Der deutsche Innenminister Alexander Dobrindt sorgte diese Woche für einen Paukenschlag. Sehr spät, aber doch hat der CSU-Politiker die seit Jahren islamistisch und antisemitisch verhetzende Gruppierung „Muslim Interaktiv” aufgelöst. Diese hatte im vergangenen Jahr mit Demonstrationen und Kundgebungen in Hamburg für Aufsehen gesorgt, auf denen gegen Israel gehetzt und zur Errichtung eines Kalifats aufgerufen wurde. „Wer auf unseren Straßen aggressiv das Kalifat fordert, in unerträglicher Weise gegen den Staat Israel und Juden hetzt und die Rechte von Frauen und Minderheiten verachtet, dem begegnen wir mit aller rechtsstaatlichen Härte”, begründete Dobrindt die Aktion scharf.

Null Toleranz!?

Die Null-Toleranz-Politik trifft im konkreten Fall hauptsächlich arabisch-stämmige Migranten und deutsche Konvertiten. Umso mehr fällt die staatliche Beißhemmung – auch in Österreich – gegenüber islamistischen Aktivisten mit türkischem Hintergrund auf. Diese vertreten zwar ihre Positionen nicht immer so lautstark, provokant und medienwirksam wie „Muslim Interaktiv”, allerdings unterscheidet sich ihre Ideologie kaum bis gar nicht von den vor allem via TikTok auf Jungmuslime zielenden Aktivisten.

Wanderhassprediger

So trudeln unter dem Rader von Politik und Medien immer wieder türkische Influencer ein, um exiltürkische Communitys permanent dem Einfluss der Staatschef Recep Tayyip Erdogan direkt unterstehenden Religionsbehörde DIYANET auszusetzen. Teils sind diese DIYANET nahestehenden oder dort in führender Position tätigen Wanderprediger physisch unterwegs, teils virtuell in Webinaren. Selbst wenn sie ihre extremsten Positionen nicht hierzulande äußern, generieren sie etwa bei Vorträgen zu unverfänglichen Themen Follower für ihre Online-Kanäle, auf denen sehr wohl islamistischer beziehungsweise antisemitischer Klartext gesprochen wird.

Islamist im Pfarrsaal

Einer von ihnen ist Ismail Hünerlice. Ursprünglich der von Erdogan gehätschelten Ismailaga-Sekte angehörend, vertritt er nach einem Streit um die Nachfolge des 2022 verstorbenen Sektengründers Mahmoud Ustaosmanoglu die gleichen islamistischen Positionen nun als Prediger der auch Insidern kaum bekannten Gruppierung Sura-i-Müceddidiyye. Wie Ismailaga untersagt auch sie Muslimen die Teilnahme an christlichem Brauchtum als Widerspruch zum Gebot, sich von Nichtmuslimen abzugrenzen.

Hünerlice ist im vergangenen Jahr dreimal in Österreich aufgetreten. Zweimal bei einem Ismailaga-nahen „Integrationsverein” in Wien-Simmering, einmal – ausgerechnet am vierten Adventsonntag und noch dazu – im katholischen Pfarrsaal von Marchtrenk in Oberösterreich. Seine 1,3 Millionen Follower im Internet klärt er etwa darüber auf, dass Frauen kein Auto lenken dürfen: „Wenn eine Frau Auto fährt, ist das haram (verboten, Anm.)” Den militärischen Schlagabtausch zwischen Israel und Iran kommentierte er im Juni erfreut: „Möge Allah die Ungläubigen die Ungläubigen töten lassen, inshallah.” Nicht nur Juden, auch schiitische Muslime betrachtet der türkische Sunnit als Kuffar.

Islamistenprediger Hünerlice am vierten Adventsonntag im Marchtrenker Pfarrsaal.Facebook/Hünerlice

Paradies nur für Muslime

Prominenter Vertreter dieser Gruppierung ist Cübbeli Ahmet Hoca, der in einem Youtube-Video von Reisen nach Wien erzählt und die Telefonnummer eines von der Milli-Görüs-Gemeinschaft kommenden Sura-Vertreters in Österreich verbreitet. Unter seinem Aliasnamen Ahmet Mahmut Ünlü schrieb er ein Buch mit dem sperrigen Titel „Wer sagt, dass Juden und Christen ins Paradies kommen, kann selbst nicht ins Paradies gelangen“. In dem auch von der islamischen Buchhandlung Aizziye Kitabevi in Wien vertriebenen Wälzer wettert er gegen den „schweren Verrat” durch islamische Theologen, welche lehren, dass Juden und Christen ins Paradies gelangen werden, weil auch sie an Gott glauben.

