
Ohne USA? Europa fehlen 300.000 Soldaten und 240 Milliarden Euro – im Jahr
Was, wenn die USA aus der NATO aussteigen? Eine Analyse zeigt: Europa wäre ohne US-Unterstützung kaum verteidigungsfähig. Russland hat massiv aufgerüstet und ist Europa nun konventionell überlegen. Die nötigen Kosten wären für Europa aber geringer als die Ausgaben zur Bewältigung der Covid-Pandemie.

Tesla-Chef Elon Musk und republikanische Politiker fordern den Rückzug der USA von der NATO – mit unabsehbaren geopolitischen Folgen: Europa fehlt eine alternative Sicherheitsarchitektur – der exxpress berichtete.
Die Verteidigung Europas ohne die Vereinigten Staaten wäre eine gigantische Herausforderung. Das belegt eine aktuelle Analyse des Brüsseler Forschungsinstituts Bruegel und des Kiel Instituts für Weltwirtschaft. Sie zeigt: Europa benötigt mindestens 300.000 zusätzliche Soldaten und eine jährliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben um 250 Milliarden Euro. Andernfalls wäre es nicht ausreichend gegen eine potenzielle russische Bedrohung gewappnet.
50 neue Brigaden, 1.400 Panzer und 2.000 Schützenpanzer nötig
Um die USA als Schutzmacht zu ersetzen, müssten die europäischen Staaten ihre Streitkräfte massiv aufstocken. Nach der Analyse wäre die Aufstellung von 50 neuen Brigaden mit 300.000 Soldaten erforderlich. Diese Einheiten würden 1.400 Kampfpanzer, 2.000 Schützenpanzer sowie 2.000 Langstreckendrohnen benötigen – weit mehr, als derzeit in den Armeen Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Großbritanniens zusammen vorhanden ist.
50 neue Brigaden, 1.400 Panzer und 2.000 Schützenpanzer nötig
Die viel versprochene Wende bei den eigenen militärischen Fähigkeiten, die Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach der Ukraine-Invasion angekündigt hat, ist offensichtlich ausgeblieben. Russland hat nämlich seine Kapazitäten in weit höherem Ausmaß vergrößern und ist nun Europa erstmals konventionell überlegen.

Russland hat seine militärische Produktion wiederum stark gesteigert. Im Jahr 2024 produzierte Moskau 1.550 neue Panzer, 5.700 gepanzerte Fahrzeuge und setzte 1.800 Langstreckendrohnen ein – eine massive Steigerung gegenüber 2022. Zudem stieg die Zahl der russischen Soldaten in der Ukraine bis Ende 2024 auf 700.000 .
Laut der Analyse könnte Russland innerhalb von drei bis zehn Jahren über ausreichend militärische Stärke verfügen, um einen Angriff auf die EU zu wagen. Besonders besorgniserregend ist, dass europäische Staaten bislang nicht über die notwendigen Strukturen für eine schnelle und koordinierte Verteidigung verfügen.
Zersplitterung statt Einheit in Europa
Ein zentrales Hindernis für eine schlagkräftige europäische Verteidigung ist die mangelnde Koordination zwischen den 28 nationalen Streitkräften. Während die US-Armee ihre Einheiten zentral steuert, operieren die europäischen Armeen getrennt voneinander. Laut der Studie würde diese Fragmentierung die Effizienz erheblich reduzieren und die Kosten in die Höhe treiben. Eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie wäre entscheidend, um effektiv auf Bedrohungen zu reagieren.
Zersplitterung statt Einheit in Europa
Eine Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben auf 3,5 bis 4 Prozent des BIP wäre nötig, um die Sicherheitslücke zu schließen. Für Deutschland würde dies bedeuten, seine Militärausgaben von derzeit 80 Milliarden Euro auf bis zu 140 Milliarden Euro anzuheben. Die Studie schlägt vor, dass die EU die Hälfte der zusätzlichen Kosten über gemeinsame Schulden finanziert, während die Mitgliedsstaaten den Rest aus ihren nationalen Budgets tragen.
Um sich von den USA zu emanzipieren müsste Europa demnach seine Verteidigungsausgaben massiv steigern, was allerdings, wie die Autoren betonen, kein Ding der Unmöglichkeit ist. Immerhin waren die Ausgaben zur Bewältigung der Corona-Krise höher. Allerdings braucht es dafür politischen Willen und Zeit – und die ist knapp, denn laut der Studie bleiben noch drei Jahre, um ausreichend vor einem potenziellen Angriff Russlands geschützt zu sein.
Prof. Guntram Wolff, Mitautor der Analyse und Senior-Fellow am Kiel Institut für Weltwirtschaft, unterstreicht: „Auch wenn die Größenordnungen zunächst erheblich sind: Ökonomisch ist das relativ zur Wirtschaftskraft der EU überschaubar, die zusätzlichen Kosten liegen nur bei circa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU. Das ist weit weniger, als etwa zur Krisenbewältigung während der Covid-Pandemie mobilisiert werden musste.“
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