Russland braucht Nachschub – nicht nur an Soldaten und Munition, sondern vor allem an Artillerierohren. Diese verschleißen im Krieg rasch: Nach tausenden Schüssen ist ein Haubitzenrohr unbrauchbar. Der Austausch – das sogenannte „Rebarreling“ – ist überlebenswichtig für Putins Kriegsmaschinerie.

Doch genau hier liegt Moskaus Schwäche: Die dafür nötige Hochtechnologie kann Russland nicht selbst herstellen – sie stammt aus dem Westen. Im Zentrum steht nun eine Spezialmaschine der österreichischen Firma GFM. Sie gilt als unersetzlich.

Militärparade in Moskau: Die Show täuscht – Russlands Artillerie leidet unter chronischem Nachschubmangel.GETTYIMAGES/Vladimir Trefilov/Host Photo Agency

Via Spanien in Putins Waffenfabrik

Wie kam diese österreichische Maschine nach Russland – trotz Sanktionen? Das Investigativportal The Insider fand heraus: Eine spanische Firma namens Forward Technical Trade SL mit Sitz in Barcelona hat eine gebrauchte CNC-Schmiedemaschine aus dem Jahr 1983 geliefert – hergestellt von GFM aus Österreich. Empfänger: Die AZK Group im russischen Ischewsk, ein Unternehmen, das während des Ukraine-Kriegs sprunghaft wuchs.

Die Lieferung erfolgte über Umwege: Absender war angeblich eine Firma in Hongkong, die Zollabwicklung übernahm das Amt in Nischni Nowgorod. Die Spur führt ins Dickicht internationaler Verschleierung – doch der Maschinenwert von 1,3 Millionen Dollar und das Gewicht von 110 Tonnen sind kaum zu übersehen.

Ukrainischer Artillerist an der Front:APA/AFP/24th Mechanized Brigade of Ukrainian Armed Forces/Handout

GFM: „Kein Kontakt zu den Beteiligten“

Der österreichische Hersteller GFM betont gegenüber The Insider, keine Geschäftsbeziehung zu Forward Technical Trade SL oder zu der Hongkonger Tarnfirma zu haben. Der Export erfolgte offenbar ohne Wissen des eigentlichen Produzenten – ein weiterer Hinweis auf gezielte Umgehung der EU-Sanktionen.

Russische Artillerie völlig abhängig

Laut internationalen Experten ist Russland bei der Herstellung von Haubitzenrohren zu 100 Prozent auf GFM-Technologie angewiesen. Schon seit den 1970er-Jahren nutzte die Sowjetunion Maschinen dieses Typs. Neuere russische Eigenentwicklungen blieben aus – trotz vollmundiger Ankündigungen.

Ein Bericht des britischen Royal United Services Institute (RUSI) bestätigt: Ohne die österreichischen Radialschmiedemaschinen könnte Russland seine Artillerie nicht aufrechterhalten. Es droht ein Rohr-Kollaps – besonders angesichts der hohen Abnutzung im Ukraine-Krieg.

Feuerstoß einer ukrainischen Selbstfahrlafette: Ohne funktionierende Rohre ist jede Haubitze nutzlos APA/AFP/Anatolii STEPANOV

Rohre ausgegangen – Notlösungen mit Nordkorea-Kalibern

Die Folgen spürt das russische Militär längst: Laut OSINT-Analysten greift Russland auf Sowjet-Altbestände zurück, verbaut exotische nordkoreanische Kaliber (etwa 107 mm) oder bastelt aus Schiffs- und Flugzeuggeschützen improvisierte Bodenwaffen. Ein Zeichen akuter Not.

Spanien: Ermittlungen möglich – EU schweigt

Die spanische Handelsbehörde teilte auf Anfrage mit, dass mögliche Verstöße gegen Exportregeln der Nationalen Strafkammer gemeldet werden müssen. Ob das bereits geschieht, ist unklar. Die EU-Kommission wiederum reagierte auf Anfragen von The Insider überhaupt nicht.

Im Dauerkrieg zählen jedes Rohr und jede Granate.GETTYIMAGES/Ukrinform/NurPhoto

Österreich-Maschine hält Putins Kanonen am Leben

Die Enthüllung zeigt, wie anfällig das europäische Sanktionsregime ist – und wie entscheidend österreichische Spitzentechnologie noch immer für Russlands Kriegsführung ist. Eine einzige Maschine kann in Moskau den Unterschied machen – zwischen Feuerkraft und Rohr-Kollaps.