Dieses auch Wien verkaufte Buch erklärt, warum nur Muslime ins Paradies kommen.AziziyeKitabevi

Nach der Tötung des Hamas-Führers Ismail Haniye in Teheran postete Cübelli auf X: „Möge unser allmächtiger Herr das Martyrium unseres Bruders Mudschahid Ismail Haniye annehmen und seinen Rang erhöhen.”

DIYANET in Mauthausen

Solche Hamas-Huldigungen sind bei türkischen Religionsvertretern üblich, vertreten sie doch nur die offizielle Linie. Und sie tun das auch auf historisch belastetem Boden: So bewarb die ATIB-Union, die österreichische DIYANET-Filiale, im Oktober ein Online-Seminar mit Hasil Aydemir.

Im KZ-Gedenkort Mauthausen wird ein Seminar mit einem Hamas-Fan beworben.Facebook/Atib Mauthausen

Den kennt hierzulande niemand, in der Türkei ist das Mitglied im „Obersten Religionsrat” der DIYANET aber ein Promi mit hunderttausenden Followern. Dort ließ er kürzlich in einem Video mit dem Titel „Die Botschaften des Widerstandes in Gaza” keinen Zweifel, was er vom Hamas-Terror hält: Er verweist auf einen Hadtih (dem Propheten zugeschriebene Äußerung) aus der Sahih-Muslim-Sammlung, in welchem es heißt: „Der Tag der Auferstehung wird nicht kommen, bis die Muslime gegen die Juden kämpfen.” Teilnehmer des Webinars stoßen bei Durchsicht von Aydemirs Social-Media-Kanälen auf heroisierende Videos über den vor einem Jahr getöteten Organisator des Hamas-Überfalles auf Israel, Ayhya Sinvar. Begleittext des DIYANET-Oberen: „Ben Yahyan Sinvar” (Ich bin Yahya Sinvar).

Von ATIB eingeladener Referent Aydemir: „Ich bin Yahya Sinvar!"x/Halis Aydemir

Zwei Tage vor seinem virtuellen Österreich-Auftritt war Aydemir in Paderborn in einem Saal der kirchlichen Kolping-Stiftung aufgetreten. Weder in Deutschland noch in Österreich nahmen Medien und Politik Notiz von diesen Events. Die Wiener ATIB-Zentrale kündigt auf EXXPRESS-Anfrage lediglich an, man werde „intern darüber beraten”. Kein Wort der Distanzierung. Thema des Seminars seien Familie und Bildung, nicht Gaza gewesen, heißt es nur.

Dschihad-Bejublerin

Diese Ausflucht gilt wohl auch für den physischen Auftritt von Betün Altun Erinzcik bei ATIB Mauthausen am vorigen Sonntag. Bei diesem Seminar der Chefpredigerin des Muftiats Ankara ging es wieder um Familie. Doch darauf beschränkt sich Erinciks Portfolio keineswegs. Im Diyanet-Wissenschaftsmagazins schrieb sie etwa unter dem Titel: „Jerusalems Lichter”: „Jerusalem gehört den Muslimen. … Es gehört den ehrenhaften Palästinensern, die … mit der Moral der Gefährten des Propheten und dem Geist des Dschihad widerstehen.” Mehr Hamas-Propaganda geht fast nicht.

In Mauthausen referierende Predigerin Erincik preis in DIYANET-Schriften den palästinensischen „DschihadFacebook/Atib

Wen überrascht, dass auch der Auftritt dieser Dame in der KZ-Gedenkgemeinde  linken Schnappatmern, welche jedes am 20. April gepostete Eiernockerl-mit-grünem-Salat-Foto in helle Empörung versetzt, völlig entgangen ist? Die regt nicht einmal auf, wenn auf einer Türkischen Kulturmesse der Islamischen Föderation  Hitlers „Mein Kampf” verkauft wird – wie vor drei Jahren in Dornbirn geschehen. War je eh nur eine türkische Ausgabe…

