Schallenberg in Brüssel: "Linie in der Migration bleibt völlig klar"
“Österreich bleibt ein verlässlicher Partner”, unterstrich Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) in Brüssel. Er werde der EU-Kommission die Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen an den Außengrenzen vorschlagen. Die EU müsse insgesamt pragmatischer werden.
Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hat nach den jüngsten Turbulenzen in Österreich die Verlässlichkeit der Republik als Partner in der Europäischen Union bekräftigt. “Man kann weiterhin auf uns zählen und mit uns rechnen”, sagte Schallenberg bei seinem Antrittsbesuch am Donnerstag in Brüssel. Den bisherigen EU-Kurs Österreichs etwa in Sachen Migration möchte der Neo-Kanzler weiterführen, das Vorgehen der EU-Kommission gegen Polen unterstütze er.
"Es soll kein Eindruck von EU- Ländern erster und zweiter Klasse entstehen"
“Die EU ist Teil meiner DNA”, betonte Schallenberg bei seinen einleitenden Worten. “Österreich ist und bleibt ein verlässlicher und starker Partner in der Europäischen Union.” Bei den Gesprächen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel stünden etwas die Corona-Pandemie, die steigenden Energiepreise und Migration auf der Agenda.
Schallenberg unterstützte ausdrücklich das Vorgehen der EU-Kommission gegen Polen, wo das Verfassungsgericht nationales über europäisches Recht gestellt hatte. “Ohne den Vorrang des Europarechts zerfällt dieses Gebilde, das ist eine brandgefährliche Entwicklung”, sagte Schallenberg. Sehr viel komme auch auf den Ton an, man müsse aufpassen, dass nicht der Eindruck von EU-Ländern erster und zweiter Klasse entstehe. Aber: “Die Grundwerte, die Rechtsstaatlichkeit sind nicht verhandelbar”, unterstrich der Kanzler.
Neue Maßnahmen zum Schutz der Außengrenzen, keine Aufweichung bei EU-Budgetdisziplin
In der Migrationsfrage “wird unsere Linie völlig klar bleiben”, sagte Schallenberg, und er betonte: Österreich habe “über die Maßen geleistet”. Er werde der EU-Kommission die Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen an der Außengrenzen vorschlagen. Litauen, das in den vergangen Wochen mit einer erhöhten Migrationsbewegung konfrontiert wurde, müsse unter die Arme gegriffen werden.
Schallenberg machte auch klar, dass Österreich weiter mit den “frugalen” Staaten, die auf Budgetdisziplin drängen, verbunden bleibe. Eine Aufweichung des Euro-Stabilitäts- und Wachstumspakts wäre der falsche Weg, sagte er. Wichtig sei auch die Signalwirkung des Stabilitätspakts für Reformen.
Zu Sebastian Kurz: "Glaube, dass an strafrechtlichen Vorwürfen nichts hängen bleiben wird"
Der Westbalkan bleibe für Österreich “eine Herzensangelegenheit”, so der Kanzler, der kommende Woche wieder zum EU-Gipfel nach Brüssel reist. Er habe bereits im Vorfeld mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte telefoniert. Wesentlich sei in der EU jetzt die Pandemie-Bekämpfung, sagte Schallenberg, “noch haben wir sie nicht im Rückspiegel”, sowie der wirtschaftliche Aufschwung.
Schallenberg bekräftigte in Brüssel seine bisherigen Aussagen zu den Ermittlungen gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). “Ich glaube, dass an diesen Vorwürfen strafrechtlicher Natur nichts hängen bleiben wird”, sagte Schallenberg. Diese Meinung gebe es auch außerhalb der ÖVP. Dies sei seine persönliche Stellungnahme, er habe großes Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Arbeit der Justiz.
Nach dem "brutalen Aufwachen" der EU sei jetzt mehr Pragmatismus gefragt
Schallenberg zog auch eine Bilanz seiner bisherigen Europa-Erfahrungen. Zuerst nach Brüssel sei er gekommen, als es noch eine Union der 15 EU-Staaten gab. “Das waren die Heydays der europäischen Integration”, als die Türkei und Russland noch Annäherung an die EU suchten. In den nächsten 20 Jahren habe “ein brutales Aufwachen” in der EU stattgefunden. Jetzt sei mehr Pragmatismus gefragt. “Die Welt braucht eine pragmatische, nüchterne Europäische Union, die versteht, ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen.” (APA/Red)
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