Nur 22 % der Österreicher würden ihr Land verteidigen
Im express-Interview betont Verteidigungsministerin Klaudia Tanner: Österreich habe sich lange zu sicher gefühlt. Nun brauche es mehr Bewusstsein in der Bevölkerung, Investitionen ins Bundesheer und eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Verteidigungsbereitschaft.
Nur rund jeder fünfte Österreicher ist laut Befragungen bereit, im Ernstfall mit der Waffe das eigene Land zu verteidigen. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner spricht im exxpress-Interview über mangelndes Bewusstsein, milliardenschwere Investitionen ins Bundesheer – und die Bedrohung durch Drohnen und Cyberangriffe.
„Neutralität allein schützt nicht“
Die Ministerin machte gleich zu Beginn deutlich, dass Österreich seine Neutralität nicht als Schutzschild missverstehen dürfe. Die jüngsten Drohnenangriffe Russlands auf Polen hätten gezeigt, wie schnell sich ein Konflikt auch auf Nachbarstaaten ausweiten könne. „Eine fehlgeleitete Drohne kennt keine Neutralität“, sagte Tanner. Deshalb brauche es dringend Investitionen in die Luftverteidigung. Bis 2032 sollen mehr als 16 Milliarden Euro in neue Systeme, in die Modernisierung der Kasernen, Infrastruktur, neu Fluggeräte und vor allem in die Ausrüstung der Soldaten fließen.
Nur 22 Prozent wollen kämpfen
Die Bereitschaft, Österreich mit der Waffe zu verteidigen, liegt seit Jahren bei nur rund 22 Prozent. „Der Wille ist in etwa immer gleichbleibend und eher niedrig”, sagte Tanner im Interview. Im Vergleich zu Staaten wie Finnland oder Polen sei die Bedrohung hierzulande weniger unmittelbar spürbar. Deshalb setzt das Bundesheer auf Aufklärung in Schulen, mehr als 600 Informationsoffiziere sind im Einsatz, und die geistige Landesverteidigung ist wieder Teil der Lehrpläne. Dennoch: „(..) das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns zu widmen haben angesichts der absolut veränderten sicherheitspolitischen Lage.”
Drohnen, Sky Shield und die Kostenfrage
Österreich beschafft derzeit 300 Drohnen, die vor allem für Aufklärung eingesetzt werden sollen, und investiert mit dem Skyranger in Systeme zur Abwehr feindlicher Flugkörper. Gleichzeitig setzt die Republik auf Kooperationen im Rahmen des europäischen Projekts Sky Shield. Kritik, dass dieses Programm nicht mit der Neutralität vereinbar sei, weist Tanner zurück. Auch die neutrale Schweiz sei Teil dieser Initiative. Zudem gehe es darum, gemeinsam günstiger und effizienter zu beschaffen, ohne die nationale Entscheidungsfreiheit aufzugeben. „Es wäre unverantwortlich, wenn wir nicht dafür sorgen, dass unser Luftraum geschützt ist“, unterstrich die Ministerin.
Cyberabwehr und Kampf gegen Desinformation
Neben klassischen militärischen Bedrohungen sieht Tanner eine neue Gefahr in der digitalen Welt. „Ich finde, aus Mediensicht, bei manchen Konflikten kann man gar nicht mehr ausmachen, was ist der Propaganda, was ist tatsächliche Information, was ist wahr, was ist falsch. Also diese Grenzen verschwimmen ja auch immer mehr und auch die Information darüber wird immer schwieriger einfach festzustellen, von welcher Seite kommt jetzt was“, erklärte die Ministerin.
Daraus folge, dass nicht nur Technik, sondern auch Bildung wichtig sei. In Schulen müsse vermittelt werden, „Was ist eine Desinformationskampagne? Was sind Fake News? Wem kann ich auch glauben? Und was kann ich auch glauben?“.
Das Bundesheer setzt parallel auf konkrete Maßnahmen. Es gibt eigene Cyber-Grundwehrdiener, die mit Vorwissen ins Heer kommen und langfristig gebunden werden sollen. Zusätzlich wurde an der Militärakademie in Wiener Neustadt ein eigener Lehrgang für Cyber-Offiziere eingeführt. Die ersten Absolventen sollen bereits im Herbst beim „Tag der Leutnante“ ins Bundesheer übernommen werden.
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