Polit-Berater Kapp rechnet ab: „Was hat die WKO für uns Unternehmer erreicht?“
Seit dem WKO-Gehalts-Fiasko und dem Chaos-Management von Präsident Harald Mahrer wächst der Zorn vieler Unternehmer: Wofür zahlen wir Pflichtbeiträge? Einer von ihnen: Polit-Berater Daniel Kapp. „Was hat uns die WKO gebracht?“, fragt er – und verweist auf eine Abgaben- und Bürokratie-Lawine von Registrierkasse bis CO₂-Preis.
Harald Mahrers (Bild) Pannenserie wird existenziell – nicht nur für den WKO-Boss. Auch von der Sinnhaftigkeit der WKO sind immer weniger Unternehmer überzeugt.APA/TOBIAS STEINMAURER
Seit dem Gehalts-Fiasko rund um die Wirtschaftskammer (WKO) und dem missglückten Krisenmanagement von WKO-Präsident Harald Mahrer kocht die Wut. Immer mehr Unternehmer stellen die Pflichtbeiträge infrage, die der Kammer mitten in der Wirtschaftskrise ein weitgehend unbeschwertes Fortkommen ermöglichen.
In dieser aufgeheizten Stimmung löst PR- und Polit-Berater Daniel Kapp auf X mit einem einzigen Satz eine Welle der Zustimmung aus: „Was hat die WKO für uns Unternehmer in den vergangenen zehn Jahren erreicht?“
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— Daniel Kapp (@DanielKapp) November 12, 2025
2015 – Registrierkassenpflicht
2016 – Umsatzsteuersatz-Erhöhung für Beherbergung (von 10 % auf 13 %)
2016 - KESt-Erhöhung auf 27,5%
2016 – Erhöhung der Grunderwerbsteuer bei Unternehmensübertragungen
Kapps Liste ist lang. Die Aufzählung bürokratischer und steuerlicher Belastungen liest sich wie ein politisches Protokoll der vergangenen zehn Jahre – und wie ein Strafregister für Unternehmer: Registrierkassenpflicht, Steuererhöhungen, CO₂-Preis, Plastikabgabe, Bankenabgabe, Übergewinnsteuer, DSGVO, Lieferkettengesetz, CSRD, ESG-Reporting. Kapp spricht von einer kurzen Auflistung „ohne Anspruch auf Vollständigkeit“.
Der Vorwurf dahinter ist klar: Die Wirtschaftskammer, Pflichtvertretung von mehr als 500.000 Unternehmern in Österreich, hat die meisten dieser Belastungen nicht verhindert – sondern eher „erklärt“ und „begleitet“, teils schöngeredet, aber nie abgewehrt. Die Auflistung Liste ist hier näher besehen durchaus erhellend – und zugleich ein ziemlich trauriger Rückblick auf das vergangene Jahrzehnt WKO-Politik.
6/6 2024 – ESG-Reportingpflichten (CSRD, Taxonomie-VO)
— Daniel Kapp (@DanielKapp) November 12, 2025
2025 – Sonderzahlungen & höhere Stabilitätsabgabe für Banken
2025 – Gleichstellung von Elektrofahrzeugen bei Versicherungssteuer
.... und weiter geht's mit dem EU-Lieferkettengesetz
2015: Bürokratie-Startschuss – Registrierkassenpflicht „Made in Austria“
Mit der Registrierkassen- und Belegerteilungspflicht begann für viele Kleinbetriebe der Bürokratie-Albtraum. Jeder, der ab gewissen Barumsätzen arbeitet, braucht seither eine manipulationssichere Kassa, neue Software, Schulungen. Besonders Wirte, Standler, Bäcker und kleine Händler wurden in die Technikpflicht geprügelt.
Der Auftakt zur Belastungswelle kam 2015 – und er war „made in Austria“. Diese Regelung ist keine EU-Idee, sondern eine rein österreichische Erfindung – kein Brüssel, kein Zwang von außen. Die WKO war in dieser Frage ausnahmsweise laut. Landes- und Bundessparten warnten vor extremer Bürokratie, Unmachbarkeit für Kleinbetriebe und dem drohenden Aus für Standler und Schulbuffets. Doch als das Gesetz beschlossen war, schaltete die Kammer um: von der Proteststimme zur Serviceagentur. Plötzlich dominierten Info-Kampagnen, Onlinerechner und Checklisten. Statt Widerstand gab es Schadensbegrenzung: „Wir erklären euch, wie ihr mit der Pflicht klarkommt“.
