Meloni gegen Justiz: Italien beharrt auf Migranten-Lager in Albanien
Trotz Gerichtsurteil verteidigt die italienische Regierung ihren Plan zur Auslagerung von Migranten. Meloni und Salvini mobilisieren gegen „politische Richter“, während die Opposition auf Einhaltung der Gesetze pocht.
Nach der Entscheidung des Gerichts in Rom am Freitag mussten zwölf Migranten aus einem Aufnahmelager in Albanien nach Italien zurückgebracht werden. Die Männer aus Ägypten und Bangladesch kamen am Samstagnachmittag im süditalienischen Bari an, wie es aus italienischen Regierungskreisen hieß. Zuvor waren sie von dem Aufnahmelager zum Hafen von Shëngjin und dort auf ein Schiff der italienischen Küstenwache gebracht worden.
Der Entscheidung der sechs Richter in Rom liegt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Anfang Oktober zugrunde. In diesem wird festgehalten, dass ein EU-Land einen Drittstaat im Asylrecht nur als sicheres Herkunftsland definieren kann, wenn die Bedingungen dafür im gesamten Hoheitsgebiet des Staates erfüllt sind. Der Beschluss des Gerichts in Rom stellt die Grundlage des gesamten Albanien-Plans, für den die Regierung Meloni über fünf Jahre mehr als 600 Millionen ausgeben will, ernsthaft in Frage.
Die italienische Regierung hält auch nach einem Gerichtsurteil in Rom an ihrem umstrittenen Plan zur Abfertigung von Migranten in Albanien fest. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat für Montag eine Kabinettssitzung angesetzt. Die Regierung müsse genauer darlegen, was mit sicheren Herkunftsländern gemeint sei, hieß es. Innenminister Matteo Piantedosi zeigte sich überzeugt, dass das Urteil gekippt werden könne. Notfalls werde man vor das Oberste Gericht ziehen.
Aus Regierungskreisen hieß es, das Kabinett wolle am Montag eine Liste sicherer Länder als Rechtsvorschrift festlegen und nicht mehr als Erlass des Außenministeriums, das die Liste jährlich in Absprache mit dem Innen- und dem Justizministerium aktualisiert. Am Freitag sagte Meloni, es sei Sache der Regierung zu definieren, was ein sicheres Land im Hinblick auf die Migration sei.
Migranten werden weiterhin nach Albanien gebracht
Das Gerichtsurteil hatte für Empörung bei führenden Kabinettsmitgliedern gesorgt. Vizepremier und Verkehrsminister Matteo Salvini rief am Samstag über seine Partei Lega zu einer Mobilisierung gegen “politisch voreingenommene Richter” auf. Justizminister Carlo Nordio erklärte, es sei notwendig einzugreifen, “wenn die Justiz ihre Befugnisse überschreitet”, und bezeichnete die Entscheidung des Gerichts als “abnormal”: “Es ist nicht Aufgabe der Justiz, zu bestimmen, ob ein Staat sicher ist oder nicht, es ist eine hochpolitische Entscheidung”, sagte Nordio.
Die Vorsitzende der oppositionellen Demokratischen Partei (PD), Elly Schlein, kritisierte die Regierung scharf. “Niemand steht über den europäischen, internationalen und italienischen Gesetzen, am wenigsten diejenigen, die regieren”, betonte Schlein.
Italien hat zwei Aufnahmezentren in Albanien errichtet, wo Asylanträge bearbeitet werden sollen. Sie wurden vergangene Woche eröffnet. Ein erstes Schiff mit Migranten erreichte am Mittwoch die Hafenstadt Shëngjin. Das Vorgehen beruhte auf der ersten Vereinbarung, bei der ein EU-Land Migranten in ein Nicht-EU-Land umleitet, um irreguläre Ankünfte zu verhindern.
Die Operationen zur Überführung von im Mittelmeer geretteten Migranten in neu eröffnete, von Italien betriebene Zentren in Albanien würden trotz des Gerichtsurteils regelmäßig fortgesetzt, verlautete am Samstag aus Regierungskreisen. Die nächste Ankunft eines italienischen Marineschiffs mit geretteten Migranten im Hafen von Shëngjin werde von den Wetterbedingungen in den kommenden Tagen abhängen, so die Quellen. (APA/red)
Kommentare