Argentiniens Präsident Javier Milei wurde für heimische Linke zum Schreckgespenst, für immer mehr Unternehmer ist er mittlerweile Sehnsuchtsfigur: Fast 90 Prozent geben an, unter der horrenden Bürokratie in Österreich zu leiden, ein Kahlschlag mit der Kettensäge – ganz nach dem Muster Mileis – klingt da wie ein Befreiungsschlag. Doch ein solches Massaker wird es nicht geben, wie NEOS-Entbürokratisierungs-Staatssekretär Sepp Schellhorn schon vor dem Ministerrat klar machte. Gute Vorbereitung schlage blindes Drauflossägen, meinte er auf Instagram.

Am Mittwoch ergänzte der NEOS-Politiker: „Entbürokratisierung ist ein Marathon.“ Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ) präsentierte er das erste Entbürokratisierungspaket. 113 Maßnahmen sind darin aufgelistet: manches sofort greifbar, anderes noch in Ausarbeitung, neben konkreten Schritten sind darin auch viele Absichtserklärungen, die erst über Arbeitsgruppen verwirklicht werden sollen.

Keine Milei-Kettensäge: Schellhorn setzt auf Ausdauer statt Kahlschlag.APA/HELMUT FOHRINGER

Schellhorn betont: Dies sei nur der Auftakt, kein Finale. Der Abbau könne nicht nebenbei passieren – dafür müssen Ministerien, Länder und Gemeinden zusammenarbeiten. Und: Digitalisierung macht nicht alles automatisch einfacher.

Eine Kettensäge-Massaker à la Javier Milei wird es nicht geben, sagt Schellhorn.APA/AFP/AG La Plata/Marcos GOMEZ

Was konkret kommt – spürbare Schritte für Bürger und Betriebe

Tatsächlich sollen einige Maßnahmen den Alltag vieler Bürger spürbar entschlacken, dabei setzt man auf mehrere konkrete Hebel.

Für Autofahrer kommt die Pickerl-Reform: Statt des bisherigen 3-2-1-Schemas gilt künftig 4-2-2-2-1, womit die jährliche Prüfung erst ab dem zehnten Jahr fällig wird; die Regel orientiert sich am Zulassungsdatum und gilt damit auch für bereits zugelassene Fahrzeuge, berichtet Hanke.

4-2-2-2-1 statt Prüfstress: Hanke verspricht Entlastung ohne Sicherheitsverlust.APA/HELMUT FOHRINGER

Parallel werden Berichtspflichten für Unternehmen massiv reduziert, um Zeit und Kosten zu sparen. Im Anlagenrecht fallen außerdem Genehmigungen für Photovoltaik-Anlagen und E-Ladestationen, die bisher oft wochenlange Verfahren ausgelöst haben. Für Betriebe wichtig sind auch die höheren Buchführungsgrenzen: Die Schwellen werden zweistufig von 700.000 auf 1.000.000 Euro und im Zweitwert von 1.000.000 auf 1,5 Millionen Euro angehoben.

Bürger sollen bei Pässen und Ausweisen entlastet werden, weil digital hinterlegte Dokumente nicht mehr als Original erneut gebracht werden müssen; gleichzeitig werden Abrufe über ID-Austria ausgebaut.

Schellhorn präsentiert das Paket als Ergebnis eines breiten Zuhör-Prozesses – nach mehr als 300 Gesprächen mit Unternehmern und tausenden Rückmeldungen aus der Bevölkerung – und als Startschuss für weitere Schritte. Das alles geschehe „Button up“, nicht „Top down“.

Hattmannsdorfer, Schellhorn und Hanke verkünden den Startschuss für den Bürokratie-Abbau – der noch weiterhin viel Kraft und Zeit kosten werde.APA/HELMUT FOHRINGER

Hattmannsdorfer: Gewerbeordnung als Hebel gegen die Wachstumsbremse

Bürokratie dürfe nicht zur Wachstumsbremse werden, warnt auch Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer. Deshalb soll die Reform der Gewerbeordnung in der kommenden Woche in Begutachtung gehen, der Beschluss ist für Anfang 2026 geplant. Ziel ist ein One-Stop-Shop im Anlagenrecht, weniger Mehrfachgenehmigungen, mehr Genehmigungsfreiheit und tausende Kontrollwege weniger durch digitale Unterlagen.

Als Beispiel für bisherige Absurditäten nennt er Detailvorgaben bis hin zu Almdudler-Flaschengröße auf Almhütten – solche Regel-Skurrilitäten sollen fallen.

Hattmannsdorfer will die Gewerbeordnung entschlacken.APA/HELMUT FOHRINGER

Zeitplan – was gilt wann?

Schellhorn legt den Fahrplan offen: Erlässe können sofort gelten. Verordnungen brauchen Wochen bis etwa einen Monat. Gesetze müssen durch den Nationalrat. Große Entlastungen sind bereits ab 1. Jänner 2026 vorgesehen.

Auf die exxpress-Frage nach Folgekosten durch einige Maßnahmen, wie etwa neue Meldewege, räumt Schellhorn ein: Digitalisierung koste am Anfang – bringe aber im zweiten Jahr Einsparungen zurück. „Von nix kommt nix.“