„Politischer Islam wirkt an Schulen“ – Ednan Aslan über Islam-Unterricht
Der Wiener Professor für Islamische Religionspädagogik, Ednan Aslan, schlägt Alarm: Der islamische Religionsunterricht sei ein Spielball von Verbänden, die einen politischen Islam vertreten. Im Gespräch mit dem Exxpress gewährt er einen Blick hinter die Kulissen: Warum Bewerberinnen ohne Kopftuch keine Chance auf eine Anstellung haben und wie die Islamische Glaubensgemeinschaft wissenschaftliche Forschung gezielt verhindert.
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den Medien: Fast ein Drittel der an Bundesschulen (das sind Gymnasien und berufsbildende Schulen) lehrenden islamischen Religionslehrer absolvierte ihre Ausbildung im Ausland. An Pflichtschulen ist die Situation ähnlich. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ an das Bildungsressort hervor.
Die Zahl muslimischer Schüler ist laut Islamischer Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel auf 104.000 gestiegen. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Islam-Lehrkräften. Nur mit in Österreich ausgebildetem Fachpersonal kann er nicht gedeckt werden, heißt es in einer APA-Pressemeldung.
Aslan: „Das Problem ist viel größer“
Dem stimmt Ednan Aslan nur bedingt zu. „Das Problem ist viel größer“, sagt der Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Wien gegenüber dem Exxpress – und holt aus: „Die Islamische Glaubensgemeinschaft vertritt eine bestimmte Ideologie, eine bestimmte Theologie, die man natürlich auch an den öffentlichen Schulen umzusetzen versucht“. Diese werden durch bestimmte islamische Verbände, und Vereine, die überwiegend aus dem Ausland gesteuert werden, geprägt. „Wenn Grundsäulen der Glaubensgemeinschaft vom Ausland gesteuert werden, dann können wir natürlich nicht mehr von einer Unabhängigkeit des Auswahlverfahrens der Religionslehrer sprechen“, schlussfolgert er.
Da der Islam seit 1979 eine anerkannte Religionsgemeinschaft in Österreich ist, darf die IGGÖ, der Dachverband aller muslimischen Vereine und Moscheen hierzulande, seit dem Schuljahr 1982/83 islamischen Religionsunterricht in öffentlichen Schulen abhalten. Die IGGÖ ist für die Lehrpläne und Personalentscheidungen verantwortlich. Der Staat stellt lediglich die finanziellen Mittel zur Verfügung.
Ohne Hijab keine Anstellung
Der ursprünglich aus der Türkei stammende Aslan fährt fort: Im Obersten Rat – das ist das zentrale Verwaltungsorgan der IGGÖ – haben Verbände wie ATIB oder Millî Görüş das Sagen. ATIB – der größte Islam-Verband in Österreich – gilt als verlängerter Arm Erdogans AKP-Partei. Millî Görüş (auf deutsch: „Nationale Sicht“), der zweitgrößte Verband, wird über die Europazentrale in Deutschland und von dort aus indirekt über die Türkei gesteuert. In dem österreichischen Nachbarland wird Millî Görüş vom Verfassungsschutz beobachtet.
Ümit Vural, der Präsident der IGGÖ, ist Millî Görüş zugehörig, laut einem Bericht der Dokumentationsstelle Politischer Islam. Diese wurde im Jahr 2020 von der damaligen schwarz/grünen Regierung ins Leben gerufen und erforscht sowie dokumentiert islamistisch motivierten politischen Extremismus. Der wissenschaftliche Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass Millî Görüş Elemente des Politischen Islams aufweist und der Muslimbruderschaft nahesteht.
