Friedrich Merz ist nicht der einzige Politiker innerhalb der Europäischen Volkspartei (EVP), der sich dezidiert gegen eine Rechtskoalition in Wien ausspricht. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos hatte der CDU-Chef eine Koalition unter freiheitlicher Führung als „Desaster“ bezeichnet und seine Parteikollegen von der ÖVP ziemlich deutlich angegriffen – der express berichtete.

Wie nun bekannt wurde, drehte sich auch wenige Tage zuvor eine hochemotional verlaufene EVP-Sitzung in Berlin stundenlang ausschließlich um die sich abzeichnende blau-schwarze Regierung mit einem Bundeskanzler Herbert Kickl (FPÖ). Es soll heftig zugegangen sein, doch die Gespräche waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, berichtet der „Kurier“. Ein Politiker vom Schlage Kickls als Regierungschef ist ein Novum.

Die ÖVP „verkauft ihre Seele“, soll der EU-Abgeordnete Peter Liese gesagt haben, wie die „Presse“ erfuhr. Er bezweifle, dass sich die FPÖ an die Spielregeln der EVP halten werde, die da lauten: Pro Ukraine, pro Europa und pro Rechtsstaatlichkeit. Man brauche eine zweite Option. Die EVP-Spitze sondiere bereits alternative Regierungskonstellationen in Wien, darunter auch eine Minderheitsregierung. Es gebe intensive telefonische Kontakte mit Bundespräsident Alexander van der Bellen.

Besonders wichtig seien dabei die deutschen Schwesterparteien CDU und CSU. Auch in Deutschland wird demnächst gewählt und viele rechnen mit einem starken Zuwachs der AfD. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zeigte sich bereits vor zwei Wochen besorgt über die politische Entwicklung in Österreich: „Es ist zunächst mal eine Entscheidung von Österreich selbst“, sagte der CSU-Vorsitzende bei der Tagung der CSU-Landesgruppe im Bundestag im Kloster Seeon. Man müsse sehen, was dabei herauskomme. „Aber die Entwicklung ist natürlich nicht gut.“

Die ÖVP hat unterdessen auf die Desaster”-Aussage von Friedrich Merz reagiert: Österreich braucht eine neue Regierung”, betont die Volkspartei. Das Land bleibe „ein verlässlicher und konstruktiver Teil der Europäischen Union“.