Rotes Netzwerk hinter Mogherini: 3,2-Millionen-Skandal erschüttert die EU
Der 3,2-Millionen-Skandal um Ex-EU-Außenchefin Federica Mogherini zieht immer weitere Kreise und reicht bis ins Herz der EU-Diplomatie – Alt-Außenchef Josep Borrell rückt ins Rampenlicht. Im Fokus: rotes Netzwerk, mutmaßliche Vetternwirtschaft und frühere Brüssel-Skandale. Mittendrin: Verfechter der „offenen Grenzen“ von 2015.
Ein politisches Beben erschüttert Brüssel: Hausdurchsuchungen, Festnahmen, ein Millionen-Deal – und der Verdacht, dass ein enges sozialdemokratisches Netzwerk EU-Gelder in den eigenen Kreis gelenkt haben könnte. Im Mittelpunkt steht Ex-EU-Außenchefin Federica Mogherini. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Festnahme, Razzien, Rücktritt
Am 2. Dezember rückte die belgische Bundespolizei zeitgleich in Brüssel und Brügge an. Durchsucht wurden Büros des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), das renommierte College of Europe sowie mehrere Privatwohnungen. Drei Personen wurden in Polizeigewahrsam genommen: die frühere EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, der italienische Spitzendiplomat Stefano Sannino sowie ein Verwaltungsleiter des College of Europe.
Alle drei wurden stundenlang befragt und anschließend wieder freigelassen, da keine Fluchtgefahr bestand. Offiziell angeklagt ist bislang niemand. Zwei Tage später zog Mogherini dennoch Konsequenzen und trat als Rektorin des College of Europe sowie als Leiterin der Europäischen Diplomatenakademie zurück.
Der Auslöser: Ein 3,2-Millionen-Euro-Kauf
Im Zentrum der Ermittlungen steht ein Immobilienkauf in Brügge aus dem Jahr 2022: Das College of Europe erwarb ein Gebäude um 3,2 Millionen Euro – zu einem Zeitpunkt, als es sich um den Zuschlag für die neue European Diplomatic Academy bewarb.
Brisant: Das College befand sich laut Berichten in finanziellen Schwierigkeiten. Dennoch ging es das Millionenrisiko ein. Die Ermittler vermuten, dass dies nur möglich war, weil bereits vorab vertrauliche Informationen aus Brüssel vorlagen, wonach das College den Zuschlag erhalten würde.
Der zentrale Verdacht: Insiderwissen aus Brüssel
Nach Ansicht der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) könnte das College schon vor Veröffentlichung der Ausschreibung wesentliche Kriterien gekannt haben. Ein zentrales Kriterium war die Bereitstellung geeigneter Unterkünfte für die Nachwuchsdiplomaten – exakt jenes Kriterium, das das Millionen-Gebäude erfüllte.
Sollte sich bestätigen, dass Ausschreibungsdetails gezielt weitergegeben wurden, stünde der Vorwurf des Vergabebetrugs im Raum – ein klassischer Fall von Vetternwirtschaft mit EU-Geldern.
Die Ermittlungen: EPPO, OLAF, Immunitäten
Die Ermittlungen werden von der Europäischen Staatsanwaltschaft geführt, unterstützt von der Anti-Betrugsbehörde OLAF. Akten, E-Mails und Ausschreibungsentwürfe wurden sichergestellt. Eine Besonderheit unterstreicht die Brisanz: Für mehrere Verdächtige musste zunächst die dienstliche Immunität aufgehoben werden.
Konkret prüfen die Ermittler: Vergabebetrug, Korruption, strafbarer Interessenkonflikt und Verletzung des Dienstgeheimnisses. Für alle Beteiligten gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.
Politisch besonders heikel wird der Fall durch die personelle Verflechtung an der Spitze der EU-Diplomatie.
Das rote Netzwerk: Mogherini, Borrell, Sannino
Die personelle Konstellation ist bemerkenswert:
Federica Mogherini (PD, Italien): Ex-EU-Außenbeauftragte, später Rektorin des College of Europe
Josep Borrell (PSOE, Spanien): Ihr Nachfolger als EU-Außenchef, politisch verantwortlich für den EEAS während der Ausschreibung
Stefano Sannino: Von Borrell 2020 zum Generalsekretär des EEAS ernannt – oberster Verwaltungschef des Auswärtigen Dienstes
Damit ergibt sich ein brisantes Dreieck: Mogherini leitete die Institution, die den Zuschlag erhielt. Borrell stand an der Spitze jener Behörde, die die Ausschreibung verantwortete. Sannino steuerte als Generalsekretär den Apparat.
Weitere Indizien & problematische Vorgeschichten
Sannino war früher Berater von Romano Prodi, einer Schlüsselfigur der europäischen Sozialdemokratie. Mogherinis Ernennung zur Rektorin des College of Europe sorgte bereits 2020 für Kritik – wegen fehlender klassischer Hochschulkarriere und des Vorwurfs politischer Patronage.
Auch Josep Borrell ist kein unbeschriebenes Blatt: In der Vergangenheit gab es gegen ihn Ethikverfahren wegen nicht offengelegter Nebentätigkeiten und Verstößen gegen Börsenregeln. Diese Fälle sind rechtlich abgeschlossen, prägen aber das politische Gesamtbild.
Internationale Reaktionen: Von Schock bis Hohn
In Brüssel sprach Mogherinis Nachfolgerin Kaja Kallas von „erschütternden Vorwürfen“, mahnte jedoch zur Wahrung der Unschuldsvermutung. In Italien reagierten oppositionelle Parteien scharf: Die Lega sprach von Doppelmoral der EU, die Fünf-Sterne-Bewegung von einem erneuten Korruptionsskandal.
Ungarns Regierung spottete über Brüssel als „Krimi-Schauplatz“, aus Russland kamen höhnische Kommentare – was wiederum Debatten über politische Instrumentalisierung auslöste.
Parallelen zu Qatargate und anderen EU-Skandalen
Der Fall reiht sich ein in eine Serie von Affären: Qatargate (2022), bei dem sozialdemokratische EU-Abgeordnete im Zentrum standen, sowie laufende Ermittlungen rund um Huawei-Lobbying. Die Häufung verstärkt den Eindruck struktureller Probleme – besonders im Umfeld der sozialdemokratischen S&D-Fraktion.
Die Willkommensfraktion von 2015
Mogherini und ihr Umfeld prägten 2015 maßgeblich die Willkommenspolitik der EU. Sie sprachen von moralischer Pflicht, warnten vor Grenzschließungen und sahen die Aufnahme von Flüchtlingen als Teil europäischer Identität. Auch Borrell stellte sich klar gegen „Festung Europa“-Rhetorik.
Der Kontrast erscheint heute scharf: Politiker, die moralische Maßstäbe einforderten, stehen nun selbst unter Verdacht, europäische Regeln missachtet zu haben.
Politisch ist der Schaden bereits enorm. Der Fall wirft die Frage auf, ob Brüssel seine eigenen Ansprüche an Transparenz noch erfüllt.
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