Er wollte kein „österreichisches Szenario“ – nun erlebt er ein deutsches Beben: CDU-Chef Friedrich Merz lehnt eine Koalition mit der AfD strikt ab und nennt Österreichs FPÖ als warnendes Beispiel. Regierungen mit den Freiheitlichen hätten deren Aufstieg nur verstärkt, behauptet er. Doch jetzt verliert die Union selbst dramatisch an Rückhalt – und wird in einer neuen Umfrage erstmals von der AfD überholt.

AfD erstmals vor der CDU/CSU – Union stürzt auf 24 Prozent

Laut einer aktuellen Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos erreicht die AfD 25 Prozent – ein Plus von drei Punkten und ein historischer Wert: Erstmals liegt die Partei damit bundesweit vor CDU und CSU, die auf 24 Prozent abrutschen. Das ist der niedrigste Wert der Union seit drei Jahren, ein Verlust von gleich fünf Punkten.

Koalitionsverhandlungen und Umfrage-Tief zur gleichen Zeit

Brisant: Der Umfragezeitraum fiel in die Endphase der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen, die CDU und SPD kurz darauf offiziell abschlossen. Das Umfrageergebnis wurde pünktlich zur Bekanntgabe des Pakts veröffentlicht – ein symbolischer Dämpfer für die frisch gebackene Koalition. Ob sich die Stimmungslage in den kommenden Wochen stabilisiert, bleibt offen.

„Nicht wie Österreich!“ – Merz rechtfertigt AfD-Ablehnung mit FPÖ

Friedrich Merz begründet seinen harten Kurs gegen die AfD regelmäßig mit den aus seiner Sicht negativen Erfahrungen Österreichs mit der FPÖ.

In einem ARD-Interview sagte er wörtlich über die AfD: „Wir arbeiten nicht mit einer Partei zusammen, die ausländerfeindlich ist, die antisemitisch ist, die Rechtsradikale in ihren Reihen, die Kriminelle in ihren Reihen hält – eine Partei, die mit Russland liebäugelt und aus der Nato und aus der Europäischen Union austreten will.“

Türkis-Blau war in den Umfragen die beliebteste Koalition der vergangenen Jahrzehnte in Österreich. Bild: Kurz und Strache.APA/ROBERT JAEGER

Was passiert, wenn man die Brandmauer nach rechts außen aufgebe, könne man in Österreich beobachten, meinte Merz weiter. Das Land sei der „Beweis dafür, dass man Rechtspopulisten nicht den Weg in die Macht ebnen darf“. Das Beispiel zeige, was geschieht, „wenn man meint, man müsse eine solche Gruppierung, eine solche Partei durch eine solche Regierungsbeteiligung domestizieren oder irgendwo zur Vernunft bringen“, sagte Merz. „Nein, wir bringen sie nicht zur Vernunft, die machen sie immer nur stärker.“

Juni 2000: Schüssel und Haider bildeten Europas erste Mitte-Rechts-Koalition.APA/GERT EGGENBERGER

Attacken gegen Wien – Merz gegen FPÖ-Koalitionen

Schon im Jänner, beim Weltwirtschaftsforum in Davos, ließ Merz kein gutes Haar an den damaligen Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ. Wie der Standard berichtete, nannte Merz die Verhandlungen ein „Desaster“ und warnte: Versuche, die FPÖ zu mäßigen, seien gescheitert. Merz wörtlich: „Sie haben versucht, die Rechten in die Mitte zu holen – und das Gegenteil ist passiert.“

Der Union-Chef machte damals klar: Keine Zusammenarbeit mit der AfD, stattdessen wolle er mit SPD oder Grünen regieren. Die Probleme, die Populisten stark machen, werde er „ohne sie“ lösen.

Hat Merz Blau-Schwarz verhindert?

Später sahen FPÖ-nahe Beobachter in Merz einen Mitverantwortlichen für das Scheitern der blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen in Österreich – der exxpress berichtete. Der CDU-Chef habe sich massiv eingemischt – auch innerhalb der Europäischen Volkspartei (EVP), der die ÖVP angehört. Merz bezeichnete die FPÖ mehrfach als „rechtsextrem“.

Das Misstrauen innerhalb der EVP war so groß, dass sogar ein alternativer Regierungspfad in Wien sondiert wurde – laut ServusTV sogar in direkter Abstimmung mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Polit-Berater Heimo Lepuschitz sprach von „massiver Einflussnahme“ aus dem Ausland.

Merz steht mit dem Rücken zur Wand

Ob Friedrich Merz mit seiner kompromisslosen Haltung Erfolg haben wird, wird sich zeigen. Der Start ist ihm auf jeden Fall missglückt. Merz‘ Wunsch, die AfD bis 2029 „aus dem Parlament zu bekommen“, scheint derzeit weiter entfernt denn je. Die aktuelle Entwicklung zeigt eines mit Sicherheit: Der Anti-AfD-Kurs allein überzeugt die Wähler nicht.

Die Ipsos-Zahlen im Überblick:

AfD: 25 % (+3)
CDU/CSU: 24 % (–5)
SPD: 15 % (±0)
Grüne: 11 % (–1)
Linke: 11 % (+2)
BSW: 5 % (±0)
FDP: 4 % (±0)
Sonstige: 5 % (+1)