Phase 2 nur mit Entwaffnung: Trump droht Hamas „höllische Konsequenzen“
Phase 2 des Friedensplans für Gaza kann nur funktionieren, wenn die Hamas entwaffnet wird. Doch sie weigert sich. Wer soll es dann tun? Internationale Truppen wollen erst in das Gebiet, wenn die Hamas entmachtet ist. Muss Israel am Ende wieder die „Drecksarbeit“ machen?
Donald Trumps Friedensplan für Gaza soll in die zweite Phase gehen. Hier liegt die Crux: Zentraler Punkt und Voraussetzung für jeden weiteren Fortschritt ist, dass „die Hamas entwaffnet und der Gazastreifen entmilitarisiert wird“. Bei seinem Treffen mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in seiner Residenz Mar-a-Lago in Florida hat der US-Präsident das noch einmal angemahnt: „Sie müssen sich innerhalb einer relativ kurzen Zeit entwaffnen.“ Falls die Hamas dem nicht nachkomme, wäre das „schrecklich“ für sie. „Es wird wirklich, wirklich schlimm für sie werden.“
Tatsächlich muss die Entwaffnung der Hamas oberste Priorität haben. Ohne sie wird der Konflikt wahrscheinlich in einem Schwebezustand verharren, der Wiederaufbau ins Stocken geraten und Gaza auf einen erneuten Krieg zusteuern. Das Problem ist nur: Die Hamas weigert sich, die Waffen niederzulegen. Begriffe wie „Entmilitarisierung“ und „Deradikalisierung“ existieren im Vokabular der Hamas nicht.
Keiner wagt sich ins Wespennest Gaza
Wer also sollte die Entwaffnung der noch immer Teile des Gazastreifens beherrschenden Terror-Miliz vornehmen? Die USA selbst? Wohl kaum. Netanjahu meint jedoch, die Amerikaner würden akzeptieren, dass Israel diese Aufgabe übernehmen wird, sollte sich kein alternativer Akteur zur Beseitigung der Hamas finden. Das wäre allerdings mit allerlei Risiken verbunden: mit hohen Verlustzahlen sowohl unter den IDF-Soldaten als auch bei den palästinensischen Zivilisten, einer weiteren Verschlechterung des internationalen Standings und einem schweren Schlag für die Bemühungen Israels und der USA, eine neue Ordnung im Nahen Osten zu schaffen.
Offen bleibt, wen Trump mit den „anderen Staaten“ meint, die die Hamas „vernichten“ würden, wenn sie sich nicht entwaffnen lässt. Katar und die Türkei werden es nicht sein. Beide Länder beherbergen Hamas-Führer und leisten auch politische Unterstützung. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain betrachten diese beiden Staaten ohnehin mit Argwohn. Sie fürchten, Katar würde die Hamas dabei unterstützen, ihre Präsenz aufrechtzuerhalten und zu einem geeigneten Zeitpunkt zurückzukehren.
Die Länder, die eine gewisse Bereitschaft zum Einsatz von Stabilisierungstruppen bekundet haben – darunter Indonesien, Aserbaidschan, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien und Marokko –, haben deutlich gemacht, dass sie nicht direkt gegen die Hamas vorgehen werden und einen Einsatz erst dann bevorzugen würden, wenn die Organisation vollständig zerschlagen ist. Die reichen Golfstaaten werden erst den Wiederaufbau des Gazastreifens finanzieren, wenn dort friedliche, stabile Verhältnisse herrschen, wovon die Küstenenklave derzeit sehr weit entfernt ist.
Höchstens eine fünfjährige „Hudna“, dann geht’s weiter
Die Hamas ist jedenfalls nicht bereit, abzurüsten oder die Macht an eine andere Autorität abzugeben – schon gar nicht an die Palästinensische Autonomiebehörde, die sie in einem kurzen, blutigen Bandenkrieg 2007 im Gazastreifen von der Macht entfernte. Höchstens käme eine fünfjährige „Hudna“ in Betracht, ein Waffenstillstand, währenddessen sich die Terrortruppen neu aufstellen und bewaffnen würden – ein todsicheres Rezept für den nächsten Krieg also, denn den „Dschihad“ gegen den jüdischen Staat geben die islamistischen Terroristen erklärtermaßen nicht auf.
Schon jetzt nutzt die Hamas den Waffenstillstand, „um ihre Macht zu stärken und sich gegen uns vorzubereiten, falls wir in den roten [von der Hamas kontrollierten] Teil des Gazastreifens einmarschieren, und um Funktionäre in der Organisation zu ernennen“, wie es ein Agent des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet ausdrückte.