2016: Steuererhöhungen – Kosmetik statt Kampf bei USt, KESt & Grunderwerbsteuer
Für den Tourismus kam 2016 der nächste Schlag. Die Umsatzsteuer auf Nächtigungen wurde von 10 auf 13 Prozent angehoben. Die WKO kritisierte die Verschlechterung für Hotels und Pensionen, präsentierte aber gleichzeitig „Erfolge“ wie ein späteres Inkrafttreten, großzügige Übergangsregeln für bereits gebuchte Aufenthalte und Ausnahmen fürs „ortsübliche Frühstück“. Am Ende blieb die Bilanz bitter: mehr Steuern, aber ein paar Brosamen an Erleichterungen. Kosmetik statt Kampf.
Parallel dazu verteuerte der Staat die Kapitalertragsteuer. Die KESt auf Dividenden und Wertpapiererträge kletterte von 25 auf 27,5 Prozent. Die WKO blieb hier auffallend nüchtern. Es gab Infoblätter und Rechenbeispiele, aber keine große, öffentliche Kampagne gegen diese Mehrbelastung. Für Unternehmer, die sich über GmbH-Gewinne finanzieren, ändert sich etwas ganz Konkretes: mehr Steuer auf das eigene Risiko.
Noch heikler wurde es bei der Grunderwerbsteuer. Mit der Reform ab 2016 werden Betriebsübergaben mit Immobilien deutlich teurer. Statt Einheitswert gilt ein höherer Grundstückswert, dazu ein Stufentarif bis 3,5 Prozent. Die WKO konzentrierte sich auch hier auf Erklärungen und Beratung: ab wann Grunderwerbsteuer anfällt, welche Begünstigungen es für Familien gibt. Lauter Protest gegen die Reform? Eher nicht. Die Rolle der Kammer: Dolmetscherin der schlechten Nachrichten.
2017: „Gold-Plating made in Austria“ – das Lohn- und Sozialdumpinggesetz
Mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) erreichte die Bürokratie eine neue Stufe. Drakonische Strafen, unzählige Dokumentationspflichten, Haftungsrisiken bei kleinsten Fehlern – in manchen Branchen reicht ein Papierfehler, um in existenzgefährdende Strafhöhen zu kommen.
Hier gibt es tatsächlich eine EU-Basis: die Entsenderichtlinie. Aber Österreich hat daraus ein besonders scharfes Strafrecht gebastelt. Die WKO selbst hat dieses Gesetz immer wieder als „Gold-Plating“ bezeichnet – Österreich habe aus einer EU-Richtlinie ein nationales Strafregime gebaut, das weit über das hinausgeht, was in Brüssel verlangt wurde. Zwar forderte die Kammer später Nachbesserungen, doch das Grundproblem blieb: Kleinbetriebe zahlen für Überregulierung, die niemand in Brüssel in dieser Härte verlangt hat.
Die Linie der Kammer ist doppelt: Im Inland fordert man seit Jahren eine Lockerung der Strafen, mehr Augenmaß, weniger ruinöse Sanktionen bei Formalfehlern. Gleichzeitig tritt die WKO auf europäischer Ebene gemeinsam mit der Arbeiterkammer für harte Maßnahmen gegen ausländisches Sozialdumping auf – damit die Konkurrenz aus Billiglohnländern nicht unter dem Radar durchfliegt. Für heimische Betriebe bleibt das LSD-BG eines der sichtbarsten Beispiele dafür, wie man aus EU-Recht ein nationales Super-Strafregime machen kann.
2018: DSGVO – EU-Bürokratie trifft Wiener Praxis
Mit der Datenschutz-Grundverordnung kam 2018 dann neuerlich Brüssel ins Spiel. Verarbeitungsverzeichnisse, Einwilligungsformulare, Informationspflichten, Dokumentationsaufwand, Risiko hoher Strafen – für viele kleine Unternehmen war „DSGVO“ das Wort des Jahres und Synonym für „Ich mache mehr Papier als Umsatz“.
Die DSGVO ist eine EU-Verordnung. Österreich hat über das nationale Datenschutzgesetz nur einige Öffnungsklauseln genutzt und im Vergleich zu anderen Ländern eher versucht, zu entschärfen als zusätzlich draufzulegen. Die WKO wurde zur „Feuerwehr“ und lieferte Mustertexte, Checklisten und Webinare – eine Rolle, die sie seither perfektioniert hat: Wenn die Politik neue Lasten beschließt, liefert die Kammer den Leitfaden dazu. Politisch laut gegen die DSGVO – das war eher die Ausnahme. Praktisch stellte man sich darauf ein, den Unternehmen beim Überleben der EU-Bürokratie zu helfen.