„Die Schäden werden von den kommenden Generationen getragen werden“
Der Professor gibt ein Beispiel für die Steuerung: Es gebe Absolventinnen der Islamischen Religionspädagogik der Universität Wien, die von der IGGÖ nicht angestellt werden, da sie kein Kopftuch tragen. Er kenne andere Lehrerinnen, die aufgehört hatten, Hijab zu tragen, und deshalb von der Islamischen Glaubensgemeinschaft diskriminiert worden seien. „Beim Auswahlverfahren spielen die Qualifikationen eine geringere Rolle als die theologischen, religiösen Orientierungen. Das ist eine Realität“, sagt Aslan. Auch unter den Fachinspektoren haben nur wenige eine entsprechende pädagogische Qualifikation.
Wenn der Religionsunterricht in Wahrheit ein Spielball von dem politischen Islam nahestehenden Verbänden ist, wieso greift der Staat nicht ein? „Es ist eine Mentalität in diesem Land, dass man stolz ist, über Probleme nicht zu sprechen. Die Probleme anzusprechen, macht für die Behörden mehr Arbeit. Diese Mehrarbeit wollen wir nicht. Aber die Schäden, die daraus entstehen, werden von kommenden Generationen getragen werden“, erklärt der Professor.
Aslan beschreibt eine düstere Zukunft, auf die man sich einstellen müsse, wenn islamistischen Theologien und Ideologien kein Einhalt geboten werde. Diese Zukunft sei allerdings in einigen europäischen Städten jetzt schon Realität: „Unsere Schulen sind mehr Bewahrungsanstalten als Schulen. Wir haben Schulen, in denen wir unsere bekannten Werte nicht mehr ansprechen dürfen. Der politische Islam wirkt an den öffentlichen Schulen“.
Die Verbindungen der Wiener SPÖ zur AKP
Ein anderer Bereich, in dem er seine Finger im Spiel habe, sei „in Wien wirkenden Parteien“. Einige Parteien würden den politischen Islam „hofieren“, in der Hoffnung, Stimmen dadurch für sich zu gewinnen. Konkret nennt Aslan die SPÖ. Während des Ramadans 2025 lud der rote Wiener Bürgermeister Michael Ludwig etwa zum Fastenbrechen ins Rathaus ein. Mit dabei waren auch die AKP-Bürgermeister der türkischen Städte Sarikaya und Aksaray, zwei Regionen, in denen viele aus der Türkei stammende Wiener ihre Wurzeln haben, wie die Tageszeitung Die Presse berichtet. Die SPÖ-Gemeinderätin Aslihan Bozatemur gilt als Verbindungsperson von Ludwig zur AKP. Die türkischstämmige Wienerin empfängt regelmäßig AKP-Bürgermeister in der Hauptstadt, teilte immer wieder teils antisemitische und Hamas-verherrlichende Posts auf den Sozialen Medien und ist laut Medienberichten verlobt mit dem Ankaraner Staatsanwalt Erdal Akdağ. Laut Die Presse begleitete Akdağ seine Verlobte währende der Wiener Bürgermeister-Wahlkampfzeit auf Hausbesuche.
Diese Tatsachen sind für Ednan Aslan alles andere als harmlos: „Stellen Sie sich vor, ein Staatsanwalt aus Deutschland oder Österreich geht in die Türkei und macht für eine bestimmte Partei Werbung“. Im Hinblick auf das „Hoffieren des politischen Islams“ durch politische Parteien seien die im Ausland ausgebildeten Religionslehrer „eine Kleinigkeit“.
Nur höchstens 30 Prozent der Lehrer bieten „Europa-orientierten" Religionsunterricht an
Laut der Stadt Wien waren im vergangenen Schuljahr fast 40 Prozent der islamischen Schüler vom Religionsunterricht abgemeldet. „In einigen Bundesländern sind es sogar über 50 Prozent“, ergänzt Aslan. Die Gründe dafür seien vielschichtig: Oft finde der Unterricht am Nachmittag statt oder die Eltern seien mit der Qualität nicht zufrieden. „Dann gibt es auch natürlich ethnische Auswahlkriterien der Eltern“, sagt der Professor. Manche türkischen Eltern würden keine bosnischen Lehrer akzeptieren oder vice versa.
