
„Es widert mich an“: Nachfahre eines Widerstandskämpfers wehrt sich gegen Rechtsextremismus-Bericht
Das „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“ (DÖW) ordnet auch konservative und katholische Positionen sowie einzelne ÖVP-Politiker dem Rechtsextremismus zu. Erwähnt wird etwa Jan Ledóchowski von der „Plattform Christdemokratie“. Mehrere seiner Vorfahren kämpften im Widerstand gegen den Nationalsozialismus und wurden in Konzentrationslagern ermordet.

Der am Freitag veröffentlichte Rechtsextremismusbericht des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) sorgt für Kontroversen.
Das 196 Seiten starke Dokument soll einen Überblick über die rechtsextreme Szene in Österreich, ihre Akteure, Vereine und ihre nationale und internationale Vernetzung geben. Doch der Bericht geht weit darüber hinaus. Denn bei der Lektüre fällt auf, dass das DÖW offenbar auch katholische und konservative Positionen sowie einige ÖVP-Politiker dem rechtsextremen Milieu zuordnet, wie der exxpress berichtete.
Unter der Rubrik „Rechtskatholizismus“ wird etwa die ÖVP-Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler ins Visier genommen. Auch Jan Ledóchowski und Suha Dejmek werden hier genannt. Die beiden sind Präsident und Vizepräsidentin der „Plattform Christdemokratie“, die sich unter anderem für den Schutz und die Anliegen von Christen in der Politik einsetzt und vor kurzem die „Meldestelle für Christenfeindlichkeit“ ins Leben gerufen hat.
Beteiligter Politikwissenschaftler war in Grünalternativer Jugend tätig
Wörtlich heißt es in dem Rechtsextremismus-Bericht: „2020 warben auch Jan Ledóchowski, Präsident einer Plattform Christdemokratie, und die ‚evangelikale Aktivistin‘ Suha Dejmek-Kahlil bei den Wiener Wahlen um Vorzugsstimmen“. Im Anschluss wird aus einer Publikation des österreichischen Politikwissenschaftlers Thomas Schmidinger zitiert: „Eine heterogene Allianz fundamentalistischer ChristInnen aus dem katholischen und evangelikalen Bereich dürfte in Wien […] auf knapp 2.000 permanente UnterstützerInnen zählen können, die mittlerweile durch Vorzugsstimmenwahlkämpfe in der Lage sind, innerhalb der ÖVP Umreihungen zustande zu bringen und damit einzelne KandidatInnen der Szene in den Wiener Gemeinderat und in den Nationalrat zu bringen“.
Schmidinger war von 1994 bis 1996 Bundeskoordinator der Grünalternativen Jugend. Diese war bis zum Jahr 2011 die offizielle Jugendorganisation der Grünen. Danach war er in parteiunabhängigen linken Projekten aktiv. Wegen antirassistischer Tätigkeiten erhielt der Aktivist im Jahr 1999, als er nach dem Tod des nigerianischen Asylbewerbers Marcus Omofuma mit Flugblättern die Rede des damaligen Innenministers Karl Schlögl (SPÖ) im Parlament gestört hatte, ein Jahr Parlamentsverbot.
Jan Ledóchowski: „Es widert mich an“
Jan Ledóchowski von der „Plattform Christdemokratie“ hat mittlerweile auf den Bericht reagiert: „Im Rechtsextremismus Bericht des DÖW werden auf unerträgliche und unhistorische Art und Weise Begriffe wie rechtsextrem und (rechts)katholisch miteinander vermengt und ich werde namentlich als Vertreter dieses katholischen politischen Milieus genannt, gemeinsam mit meiner evangelikalen Mitstreiterin Suha Dejmek und natürlich Gudrun Kugler. Es widert mich an“.
Der Wiener hat mehrere Verwandte, die von den Nazis ermordet wurden oder dem Tod in Konzentrationslagern knapp entronnen sind. Er berichtet: „Der Vater meiner Großmutter wurde von den Nazis erschossen. Der Vater meines Großvaters war im KZ und wurde nicht zuletzt aufgrund des Einsatzes seiner halbjüischen Frau entlassen. Der Onkel meines Großvaters überlebte hingegen einen der Todesmärsche aus dem KZ Großrosen kurz vor Kriegsende nicht. Ein weiterer Onkel wurde während des Krieges verhaftet, aber überlebte und wurde nach dem Krieg Nationalratsabgeordneter“.
Der katholische Glaube war maßgebend für Nazi-Widerstand
Auf der Homepage des Gedenkportals gedenkort.at für österreichische Widerstandskämpfer, die gegen das Nazi-Regime aufstanden, findet sich ein „digitaler Stolperstein“ für Ignaz Ledóchowski. Der General und Familienvater starb im Jahr 1945 im KZ Dora-Mittelbau. 1944 wurde Ignaz Ledóchowski von der Gestapo verhaftet, weil er die polnische Untergrundarmee „Armia Krajowa“ unterstützte. Der im niederösterreichischen Loosdorf Geborene ist ein Ur-Großonkel von Jan Ledóchowski. Maßgeblich für seinen Widerstand gegen die Nationalsozialisten war der katholische Glaube.
In seinem Statement sagt Jan Ledóchowski über seinen eigenen Glauben und den Bericht des DÖW: „Wenn rechtskatholisch sein heißt, auf der Seite des Rechts zu stehen und immer gegen das Unrecht einzustehen, vor allem dann, wenn es anderen Menschen ihr Recht auf Leben abspricht, dann trage ich diese Bezeichnung mit Stolz“.
Es seien katholische Jugendliche gewesen, die nicht lange nach dem Anschluss Österreichs im Stephansdom und am Stephansplatz laut riefen: „Christus ist unser Führer”. Am Tag darauf sei das erzbischöfliche Palais von der Hitlerjugend (HJ) gestürmt worden. Ledóchowski erinnert auch an die „tieffrommen Geschwister Scholl und ihre Freunde“, die Flugblätter gegen das Naziregime verteilten.
Auch ÖVP-Politiker Wöginger und Mahrer kommen vor
In dem Rechtsextremismus-Bericht kommt an anderer Stelle auch der neue ÖVP-Klubobmann August Wöginger vor. Angeblich würdigte Martin Sellner 2021, dass Wöginger in einer Presseaussendung auf „den demokratiezerstörenden Nebeneffekt des Bevölkerungsaustauschs“ hingewiesen habe. Auch der Name des Wiener ÖVP-Obmannes Karl Mahrer scheint auf. In dessen Aussagen sollen die Identitären einige ihrer Argumente wiedererkannt haben.
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