DAC7-Plattformpflicht: Brüssel liefert, die Kammer nickt
Ähnlich bei DAC7, der Meldepflicht für digitale Plattformen. Plattformen wie Airbnb oder Online-Marktplätze müssen die Umsätze ihrer Anbieter an die Finanz melden. Brüssel setzt den Rahmen, Wien setzt mit einem eigenen Gesetz um. Hier stand die WKO sogar auf der Seite der Verschärfung – im Namen eines „fairen Wettbewerbs“ zwischen Online- und klassischen Betrieben. Schon vor DAC7 forderte die Kammer, dass private Vermieter über Plattformen dieselben Regeln einzuhalten haben wie Hoteliers und Wirte.
Für viele kleine Plattformen bedeutet das trotzdem einen massiven Zusatzaufwand. Es braucht neue IT-Prozesse, sichere Datenschnittstellen, Berichtslogik, Kontrolle. Und die Verantwortung tragen ausgerechnet jene, die im digitalen Bereich innovative Geschäftsmodelle aufgebaut haben.
EU-Plastikabgabe & Abfallpolitik: Brüssel erfindet, Wien kassiert, der Handel zahlt
Mit der EU-Plastikabgabe kam die nächste Belastung durch die Hintertür. Für jedes Kilo nicht recycelter Plastikverpackung zahlt der Mitgliedstaat Geld in den EU-Haushalt. Der Staat refinanziert sich über Steuern, Gebühren oder höhere Preise. Am Ende landet die Rechnung bei den Betrieben und Konsumenten, vor allem in verpackungsintensiven Branchen.
Die WKO kritisierte, dass statt neuer Abgaben besser die Sammelsysteme ausgebaut werden sollten. Beim Pfand auf Plastikflaschen stellte sie sich besonders vor die Nahversorger am Land und warnte vor Kosten und organisatorischen Zumutungen für kleine Händler. Doch der Grundmechanismus der EU-Plastikabgabe blieb unangetastet. Die Botschaft aus Brüssel: weniger Plastik – um den Preis höherer Kosten. Die Botschaft aus Wien: Wir erklären euch, wie ihr das organisatorisch schafft.
2022: CO₂-Preis und Übergewinnsteuer – Wiener Härte über EU-Maß
Mit dem Nationalen Emissionszertifikatehandelsgesetz führte Österreich 2022 einen eigenen CO₂-Preis für Verkehr und Wärme ein. Diesel, Benzin und Gas wurden teurer, der Staat setzte einen Einstiegspreis, der später stufenweise erhöht wird. Für Betriebe mit viel Transport, für Tourismus und energieintensive Produktion ist das eine direkte Kostenexplosion.
Zwar passt das Konzept ins große EU-Klimapaket „Fit for 55“, doch zwang niemand Wien, schon jetzt voranzupreschen. Der nationale CO₂-Preis war kein Zwang aus Brüssel, sondern eine politische Entscheidung der Bundesregierung. In internen Papieren warnte die WKO ausdrücklich vor dieser „Vorreiterrolle“. Österreich solle sich an den EU-Mindestwerten orientieren und kein eigenes Preismodell basteln.
Auch bei der Übergewinnsteuer setzte Wien die EU-Vorgabe in besonders scharfer Form um – bis zu 90 Prozent Abschöpfung. Der Rahmen kommt aus Brüssel, die Maximalausnutzung aus Wien. Für die WKO ist das ein klassisches Beispiel für „Gold-Plating mit Ansage“: Die EU verlangt eine Maßnahme, Österreich dreht den Regler auf Anschlag.
Die Kammer klagte über die Belastung für den Standort und die Signalwirkung auf Investitionen. Parallel forderte sie niedrigere Strom- und Gasabgaben und Entlastungspakete für Betriebe. Am Ende blieb Unternehmern nur eines: zahlen.
