Der Nord-Stream-Anschlag war die spektakulärste Sabotage seit Jahrzehnten – und jetzt gibt es eine neue dramatische Festnahme: In der Nacht auf Donnerstag schlugen die Carabinieri in Misano Adriatico (Rimini) zu. Für einen Ukrainer, der nach Einschätzung der Karlsruher Bundesanwaltschaft eine Schlüsselrolle gespielt haben soll, klickten die Handschellen – der exxpress berichtete.

Der Mann gehörte mutmaßlich zum Koordinationsteam hinter der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines. Sein Komplize ist weiter untergetaucht. Und mit der Spur in ein ukrainisches Kommando-Netzwerk wächst die geopolitische Brisanz von Tag zu Tag.

Koordinator, nicht Sprengmeister

Am Mittwochabend schlugen Carabinieri in Mailand zu: Der Ukrainer Serhij K. wurde aufgrund eines europäischen Haftbefehls gefasst. Die deutsche Bundesanwaltschaft erklärte, der Verdächtige sei einer der Männer gewesen, die im September 2022 auf einer Segeljacht zur Ostsee aufbrachen – jenem Boot, von dem aus der Sprengstoffanschlag auf die Nord-Stream-Pipelines vorbereitet wurde.

Laut Karlsruher Staatsanwaltschaft gilt Serhij K. als dringend verdächtig, die Operation organisatorisch koordiniert zu haben. Anders als die Taucher, die Sprengladungen am Meeresgrund platziert haben sollen, war er offenbar „Kopf im Hintergrund“ – verantwortlich für Logistik, Absprachen und die Abläufe.

Der Vorwurf ist schwerwiegend: gemeinschaftliche Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, verfassungsfeindliche Sabotage und Zerstörung von Bauwerken. K. soll nun an Deutschland überstellt werden und vor dem Bundesgerichtshof erscheinen.

Die mysteriöse „Andromeda“-Mission

Die Jacht, von der aus die Operation ablief, wurde im September 2022 mit gefälschten Pässen in Rostock angemietet. Von dort aus fuhren die Saboteure Richtung Bornholm, wo am Meeresgrund die Sprengsätze angebracht wurden. Explosionswellen erschütterten die Ostsee – vier Lecks zerstörten endgültig die Pipelines, durch die Russland Gas nach Deutschland liefern wollte.

Zweiter gesuchter Ukrainer weiter auf der Flucht

Bereits 2024 war ein weiterer Ukrainer, Wolodymyr Z., per Haftbefehl gesucht worden. Ihm wird vorgeworfen, direkt an den Tauchgängen beteiligt gewesen zu sein. Doch der Verdächtige entkam: Laut Medienberichten soll er in Polen vorgewarnt worden sein – und floh dann spektakulär in einem Auto mit Diplomatenkennzeichen über die Grenze in die Ukraine

Wer steckt wirklich dahinter?

Zunächst galten die Sabotageakteurs Moskau und sein Geheimdienst als Hauptverdächtige. Doch selbst nach einem halben Jahr fanden westliche Geheimdienste und Ermittler keine Hinweise auf eine russische Urheberschaft. Jetzt verdichten sich die Hinweise, dass ukrainische Netzwerke verantwortlich sind – möglicherweise mit Wissen einzelner staatlicher Stellen, möglicherweise auch in Eigenregie.

Französische Medien erinnern daran, dass bereits 2023 Geheimdienste in Paris keinen eindeutigen Beweis gegen Russland sahen. Die BBC und New York Times betonen nun, dass die „ukrainische Spur“ mittlerweile die dominierende Theorie sei. Das Wall Street Journal hebt den ökonomischen Effekt hervor: Die Explosionen machten Europa praktisch über Nacht abhängiger von amerikanischem Flüssiggas.

Geopolitische tickende Zeitbombe

Für Berlin und Washington ist das politisch höchst unangenehm: Offiziell werden die engen Beziehungen zu Kiew stets betont – doch wenn sich bestätigt, dass Ukrainer hinter dem größten Sabotageakt in Europa seit Jahrzehnten standen, könnte das Vertrauen schwer erschüttert werden. Moskau wiederum sieht sich „bestätigt“ und nutzt die Festnahme für laute Propaganda.