Messenger-Überwachung: Online-Medium will Sexleben von 105 Abgeordneten veröffentlichen
Mit einer ungewöhnlichen und umstrittenen Reaktion auf das neue Gesetz zur Messenger-Überwachung sorgt der „Fass ohne Boden“-Herausgeber für Aufsehen: Er kündigt an, persönliche Dossiers über alle 105 Abgeordneten zu veröffentlichen, die dafür gestimmt haben – inklusive intimer Informationen. Kritiker sehen darin eine gefährliche Grenzüberschreitung.
Der Nationalrat hat mit 105 Stimmen ein neues Gesetz beschlossen, das dem Verfassungsschutz unter bestimmten Voraussetzungen den Zugriff auf verschlüsselte Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Signal erlaubt – etwa bei Terrorverdacht, Spionage oder verfassungsgefährdender Aktivität. Die Maßnahme ist zunächst auf drei Monate befristet, mit Option auf Verlängerung, und unterliegt mehreren richterlichen Kontrollen.
Kritiker warnen jedoch vor einem weitreichenden Eingriff in die digitale Privatsphäre. Besonders laut ist der Protest auf der Plattform Fass ohne Boden. Deren Herausgeber, Alexander Surowiec, kündigte an, eine vollständige Liste aller zustimmenden Abgeordneten zu veröffentlichen – begleitet von umfangreichen persönlichen Dossiers. Er spricht dabei von einem „gläsernen Parlament“.
In einem Beitrag auf dem Online-Medium heißt es, veröffentlicht werden sollen Lebensläufe, Presseberichte, wirtschaftliche Verhältnisse, Eigentumsverhältnisse, Firmenbilanzen, Netzwerke, Vereinsmitgliedschaften, Familienangehörige – und auch „parteiinterne Affären“. Fotos von Kindern sollen nach eigenen Angaben unkenntlich gemacht werden. Alle drei Tage soll ein neues Dossier erscheinen.
Medienrechtlich und ethisch brisant
Die Reaktionen auf die Ankündigung sind geteilt. Das Boulevardmedium oe24 bezeichnete die Aktion zum Beispiel als „massiven Eingriff in die Privatsphäre“. Andere sprechen von einem gezielten Einschüchterungsversuch. Besonders der Hinweis auf Affären und familiäre Verhältnisse überschreite, so Beobachter, die Grenze zwischen legitimer Aufklärung und öffentlicher Bloßstellung.
Sollte es tatsächlich zu solchen Enthüllungen kommen – was derzeit nicht sicher ist –, würde ein journalistisches Mittel der Transparenz in ein Instrument zur Einschüchterung politischer Entscheidungsträger umgewandelt.
Transparenz oder Pranger?
Surowiec beruft sich auf das öffentliche Interesse: Wer für digitale Überwachung stimme, müsse auch selbst Transparenz aushalten.
Doch Medienrechtler warnen: Wenn Transparenz selektiv zur Waffe gemacht wird, droht die Grenze zur moralischen Erpressung zu verschwimmen. Welche Inhalte die angekündigten Dossiers tatsächlich enthalten werden, bleibt allerdings abzuwarten.
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