Als Susanne Raab (ÖVP) im September 2022 Papst Franziskus im Vatikan besuchte, wollte sie eigentlich Österreichs Kampf gegen die Teuerung loben. Doch was die damalige Familienministerin dem vatikanischen „Außenminister“, Erzbischof Paul Gallagher, stolz präsentierte, entlarvte ein tiefes Missverständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge. Sie pries die damalige Gutschein- und Gießkannenpolitik der Bundesregierung in den höchsten Tönen: Österreich habe gemessen am BIP am meisten gegen die Inflation ausgegeben – pro Kopf sogar mehr als jedes andere Land außer Luxemburg.

Was sie nicht begriff: Die Regierung hatte damit inmitten einer Angebotskrise die Nachfrage weiter angeheizt – und so die Inflation erst recht verschärft.

Genau das kritisiert nun der Ökonom Franz Schellhorn in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Der Leiter der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria geht mit der heimischen Wirtschafts- und Budgetpolitik hart ins Gericht – und stellt ihr ein vernichtendes Zeugnis aus.

Die teuerste Inflation Europas

„Warum hatten wir immer eine um zwei Prozentpunkte höhere Inflation als alle anderen europäischen Länder?“, fragt Schellhorn. Seine Antwort: „Weil die Regierung eine Angebotskrise, nämlich die gestörten Lieferketten, mit einer Nachfragepolitik bekämpft hat. Sie hat 90 Prozent der Haushalte für bedürftig erklärt und allen Checks zugesteckt. Die Menschen haben dieses Geld ausgegeben und damit die Nachfrage hochgehalten. Die Regierung hat die Inflation zusätzlich befeuert.“

Höhere Steuern und Ausgaben: Sparpaket ist ein Belastungspaket

Besonders drastisch fällt Schellhorns Urteil über die Budgetpolitik aus: „Wir haben die zweithöchsten Staatseinnahmen in ganz Europa, machen damit aber das dritthöchste Defizit aller Euro-Länder.“ Das EU-Defizitverfahren sei daher „kein Beinbruch, aber eine Peinlichkeit.“

Trotz Rekordeinnahmen steigere der Staat weiter seine Ausgaben, und verkaufe der Politik sein Belastungspaket als Sparpaket: „Der Staat gibt auch dieses Jahr um 8 Milliarden Euro mehr aus als 2024. Weil das weniger ist als ursprünglich geplant, verkauft man es der Bevölkerung als knallhartes Sparpaket. In Wahrheit hat man ein Belastungspaket geliefert: Die Regierung erhöht Steuern und Abgaben, besonders Gebühren – etwa bei Maut oder Verwaltung. Und verkauft das dann auch noch als Ausgabensenkung.“

Wirtschaft im Sinkflug: Österreich steckt in der längsten Rezession seit 1945 – mit hausgemachten Ursachen.GETTYIMAGES/zpagistock

Südländisches Finanzgebaren

Österreich zähle traditionell zu den Staaten mit besonders unsolider Haushaltspolitik. „Österreich hat in den letzten fünfzig Jahren nur einmal einen Budgetüberschuss im Bundeshaushalt zustande gebracht. Dieses ,Missgeschick‘ ist 2019 passiert. Danach hat man schnell wieder dafür gesorgt, dass das nicht mehr vorkommt.“

Kurz: „Wir haben die Südländer belehrt, haben selber aber die südländischste Haushaltspolitik überhaupt gemacht.“

Stimmung bei Unternehmen auf Tiefpunkt

Die wirtschaftlichen Folgen dieser Politik seien dramatisch: „Die Stimmung in den Unternehmen ist so schlecht wie seit 30 Jahren nicht mehr. Mit den stark gestiegenen Lohnkosten preist sich die österreichische Industrie aus den Weltmärkten. Es wird nicht mehr investiert. Es wird abgebaut und ins Ausland verlagert. In zwei Jahren hat die heimische Industrie zehn Prozent an Wertschöpfung verloren. Ein bis dato einzigartiger Vorgang.“

Der Staat als Preistreiber

Nicht nur durch Überförderung habe der Staat die Inflation verschärft – sondern auch durch sein eigenes Verhalten: „Der Staat hat mittlerweile die Lohnführerschaft übernommen. Die Beamtenlöhne werden als erste verhandelt, das gibt das Tempo für die ganze Wirtschaft vor. Trotz den Budgetproblemen hat man den Beamten jüngst einen Zwei-Jahres-Abschluss mit viel zu starken Lohnerhöhungen gewährt. Dabei hätte der Staat mit einer Null-Lohn-Runde vorangehen müssen. In den letzten drei Jahren sind die Löhne im öffentlichen Dienst um 21 Prozent gestiegen – und das bei schrumpfender Wirtschaftsleistung.“

Arbeiten lohnt sich nicht mehr

Ein weiteres großes Problem sei das Steuersystem: „Wer mehr arbeitet, ist der Dumme, weil der Staat so viel an Steuern und Sozialabgaben abzweigt, dass es sich kaum lohnt.“ Das senke die Produktivität und schade langfristig dem ganzen Standort.

Ein Land im Stillstand

Das alles münde in eine kollektive Reformverweigerung. „Ja, die Politik ist reformunfähig. Österreich bettelt geradezu nach einer Troika. Wir sind nicht in der Lage, die Probleme im Land selbst zu lösen.“ Dann könne man Brüssel die Verantwortung umhängen.

Zwar seien viele Menschen bereit für Veränderungen – aber niemand in der Politik biete sie an. „In der Politik gibt es derzeit ein Marktversagen. Die Bevölkerung wäre eigentlich zu Veränderungen bereit. Aber keine Partei macht dieses Angebot.“

Was es brauche, sei „ein Politiker, der den Menschen erklärt, was sie ohnehin schon wissen, und sie überzeugen kann von einem Reformweg. Dieser wäre sicher zwei, drei Jahre lang nicht angenehm. Aber wir sind das den nachkommenden Generationen schuldig.“