Migrationsexpertin Kohlenberger: Nicht Zuwanderung, sondern Angst ist das Problem
„Nicht Migration ist das Problem, sondern die Angst davor“, sagt Judith Kohlenberger. Die Soziologin kritisiert Europas Asylpolitik – und warnt vor einer „autoritären Wende“.
Die österreichische Soziologin warnt vor einer „autoritären Wende“ durch Abschottungspolitik.IMAGO/Anadolu Agency/ teutopress
Laut der österreichischen Soziologin Judith Kohlenberger ist nicht die Zuwanderung selbst das Problem, sondern die Angst vor Zuwanderung. Ein brisantes Statement, das derzeit für viel Diskussion sorgt.
In einem Interview mit dem Spiegel unter dem Titel „Die Gewalt an den Grenzen wird uns noch einholen“ kritisierte Kohlenberger die europäische Asylpolitik scharf. Ihre Haltung wird schnell deutlich: Begeistert ist sie nicht.
Nicht Migration ist ausgeufert, sondern die Kontrolle
Gleich zu Beginn äußert sich Kohlenberger mit deutlichen Worten: „Nicht die irreguläre Migration ist ausgeufert, sondern die Migrationskontrolle. Nicht die Zahl der Migranten ist der Grund für den Höhenflug der Rechtspopulisten, sondern in erster Linie die Angst vor und der falsche Umgang mit Migration.“
Zur Untermauerung ihrer These verweist die Expertin auf Ungarn: Dort gebe es kaum Flüchtlinge, und doch habe der Ministerpräsident Viktor Orbán durch die Angst vor Zuwanderung eine illiberale Demokratie etabliert, berichtete Die Presse. Für Kohlenberger ein klares Zeichen: „Für die von den Rechten betriebene Panikmache braucht es also gar keine Migranten – zumindest keine neu ankommenden.“
Auch in Österreich und Deutschland sei ein ähnliches Muster zu erkennen: Die Asylzahlen sinken, während die Zustimmung zu konservativen Parteien wie FPÖ und AfD neue Rekordwerte erreicht.
„Migrationspanik“ als Nährboden für autoritäres Denken
Judith Kohlenberger hat ihre Analyse in einem Buch zusammengefasst: „Migrationspanik. Wie Abschottungspolitik die autoritäre Wende befördert.“ Ihre zentrale Botschaft: Die negativen Folgen von Zuwanderung seien weitgehend eingebildet oder würden von Rechtspopulisten bewusst verstärkt.
Probleme wie Wohnungsnot oder Ärztemangel gebe es laut Kohlenberger auch ohne Flüchtlinge. Statt Grenzen dichtzumachen, müsse man gesellschaftliche Defizite beheben. „Die Migrationspolitik befördert die autoritäre Wende, die wir überall in der westlichen Welt beobachten können“, erklärt die Soziologin.
Kritik an Kohlenbergers Sichtweise
Kritiker werfen Kohlenberger vor, sie blende reale Sicherheitsprobleme und gesellschaftliche Spannungen aus. Ein Blick in die Kriminalstatistik oder konservative Medien hätte ihr womöglich zu einer breiteren Perspektive verholfen.
Natürlich sind Migranten nicht für alles verantwortlich, was in Europa schiefläuft – doch die Flüchtlingswellen der letzten Jahre haben zweifellos zu einem der größten gesellschaftlichen Umbrüche der jüngeren Geschichte geführt.
Konservative Parteien profitieren dabei nicht nur von Angst, sondern auch davon, dass sie als Einzige offen über Probleme der Zuwanderung sprechen.
Europa braucht deshalb klare Gespräche und faire Verhandlungen, darüber, wie viele Migranten jedes Land aufnehmen kann.
Kohlenberger nennt das „Migrationspanik“ – andere würden sagen: Demokratie.
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