Nach Kriegsdrohung: Wiens Bürgermeister Ludwig bei Türken-Präsident Erdogan
Der Zeitpunkt hätte kaum schlechter gewählt werden können: Just an jenem Tag, an dem Türken-Präsident Recep Tayyip Erdogan unverhohlen mit Krieg drohte, zeigt sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei einem Besuch in der Türkei. Er hätte sich mit Erdogan auch getroffen, um sich um Frieden in der Ukraine zu bemühen.
Nachdem Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sich in der Ukraine selbst ein Bild vom verheerenden Krieg machte, und nach Wolodymyr Selenskyj auch noch nach Russland reiste, um mit Wladimir Putin zu reisen, hagelte es Kritik an den Bemühungen des Bundeskanzlers. Auch, als der Kanzler sich mit Türken-Präsident Erdogan über Friedensbemühungen unterhielt, ließ die Opposition kaum ein gutes Haar an ihm. Nun versuchte sich offenbar der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig als Kanzler – und reiste selbst in die Türkei. Aber auch er muss dafür Kritik einstecken. Und das nicht zuletzt aus den eigenen roten Reihen.
"Provokation Griechenlands"
Besonders brisant ist das Timing der Öffentlichmachung des Besuchs. Ähnlich wie der russische Präsident Putin, der von einer Entmilitarisierung der Ukraine gesprochen hat, pocht Erdogan nun auf eine Entmilitarisierung der griechischen Ägäis-Inseln. Während der russische Präsident anfangs von einer „roten Linie“ gesprochen hat, die von der Ukraine überschritten worden sei, nennt der türkische Präsident „Provokationen Griechenlands“ als Auslöser für seine Drohgebärden – eXXpress berichtete.
Die türkischen Bemühungen für Frieden in der #Ukraine sind wichtig. Im Rahmen der Istanbuler Gespräche sollen Annäherungen am Verhandlungstisch erreicht werden. Darüber konnte ich mich auch mit Präsident @RTErdogan austauschen. /1 pic.twitter.com/ksEAFMHXmb
— Michael Ludwig (@BgmLudwig) June 10, 2022
"Wiens Bürgermeister - und Michael Ludwig"
“Der Wiener Bürgermeister und sein Statthalter Michael Ludwig”, kommentiert Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp das gemeinsame Bild von Ludwig und Erdogan auf Twitter. Aber Kritik kommt auch aus der eigenen Reihe. In einem offenen Brief machten “SPÖ-Mitglieder, Wähler und Unterstützer” ihrem Unmut Luft.
Offener Brief aus SPÖ-Kreisen
Es sei “kein guter Dienst für die Stadt Wien und seine Menschen”, heißt es in dem Brief an den Wiener SPÖ-Boss. Vor allem die Tatsache, dass man vom Besuch “nebenbei” aus Berichten erfahren musste, macht viele Wiener wütend. “Warum müssen wir als Wiener so etwas von dem türkischen Botschafter, der eigentlich kein üblicher Botschafter ist, sondern de facto die „voice and first lobbyist of Erdogan & AKP“, Herr Ozan Ceyhun auf so unprofessionelle Weise erfahren?”, heißt es da. Und weiter: “Weil sich die Türkei durch Erdogan und die AKP-Partei in einem unmenschlichen, demokratie- und rechtsstaatsfeindlichen Ein-Mann-Staat in der unglücklichsten Zeit befindet und jeder Besuch, besonders der eines sozialdemokratischen Politikers wie Ihnen, den wir in Wien gewählt haben, Erdogan und die AKP vor den Präsidentenwahlen in der Türkei 2023 nochmal in Wien und Österreich salonfähig machen wird und als Bestätigung der derzeitigen Handhabung der AKP von der SPÖ verstanden wird.”
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