votivkirche gehisst. Drei Tage lang blieben sie sichtbar. Für viele Gläubige eine Provokation, für Ledóchowski mehr als bloßer Aktivismus.

„Im Kontext des politischen Islams geht die Symbolik der Fahnenhissung weit über ein Bekenntnis zu Palästina hinaus. Es ist ein islamistischer Herrschaftsanspruch, der architektonisch und spirituell den öffentlichen Raum besetzt“, warnt er. Säkularer Gleichgültigkeit erteilt er eine klare Absage: „Wir setzen als liberale Gesellschaft unsere Existenz aufs Spiel, wenn wir zulassen, dass diese christlichen Bezugspunkte überschrieben werden.“

Bombenattrappen und Eskalation

Der gravierendste Vorfall des Jahres ereignete sich Anfang Oktober in der Karlskirche. Während eines Gottesdienstes im Rahmen des „Marsches fürs Leben“ wurden zwei präparierte Handtaschen entdeckt. Die Kirche musste von der Cobra geräumt werden.

Für Ledóchowski war das eine neue Dimension: „Das hätte eine Massenpanik unter den vielen Tausend Teilnehmern des Marsches fürs Leben auslösen können – darunter viele Familien. Das in Kauf zu nehmen, war eine neue Eskalationsstufe.“ Besonders empört zeigt er sich über die mediale Einordnung, die lediglich von „Bombenattrappen“ sprach.

Wer sind die Täter?

Nach Daten der Meldestelle Christenschutz lassen sich klare Muster erkennen. Europaweit gingen christenfeindliche Attacken zu rund 40 Prozent auf das Konto des politischen Islams. Auf Platz zwei folgten bereits linksextreme Täter mit 20 Prozent. In Österreich wurden heuer 80 Vorfälle registriert – bei einer geschätzten Dunkelziffer von 80 Prozent.

Denn vieles werde gar nicht gemeldet: Schmierereien, Beschimpfungen, religiös motiviertes Mobbing an Schulen. „Ein Beweggrund, heuer die Meldestelle Christenschutz zu gründen, war genau diese scheinbare Gleichgültigkeit“, so Ledóchowski.

Eine lange Liste an Angriffen

Die Aufzählung liest sich wie ein Protokoll der Enthemmung: Verwüstungen in der Antonskirche, radikal-islamische Parolen an der Karlskirche, anarchistische Symbole auf einem christlichen NS-Gedenkort, geschändete Gebetsgärten, Farbattacken auf Kirchenfassaden, zerstörte Kunstwerke in der Jesuitenkirche. Kirchen mussten gesperrt, Gottesdienste abgebrochen werden.

Kirche beschwichtigt

In der Erzdiözese Wien sieht man die Lage deutlich nüchterner. Pressesprecher Michael Prüller erklärt, Angriffe seien „gottseidank bisher kein großes Problem“. Vandalismus gebe es „seit Jahrzehnten in einem unspektakulären Ausmaß“, ein steigender Trend sei nicht erkennbar.

Viele Vorfälle ließen sich auf Obdachlose oder Verwirrte zurückführen, etwa Urin in Weihwasserkesseln. Auch die Flaggenaktion auf der Votivkirche sei kein Angriff gegen Christentum oder Kirche gewesen, der Schaden von 20.000 Euro „nicht mutwillig verursacht“. Bei rund 1.000 Kirchen in der Erzdiözese halte sich das Phänomen „in sehr engen Grenzen“.