„Pfusch bleibt Pfusch!“ – Jurist zerlegt Waffenrechts-Pläne der Regierung
Die Regierung will das Waffenrecht verschärfen – mit strengeren Tests und befristeten Besitzkarten. Doch ein Jurist zerreißt die Pläne: Das Gesetz sei überholt und durch zahlreiche Novellen unnötig kompliziert. Österreich brauche ein völlig neues, klares und praxistaugliches Waffenrecht statt Flickwerk.
Praxisübungen am Schießstand: Ohne Waffenführerschein keine Waffenbesitzkarte.APA/TOBIAS STEINMAURER
Die Regierung will Österreichs Waffengesetz umfassend novellieren. Geplant sind strengere Altersgrenzen, verbindlichere psychologische Tests, mehr Datenaustausch zwischen Behörden, Abkühlphasen vor Käufen und eine Befristung von Waffenbesitzkarten. Doch ein Jurist und Waffenbesitzer, der anonym bleiben möchte, warnt: Österreichs Gesetz sei in Wahrheit überholt und durch zahlreiche Novellen unnötig kompliziert. Darin stecken Widersprüche, die keinen Sinn ergeben. Die Politik müsste es komplett neu aufsetzen.
Gegenüber dem exxpress unterstreicht der Waffen-Experte: „Es ist eine partielle Reform und damit bleibt das Gesetz ein Fleckerlteppich. Wir bräuchten ein bündiges System.“ Sein drastischer Vergleich: „Wenn man einen Pfusch saniert, bleibt er noch immer ein Pfusch. Man müsste das Gesetz an sich neu aufsetzen.“
Ein Gesetz aus der Zeit gefallen
Nach Ansicht des Juristen hinkt der Gesetzgeber den Entwicklungen am Waffenmarkt hinterher. „Das Angebot an Waffen ist rasant gewachsen und hat sich massiv geändert. Der Gesetzgeber hält damit nicht mit. Die vier Waffen-Kategorien etwa sind zu überdenken, und inwiefern sie noch sinnvoll sind“, erklärt er.
Modulare Systeme, bestellbares Zubehör und technische Kleinteile passen oft nicht ins alte Schema. Das schafft Unsicherheit für Besitzer – und bürokratische Hürden für Behörden.
Kleine Teile, große Wirkung
Ein Beispiel sind Schaft-Systeme: „Man kann ein Klappschaft im Internet erwerben, und besitzt anschließend eine verbotene Waffe.“ Denn Länge und Bauart entscheiden, ob eine Waffe erlaubt oder verboten ist. Eine kleine technische Änderung kann legale Besitzer plötzlich in die Illegalität drängen. Ein kürzerer, klappbarer oder einschiebbarer Schaft kann dazu führen, dass eine zuvor legale Waffe in die verbotene Kategorie A fällt.
Ähnlich widersprüchlich ist die Lage bei Zubehör: „Wer ein Magazin erwirbt, muss es eintragen, einen Schalldämpfer hingegen nicht.“ Während Schalldämpfer mit Seriennummern dokumentiert sind, tragen Magazine oft gar keine – und lassen sich nicht eindeutig zuordnen. Dennoch müssen große Magazine gemeldet oder bewilligt werden, während Schalldämpfer teils nur über Händlerbücher nachverfolgbar sind. Für den Juristen ein „skurriler“ Missstand.
Pumpgun-Verbot als Symbolpolitik?
Der Jurist sieht im Pumpgun-Verbot ein Lehrstück für Anlassgesetzgebung: „Das ist ein besonders sinnwidriges Beispiel. Eine halbautomatische Schrotflinte ist meiner Meinung nach gefährlicher wegen des Ladevorgangs.“ Pumpguns erfordern einen manuellen Nachladevorgang, halbautomatische Flinten laden dagegen nach jedem Schuss automatisch nach – dadurch sind schnellere Schussfolgen möglich.
Der Gesetzgeber reagiere auf Einzelfälle – und produziere damit neue Ungereimtheiten, kommentiert der Experte.
Regelmäßige psychologische Tests es auch bei Baumaschinen
Seine zentrale Forderung: mehr Professionalität. „Eine Schwelle vor dem Waffenerwerb ist sinnvoll, und ebenso regelmäßige psychologische Überprüfungen etwa einmal im Jahr.“ Das fehlt zurzeit. Veränderungen im Leben – Scheidung, Jobverlust, Krisen – könnten die Eignung beeinflussen. Den Betreffenden und ihrem Umfeld entgehen zuweilen die psychischen Veränderungen, die stattfinden.
Er verweist auf Parallelen: Auch für den Umgang mit schweren Baumaschinen sind regelmäßige arbeitsmedizinische oder psychologische Tests üblich. Im Übrigen: Man erwirbt ja dadurch ein rechtliches Privileg.
Professionalisierung bei Waffenführerschein und Waffenbesitzkarte
Auch beim „Waffenführerschein“ sieht er Handlungsbedarf: „Wie beim Autoführerschein wäre hier eine einmalige Prüfung sinnvoll. Kenntnisse der verschiedenen Waffen sollten dazu gehören.“ Bislang bieten private Vereine Kurse an, doch er will ein verbindliches Prüfverfahren, theoretisch und praktisch.
Der Waffenführerschein ist heute ein Befähigungsnachweis mit Theorie- und Praxisteil, der von privaten Anbietern durchgeführt wird. Eine einheitliche staatliche Abschlussprüfung wie beim Autoführerschein gibt es nicht. Den tatsächlichen Erwerb von Kategorie-B-Waffen – darunter Pistolen, Revolver sowie viele halbautomatische Gewehre und Schrotflinten – erlaubt erst die Waffenbesitzkarte, für die man zusätzlich zur Volljährigkeit in der Regel Unbescholtenheit, den Waffenführerschein und oft auch ein psychologisches Gutachten vorweisen muss.
Wachsende Besitzerzahlen – kein Drama
Dass immer mehr Österreich Waffen besitzen, sei kein grundsätzliches Problem, wie manche behaupten. „Es gibt eine wachsende Anzahl von Waffenbesitzern. Das sollte man nicht problematisieren, sondern professionalisieren“, betont er. Nicht Kriminalisierung, sondern Ausbildung und Kontrolle seien der richtige Weg.
Sein Vergleich wirkt scharf: „Ich kann nur schwer argumentieren, dass jemand, der eine Forelle in der Mur fängt, sich vorher melden muss, jemand der eine Schusswaffe hat, nicht.“ Für ihn zeigt das: Der Staat setzt seine Maßstäbe inkonsequent.
Regierung zwischen Flickwerk und Neuanfang
Auf dem Tisch der Regierung liegen nun: strengere Altersgrenzen, verpflichtendere psychologische Tests, Abkühlfristen, mehr Datenaustausch und die Befristung von Waffenbesitzkarten. Der Jurist ist manchen Änderungen gegenüber – Stichwort verpflichtende Psycho-Tests – nicht abgeneigt. Doch er bleibt bei seiner grundsätzlichen Linie: Nur ein komplett neu aufgesetztes Gesetz könne Klarheit schaffen. Denn ein sanierter Pfusch „bleibt eben immer noch ein Pfusch“. Österreich brauche ein neues, klares und praxisgerechtes Waffengesetz – Flickwerk schaffe nur neue Brüche.
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