Lieferkettengesetz & ESG: Bürokratie mit Ansage
Mit der EU-Richtlinie CSDDD (Lieferkettengesetz) und der CSRD (Nachhaltigkeitsberichtspflichten) droht die nächste Welle an Bürokratie. Unternehmen sollen entlang ihrer globalen Lieferketten Risiken prüfen, Maßnahmen setzen, Bericht erstatten – und gleichzeitig hunderte ESG-Kennzahlen liefern: CO₂, Wasser, Gender, Governance, Lieferketten. Bürokratie mit Ansage, inklusive Haftungsrisiken.
Diese Pflichten stammen im Kern aus Brüssel. Österreich muss sie nur ins nationale Recht übertragen. Besonders kleinere Zulieferer spüren den Druck, weil große Konzerne Nachhaltigkeitsdaten und Lieferketteninformationen von ihnen verlangen.
Hier stemmt sich die WKO vehement dagegen. Sie spricht von „Bürokratiemonster mit Haftungsrisiko“, warnt vor enormen Kosten und begrüßt offen alle EU-Initiativen, die Pflichten entschlacken oder verschieben. Während Brüssel weiter an ESG schraubt, wälzen große Unternehmen die Berichts-Last Stück für Stück nach unten – auf den Mittelstand, und für den wird es eng. Auch wenn die Kammer nichts verhindert, müssen Unternehmer ab einer bestimmten Größe die Pflichtbeiträge zahlen. Warum eigentlich?
Bankenabgabe & E-Auto-Steuer: die neue nationale Belastungsrunde
Die jüngsten Maßnahmen sind wieder rein österreichische – eine neue nationale Belastungsrunde für die Wirtschaft. Ab 2025 wird die Stabilitätsabgabe für Banken deutlich erhöht, zusätzlich zwingt die Politik den Instituten Sonderzahlungen auf. Die Summen gehen in die Hunderte Millionen pro Jahr. Offiziell soll damit das Budget saniert werden – faktisch zahlen Unternehmen und Kunden über höhere Gebühren, Kontotarife und Kreditzinsen. Diese Abgabe ist reine nationale Budgetpolitik, keine EU-Vorgabe. Die WKO warnt vor einem Schaden für den Finanzplatz.
Noch leiser ist die Kammer bei der Wiedereinführung der Versicherungssteuer für E-Autos. Bisher waren Elektroautos von der motorbezogenen Versicherungssteuer befreit, ab 2025 werden sie steuerlich den Verbrennern gleichgestellt. Es ist eine stille Abkehr von der Phase, in der man Unternehmern und Privatleuten erzählt hat, E-Mobilität werde dauerhaft bevorzugt.
Die WKO informiert ihre Mitglieder über diese Wende nüchtern und sachlich – ohne großes Donnerwetter. Dabei trifft sie ausgerechnet jene Betriebe, die sich im Vertrauen auf politische Signale bereits eine E-Flotte angeschafft haben und nun im Nachhinein zur Kasse gebeten werden. Viele zahlen doppelt: zuerst für die „grüne“ Umstellung, dann für die neue Steuer.
Brüssel liefert, Wien legt drauf – und die WKO schaut meist zu
Schaut man sich Kapps Liste im Detail an, entsteht ein klares Bild. Ein Teil der Belastungen kommt aus Brüssel: DSGVO, DAC7, Plastikabgabe, Lieferkettengesetz, CSRD, Energie-Notfallmaßnahmen. Ein ebenso großer Teil, und oft der härteste, ist selbst gemacht: Registrierkassenpflicht, Steuererhöhungen, nationaler CO₂-Preis, Bankenabgabe, E-Auto-Steuer.
Dazu kommen echte Gold-Plating-Fälle wie das Lohn- und Sozialdumpinggesetz oder die extrem scharfe Umsetzung der Übergewinnsteuer im Energiesektor, bei denen Österreich den Spielraum der EU maximal ausnutzt – zum Nachteil der Betriebe.
Die WKO agiert zuweilen nach außen laut und kämpferisch – bei Registrierkasse, LSD-BG, Lieferkette, CO₂-Preis und Bankenabgabe. Mal erklärt sie vor allem, wie man neue Pflichten „richtig umsetzt“. Mal steht sie sogar auf der Seite der Verschärfung – im Namen eines „fairen Wettbewerbs“.
Das Ergebnis für die Betriebe bleibt dasselbe: Die Belastungen steigen Jahr für Jahr. Die Kammer wirkt für viele Zwangsmitglieder zunehmend wie ein teurer Servicebetrieb, der Formulare erklärt, statt Belastungen verhindert. Dafür sollen Unternehmer Pflichtbeiträge zahlen?
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