Was sich Trumps Regierung für die Nachkriegszeit vorstellt – der vom Golf finanzierte Wiederaufbau, eine internationale Sicherheitstruppe und die Beteiligung der palästinensischen Autonomiebehörde (PA, praktisch Fatah) an der Regierungsführung – wäre indes unmöglich, wenn die Hamas weiterhin bewaffnet und an der Macht bliebe. Der „Tag danach“ kann für Gaza aber nun einmal erst anbrechen, wenn die Hamas entwaffnet und von der Macht vertrieben ist. Und dass Katar und Erdogans Türkei ihren Verbündeten davon überzeugen könnten, ist illusorisch.
Palästinenser mehrheitlich gegen Entwaffnung der Hamas
Viel hängt also davon ab, ob es Trumps Beauftragten Steve Witkoff und Jared Kushner gelingen wird, eine „Koalition der Willigen“ im Nahen Osten zustande zu bringen, die es wagt, im Gazastreifen nicht nur Präsenz zu zeigen, sondern auch die Waffen der Hamas einzusammeln und dauerhaft unbrauchbar zu machen – und das auch noch „sehr bald“. Dazu soll dem Trump-Plan zufolge „die gesamte militärische, terroristische und offensive Infrastruktur, einschließlich Tunneln und Waffenproduktionsanlagen, zerstört werden“.
Laut eines Mitglieds des Politbüros der Hamas, Abdul Jabbar Saeed, denkt die Terrortruppe jedoch gar nicht daran, dies zuzulassen: „Die Hamas lehnt ein Mandat kategorisch ab, ebenso wie eine Militärherrschaft durch andere.“ Es sei nicht möglich, die Hamas, die tief im palästinensischen Volk verwurzelt sei, vollständig von der politischen Bühne auszuschließen. Die Befürchtung besteht, dass die Islamisten eher einen Bürgerkrieg in Kauf nehmen würden, als die Macht im Gazastreifen aufzugeben. Und so oder so klammert sie sich an die Macht, immerhin in einer Hälfte des Landstrichs.
Unfassbar: Allen Zerstörungen, die der Gaza-Krieg mit sich brachte, zum Trotz ist noch immer eine Mehrheit der Palästinenser der Meinung, der Terrorangriff vom 7. Oktober 2023, der den Krieg auslöste, sei richtig gewesen. Da verwundert es kaum, dass eine Umfrage des Palästinensischen Zentrums für Politik und Meinungsforschung in Ramallah kürzlich ergab, dass rund 70 Prozent der Palästinenser die im Friedensplan Trumps vorgesehene Entwaffnung der Hamas ablehnen. Im unzerstörten Westjordanland, wo die Fatah herrscht, die Hamas aber beliebt ist, sehen das vier Fünftel der Befragten so, und selbst im verheerten Gazastreifen ist eine Mehrheit von 55 Prozent gegen die Entwaffnung der Hamas, die ihnen die Suppe eingebrockt hat, über die sie sich unablässig beschweren.
Muss Israel die „Drecksarbeit“ machen?
Am Ende könnte die „Drecksarbeit“ wieder einmal an Israel hängenbleiben, weil sich sonst niemand in das Wespennest Gaza wagt. Dann wäre es sowohl mit der seit 10. Oktober herrschenden – und immer wieder von der Hamas gebrochenen – Waffenruhe vorbei als auch, jedenfalls vorerst, mit der Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien oder einem möglichen Nichtangriffspakt zwischen Israel und al-Jolanis (alias „al-Scharaa“) Syrien. Und ein Wiederaufbau des Gazastreifens, die Einrichtung einer internationalen Zivilverwaltung sowie der Pfad hin zu einem möglichen Palästinenserstaat würden weiter verschoben.
Dabei gibt es längst ein historisches Beispiel für einen Rauswurf der Hamas aus dem Gazastreifen: Im August 1982 erreichten US-Diplomaten den Abzug von Jassir Arafats PLO aus dem von israelischen Truppen belagerten Beirut. Diese hatte sich im Libanon eingenistet, um von dort aus Raketen auf den Norden Israels zu schießen. Etwa 20.000 Terroristen wurden mit Schiffen aus dem Libanon evakuiert, darunter Arafat selbst, der sein neues Hauptquartier damals in Tunis aufschlug.
Da heute aber kein arabisches Land Palästinenser aufnimmt, schon gar nicht die Mördertruppe Hamas, einen Ableger der Muslimbruderschaft, scheint eine solche Lösung derzeit nicht denkbar. Selbst der Emir von Katar möchte es in seinem reichen Land kaum von islamistischen Terroristen wimmeln sehen, die ihren Dschihad ohne Rücksicht auf Verluste weiterführen wollen. „Mit der Hamas wird es in der Region keinen Frieden geben – für niemanden“, hat Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, eben der Welt gesagt, und genau so ist es.
Wahrscheinlicher ist also, dass es im Gazastreifen noch einmal viel schlimmer werden muss, bevor es besser wird.
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partner-Portal NiUS erschienen.
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