Nur 75,3 % für Nehammer als ÖVP-Chef? Kanzler legt die Latte tief
“Alles, was besser als Rendi-Wagners Parteitags-Ergebnis ist, wäre ein Erfolg”, steckt sich Karl Nehammer für den morgigen Bundesparteitag der ÖVP in Graz bewusst niedrige Ziele. Der Kanzler muss die Partei einen – auch wenn er nur 75,3 % Zustimmung wie die SPÖ-Chefin bekommen würde.
Ministerinnen-Rücktritte, ein ÖVP-Landeshauptmann seit zwei Wochen unter Dauerbeschuss, mächtige Kritiker in der eigenen Partei und vier gewaltige Krisen: Der Kanzler kommt nicht wirklich ausgeruht zum morgigen Bundesparteitag der ÖVP nach Graz. Zwischen Krisensitzungen über Inflations-Explosion, die wackelnde Gas-Versorgung, den Ukraine-Krieg und gefährliche Lieferketten-Ausfälle soll Karl Nehammer (49) noch ein tolles – oder zumindest gutes – Ergebnis bei der Wahl zum Bundesparteiobmann der ÖVP abliefern.
Wobei “gut” auch relativ betrachtet werden wird: Sein Amtsvorgänger als ÖVP-Chef, Sebastian Kurz, schaffte am Bundesparteitag im August des Vorjahres in St. Pölten trotz zweier bereits laufender Ermittlungsverfahren gegen ihn 99,4 Zustimmung – in der jetzt nicht mehr “neuen ÖVP”, sondern wieder nur “ÖVP” rechnet kaum jemand damit, dass dies auch Nehammer unter den aktuellen Bedingungen schaffen könnte.
ÖVP hofft auf demonstrative Einigkeit
Auch Nehammer weiß das: Launig setzt er deshalb das Ziel nicht allzu hoch an – er will nur etwas besser sein als seine politische Mitbewerberin Pamela Rendi-Wagner, meinte der Kanzler kürzlich. Die SPÖ-Bundesparteivorsitzende kam im Juni 2021 bekanntlich auf nur 75 % Zustimmung und wurde somit von einem Viertel der SPÖ-Delegierten abgelehnt.
Trotz betrunkener Personenschützer und unangenehmer Dauer-Berieselung der Österreicher mit Vorwürfen aus dem laufenden Untersuchungsausschuss könnte es für den Nachfolger von Kurz und Schallenberg wesentlich besser laufen: Bei offiziellen Anlässen war die ÖVP immer besser als die SPÖ, die politische Abrechnungen und Hinrichtungen auch gerne vor großem Publikum zelebriert.
Kein Gegenkandidat
Die Chancen stehen jedenfalls gar nicht so schlecht für den Kanzler, bekommen die ÖVP-Funktionäre nach seiner Rede doch jeweils einen Stimmzettel, auf dem nur ein Name steht: Karl Nehammer.
Auch Sebastian Kurz darf dem Bundeskanzler nun doch nicht mit einer vielleicht sensationellen Abschiedsrede die Show stehlen: Der Ex-Ex-Kanzler darf in einem Interview Fragen beantworten – mehr nicht.
Stehende Ovationen sind dem neuen ÖVP-Chef Nehammer bei jedem Ergebnis absolut sicher: Das wird alleine schon dadurch garantiert, indem die “klassische Kinobestuhlung” im Saal eigens für die Ergebnisverkündung durch Stehtische ausgetauscht wird.
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