
ORF kassiert 800 Millionen, Private nur 30: Blogger klagt gegen Zwangsbeitrag!
Während der ORF mit über 800 Millionen Euro gefüttert wird, bekommen alle Privatsender zusammen nur 30 Millionen. Für den Blogger Lucas Ammann und Anwalt Gerold Beneder ist das ein Fall für die Gerichte: Das neue ORF-Gesetz sei ein Angriff auf Medienvielfalt, Rechtsstaat und Gerechtigkeit.

Lucas Ammann ist Jus-Student, Blogger und noch junger Journalist. Seine Sorge: Österreichs Medienvielfalt. Deshalb hat er eine Beschwerde gegen den ORF-Beitrag beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. „Ich beschäftige mich schon länger mit Medienpolitik“, berichtet er auf exxpressTV. Der Grund für seinen juristischen Vorstoß: „Ich möchte mir in 10, 20 Jahren meinen Arbeitgeber selbst auswählen können. Das geht nicht, wenn ein Sender alles absaugt und die anderen ersticken. Die Pressefreiheit der Österreicher muss gewahrt bleiben, doch die wird ihnen gerade weggenommen, indem man private Marktteilnehmer drangsaliert.“
Die Schieflage ist eklatant, wie Ammann vorrechnet: Der ORF bekommt jährlich 710 Millionen Euro aus Zwangsbeiträgen, hinzu kommen 105 Millionen Euro Steuervorteile – und rund 200 Millionen Euro Werbeeinnahmen. Zusammen ergibt das mehr als eine Milliarde Euro für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Private Sender dagegen erhalten in Summe lediglich 30 Millionen Euro Förderung im Jahr. „Der stärkste Mitbewerber – ServusTV – bekommt zwei Millionen Euro aus dem Privatrundfunkfonds. Das sind 0,2 Prozent“, kritisiert Ammann.
Rechtsanwalt Beneder: „Verletzung grundlegender Prinzipien“
Der Wiener Anwalt Gerold Beneder begleitet Ammann rechtlich – und vertritt zudem zahlreiche weitere Mandanten, die ebenfalls Beschwerden gegen die ORF-Haushaltsabgabe eingereicht haben. Zurzeit, sagt er, werde ihm regelrecht die Tür eingerannt. Beneder erhebt auf exxpressTV schwere Vorwürfe gegen das ORF-Beitragsgesetz 2024: „Was hier passiert, verletzt grundlegende Prinzipien unseres Rechtsstaats.“ Das gelte etwa für den Gleichheitsgrundsatz: „Ein Haushalt mit zehn Gutverdienern zahlt genauso viel wie eine Mindestpensionistin. Und auch wer gar keinen Fernseher besitzt, muss zahlen.“
Ein zentraler juristischer Knackpunkt: Im Gesetz ist kein konkreter Beitrag festgelegt – sondern lediglich ein „Höchstbetrag“ von 15,30 Euro pro Monat, den aber jeder zahlen muss. Beneder: „Das ist, wie wenn bei Schnellfahren steht: Maximal 5.000 Euro – und die Polizei kassiert automatisch immer 5.000.“ Für ihn ein klarer Verstoß gegen das Legalitätsprinzip.

Chaos beim OBS: Rückstandsausweise an Tote
Besonders empört zeigt sich Beneder über die Umsetzung durch die ORF-Beitrags Service GmbH (OBS), jene Gesellschaft, die den ORF-Beitrag einhebt. Sie verschicke Mahnungen und sogar Exekutionstitel – oft ohne rechtliche Grundlage. „Wir haben Klienten, die trotz offener Beschwerden Rückstandsausweise bekommen haben – ein klarer Gesetzesbruch“, klagt Anwalt Beneder.
Lucas Ammann berichtet: „Ich bekomme Zuschriften von Lesern – da ist bei der OBS ein Tohuwabohu sondergleichen.“ Noch schlimmer: Selbst Verstorbene (!) sollen zahlen. „Wenn das keine Schlamperei ist, dann ist es System“, meint Ammann.

Kritik am ORF selbst: Objektivität? Fehlanzeige.
Auch das öffentlich-rechtlichen Selbstverständnis des ORF hält Beneder für höchst problematisch: „Gemäß dem Gesetz ist der ORF verpflichtet, objektiv zu berichten, die Meinungsvielfalt zu fördern und seine Aufgabe als vierte Gewalt im Staat wahrzunehmen – Kontrolle der drei anderen Staatsgewalten. Damit wird die ORF-Haushaltsabgabe begründet. Und da stellen sich viele Mandanten die Frage: Berichtet der ORF objektiv? Fördert er die Meinungsvielfalt? Überwacht er die drei Staatsgewalten?“
Ammann verweist auf die Corona-Berichterstattung und politische Einflussnahme über den parteipolitisch besetzten ORF-Stiftungsrat: „Derzeit Roland Weißmann – total unabhängig, Klammer auf, ÖVP, Klammer zu“, meint Ammann sarkastisch.
Wettbewerbsbeschwerde bei der EU
Neben den Verfahren vor österreichischen Höchstgerichten wurde auch eine Wettbewerbsbeschwerde bei der EU-Kommission eingebracht – vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und vom Verband Österreichischer Privatsender (VÖP). Der Vorwurf: Die ORF-Finanzierung ist eine nicht genehmigte staatliche Beihilfe, die gegen Artikel 107 AEUV verstößt. Sie hätte zuerst bei der EU-Kommission genehmigt werden müssen.
Ammann erklärt: „Wie soll ein privates Medium mithalten, wenn der ORF das zehnfache Budget hat – und auch noch online unreguliert alles publiziert?“
Ein weiteres massives Konkurrenzproblem für private Medien sei die sogenannte „blaue Seite“, also die vom ORF betriebene Website, betont Ammann: Hier liege „höchstwahrscheinlich eine unzulässige Querfinanzierung mit Unsummen an Gebühren-Geldern“ vor – obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk online laut Gesetz nur eine „Überblicksberichterstattung“ leisten dürfe.
Forderungen an Gesetzgeber und ORF
Ammann und Beneder fordern tiefgreifende Reformen:
Paywall statt Zwangsbeitrag: Wer ORF-Angebote nutzt, soll zahlen – wer nicht, bleibt verschont.
Stärkere Werbebeschränkungen für den ORF, wie in Deutschland oder der Schweiz.
Entpolitisierung der Gremien: Der ORF-Stiftungsrat soll nicht länger parteipolitisch dominiert sein.
Reduktion auf Kernaufgaben: Kein Massen-Onlineangebot, keine Sitcoms, sondern Fokus auf Information, Kontrolle und Pluralismus.
Wie geht es weiter?
Beneder hat vier Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof, zwei Revisionen beim Verwaltungsgerichtshof und eine Amtshaftungsklage gegen die Republik eingebracht – mit ersten Erfolgen. Eine Entscheidung des VfGH wird im Sommer erwartet.
Was als neue Gebührenregelung begann, hat sich zu einer verfassungsrechtlichen und medienpolitischen Grundsatzdebatte entwickelt. Für Ammann und Beneder ist klar: Die Medienvielfalt steht auf dem Spiel. „Ich glaube, wir haben eine sich sehr stark verändernde Medienwelt. Der Öffentlich-Rechtliche hatte in der Vergangenheit seine Verdienste. Die Frage ist, ob das heute noch so sein muss“, unterstreicht Lucas Ammann.
Entscheiden werden am Ende die Gerichte.
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