Dem islamischen Religionsunterricht stellt Aslan insgesamt ein schlechtes Zeugnis aus. An öffentlichen Schulen seien, laut dem Professor, höchstens 30 Prozent der Islam-Lehrer in der Lage, einen „vernünftigen, Europa-orientierten“ Religionsunterricht anzubieten. Die restlichen 70 Prozent seien nicht in der Lage, den „pluralistischen Erwartungen“ einer westlichen Gesellschaft zu entsprechen. Ein weiteres Problem, dass Aslan anspricht: Eine sogenannte „sprachorientierte Kultur“ sei noch nicht entwickelt worden. Das bedeutet, dass die Herkunftssprachen noch immer die Denk- und Handlungskultur prägen.
IGGÖ-Tests seien Farce
Wie kann es sein, dass der Religionsunterricht solche eklatanten Mängel aufweist? Schließlich müssen Bewerber für den islamischen Religionsunterricht eine schriftliche und mündliche Prüfung positiv bestehen, um angestellt zu werden. Laut Aslan kommt dieser Test einer Farce gleich. In Wahrheit würden die Prüfer schauen, ob die Bewerber den theologischen Erwartungen entsprechen. „Wenn Bewerberinnen in diesem Verfahren kein Kopftuch tragen, haben sie ohnehin keine Chance – unabhängig davon, wie qualifiziert sie sind“, erklärt er. „Wer nicht die traditionelle Lehre der Glaubensgemeinschaft vertritt und eine eher liberale Position einnimmt, wird in der Regel nicht als Lehrkraft akzeptiert.“
Auch die Herkunft aus bestimmten Verbänden spiele eine entscheidende Rolle. Die islamischen Verbände, die der IGGÖ angehören, setzen sich gezielt dafür ein, dass Kandidaten aus ihren Reihen bestimmte Positionen erhalten. „Den Einfluss der Verbände bei der Stellenvergabe darf man nicht unterschätzen“, betont Aslan. „Entscheidend ist dabei nicht primär die fachliche Qualifikation, sondern vielmehr, aus welchem Verband die Bewerberin oder der Bewerber stammt.“
„Wir haben Angst, die Universität hat Angst“
2009 erschien ein umfangreicher Bericht des Österreichischen Integrationsfonds über die Situation des islamischen Religionsunterricht in Österreich, 2019 ein „Fact-Sheet“ mit Zahlen. Aktuelle Darstellungen gibt es keine. Eine Studentin des Professors verfasste eine Dissertation über die Effekte des Islam-Unterrichts. Doch sie konnte ihre Arbeit nicht veröffentlichen, denn: „Die islamischen Verbände setzten sie unter Druck. Wie sollen die jungen Leute in diesem Bereich forschen, wenn sie abends nicht in Ruhe rausgehen können? Wir haben Angst, die Universität hat Angst“.
Die Islamische Glaubensgemeinschaft habe die Arbeit, laut Aslan, „unberechtigt kritisiert“. Sie meinten, die von ihr gestellten Fragen seien falsch. Schuldirektoren haben das Gespräch mit der Studentin verweigert. Es sei prinzipiell schwer, junge Leute zu finden, die auf dem Gebiet forschen wollen, denn: „Wenn sie es tun, verlieren sie ihre Zukunft“.
Zum Schluss des Gesprächs macht Ednan Aslan noch einmal bewusst, wie dramatisch die Situation ist: „Was ich Ihnen sage, ist nicht eine Utopie, das ist Realität. Dass wir aus Angst noch nicht mal die Probleme ansprechen dürfen. Unser Alltag wird islamistisch geprägt. Das ist nicht einfach eine Sache von morgen, das passiert jetzt, dass eine junge Frau ihre Arbeit nicht veröffentlichen darf. Wir müssen mit Polizeischutz nach Hause gehen“.
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