Die Industriestrategie der Bundesregierung – eigentlich ein Leuchtturmprojekt – entwickelt sich zunehmend zum Ärgernis. Offiziell läuft alles normal. Inoffiziell dagegen wachsen Unmut, Verzögerungen und politischer Argwohn. Und im Zentrum der Kritik: die SPÖ, die auffällig oft Termine absagt und den Prozess bremst.

Vergangenen Donnerstag hätte ein entscheidendes Abschlusstreffen stattfinden sollen: Regierungsmitglieder, Sozialpartner, Industriellenvereinigung – alle am Tisch, um die Strategie final zu machen. Doch der Termin wurde kurzfristig gestrichen. Nur „irgendwann Anfang Dezember“ wolle man nachholen, heißt es von der Presse.
Normal wäre das kein Drama. Doch in diesem Fall wirkt es wie ein weiterer Baustein in einem Muster – und dieses Muster zeigt klar Richtung SPÖ.

Der Prozess lief gut – bis er plötzlich ins Stocken geriet

Anfangs ging es zügig voran: Sozialpartnerrunden, Sounding Boards, klare Inputs der Wirtschaft. Die Kernprobleme lagen offen: hohe Personal- und Energiekosten, überbordende Bürokratie. Nun war die Politik dran – konkret die Kabinette von ÖVP-Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, SPÖ-Infrastrukturminister Peter Hanke und Neos-Staatssekretär Sepp Schellhorn.
Doch genau dort begann das Ruckeln. Termine platzten – mehrfach. Und jedes Mal kam die Absage aus derselben Ecke.

In den vergangenen Wochen hagelte es Absagen, von SPÖ-Seite, wie Beteiligte berichten. Das führte zu massivem Frust bei ÖVP und Neos – so sehr, dass das Projekt zur Chefsache erklärt werden musste.
Auch Hattmannsdorfer selbst soll laut Beteiligten gegen Gummiwände gelaufen sein. Drei Wochen habe er auf eine Terminzusage von Minister Hanke warten müssen.
Die Linie zieht sich weiter: Ein Termin von Nationalratsabgeordneten zur Industriestrategie sei am Vorabend von der SPÖ kurzerhand abgesagt worden. Schließlich fand doch ein Treffen statt – jedoch stark verkürzt und mit Mitarbeitern statt Abgeordneten.

Eine fragwürdige Personalentscheidung Bablers

Was wirklich dahintersteckt? Offizielle Antworten gibt es keine. Man fürchtet, es könnte der Eindruck entstehen, in der Koalition würde gestritten.
Aus der SPÖ heißt es nur lapidar, über kaum ein Thema werde so viel geredet wie über die Industriestrategie – und dass Termine hin und wieder ausfielen, sei eben so.

Neue Dynamik kam zusätzlich durch eine Rochade im Parlament:
Der langjährige SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter wechselte in den Bundesrat. Parteichef Andreas Babler setzte – überraschend – den Gewerkschafter Reinhold Binder als Nachfolger ein.
Ein erfahrener Wirtschaftspolitiker wurde also durch einen Spitzengewerkschafter ersetzt – ein Signal, das parteiintern gut ankommt, aber Richtung Industrie wenig vertrauenerweckend wirkt.

Wofür steht die SPÖ wirtschaftspolitisch überhaupt?

Binder gilt als umgänglich, doch seine wirtschaftspolitische Position sei nicht ganz klar. Auch die der SPÖ insgesamt nicht.
Jedenfalls macht ein Beteiligter gegenüber der Presse deutlich: „Die Dringlichkeit von Maßnahmen ist der SPÖ offensichtlich nicht bewusst.“
In ÖVP-Kreisen herrscht zudem der Eindruck, die Sozialdemokraten wollten der Volkspartei beim Thema Industriestrategie keinen Erfolg gönnen. Die Ankündigung Hattmannsdorfers, wonach die Strategie erst Anfang 2026 präsentiert wird, soll diesen Reflex noch verstärkt haben.

Vor wenigen Tagen kamen die Verhandlungen zwar wieder in die Gänge, aber große Fortschritte blieben aus. Die SPÖ-Fachleute hätten nur minimales Verhandlungspouvoir.
Ein Grund dafür liegt offenbar im SPÖ-geführten Finanzministerium unter Markus Marterbauer, wo striktes Sparen angesagt ist.
Ergebnis: Einigkeit gibt es nur bei Allgemeinplätzen – Schlüsseltechnologien, Industriestandort, Fachkräfte.
Sobald es aber ums Geld geht – etwa Lohnnebenkostensenkung oder industrieller Strompreis nach deutschem Vorbild – herrscht Stillstand.