Auf Messe der Islam-Föderation verkauft: Türkische Ausgabe von "Mein Kampf"..DPI

Ignorante Frauenministerin

Offenbar egal ist Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) auch der Verkauf des Buches „Grundwissen für Frauen” Ende Mai bei der diesjährigen Dornbirner IF-Kulturmesse. „Wenn eine Frau zum Geschlechtsverkehr gerufen wird und sie gerade beim Kochen am Ofen ist, soll sie dem Ruf ihres Ehemannes nachkommen”, lehrt dieses vom deutschen Astec-Verlag als Bestseller gepriesene Buch, das Muslimas auch erklärt, warum die Frau weniger wert ist als der Mann: „Ein muslimischer Mann, der das gesamte Jahr 5 x am Tag beten muss, den gesamten Ramadan fasten muss, ist im Vergleich zu einer Frau, die dies ab und an lässt, vollkommen und die Frau ist im Vergleich dazu mangelhaft.” Eine Holzleitner übermittelte Sammlung weiterer grausliger Zitate aus dem Buch – unter anderem zum Schlagen widerspenstiger Ehefrauen – provozierte nach wochenlangem Nachdenken lediglich dieses Statement ihres Pressesprechers: „Derzeit kann die Ministerin nicht Stellung dazu nehmen.”

Frauenministerin Holzleitner sagt nichts zu frauenfeindlichem Bestseller.SPÖ Steiermark /

Beredtes Schweigen

Keine Stellungnahme kam auch von ÖVP-Frauenchefin Juliane Bogner-Strauss, der die Zitatesammlung ebenfalls übermittelt worden war. Ebenso schweigsam Grünen-Chefin Leonore Gewessler, deren Ankündigung, sich thematisch breiter aufstellen zu wollen, offenbar nicht islamistische Frauenfeindlichkeit einschließt. Nur NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter und ihre FPÖ-Kollegin Rosa Ecker finden klare Worte: „Die in diesem Buch vermittelten Inhalte sind mit unseren Werten absolut unvereinbar und daher inakzeptabel”, so Brandstötter. Ecker ortet einen „unfassbaren Skandal, dass in Österreich eine Schrift verkauft wird, die Frauen zu minderwertigen Wesen degradiert.”

Pficht zum Dschihad

In Deutschland dürfte das Buch nach einer entsprechenden Analyse durch den Verfassungsschutz demnächst von der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) auf den Index gesetzt werden. Doch es geht nicht nur im Jugend-, sondern auch Staats- und Demokratiegefährdung. Denn „Grundwissen” erklärt den Dschihad für die Weltherrschaft des Islam zur Pflicht aller Muslime, auch dort, wo eine „Regierung der Kuffar” (Ungläubigen) amtiert. Wörtlich heißt es auf Seite 333: „Die Verpflichtung und Haltung gegenüber einer solchen Regierung (der Ungläubigen, Anm.), … besteht aus dem Versuch diese Regierung zu verändern und seine (sic) Existenz zu beenden.”

Das Buch wurde nicht nur auf Veranstaltungen der Islamischen Föderation in Österreich verkauft, wo auch die ebenfalls im DIYANET-Universum angesiedelte Familientherapeutin Saliha Erdim auftrat, die kurz nach dem Hamas-Überfall auf Israel vor ihren Hunderttausenden Followern auf Instagram für die Vernichtung Israels gebetet hatte.

Milli-Görüs-Messegast Saliha Erdim betete für die Zerstörung Israels.Instagram/Montage: Maurer

Auch in der Kölner Zentralmoschee der deutschen DIYANET-Filiale DITIB wurde „Grundwissen” schon im Angebot und vielfach verkauft gesehen. In Politik und Medien kräht kein Hahn, gackerte keine Henne danach. Der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries schaltete zwar immerhin den Verfassungsschutz ein, wollte sich aber inhaltlich zu dem Buch nicht äußern.

Warum so zahm?

Warum diese Zurückhaltung? Der Schweizer Radiosender „Kontrafunk” befasste sich dieser Tag in der Reihe „Dreiländereck” unter anderem mit diesem Phänomen. Die deutsche Ethnologin und Islamismus-Expertin Susanne Schröter sieht mehrere Ursachen: „Auf der einen Seite möchte man”, so Schröter, „die Türkei nicht verärgern, hält also trotz aller Beleidigungen europäischer Politiker durch Herrn Erdogan immer die Klappe und gibt sich komplett devot”. Das liege zum einen daran, dass der Türkei die Rolle zugedacht wurde, einen Teil der Flüchtlinge aufzuhalten, die nach Europa wollen. Deshalb habe Erdogan einen Trumpf in der Hand.

Abhängig von Erdogan

Als zweites komme jetzt hinzu, dass Europa in der Weltpolitik komplett auf dem Rückzug ist. Man versuche krampfhaft, sich an die Türkei anzulehnen, die sich immer alle Optionen offenhalte, die ein starkes Militär habe und in der Drohnenentwicklung führend sei. Schröter: „Solange sich die Europäer nicht um ihre eigenen Belange kümmern, desto abhängiger werden sie auch von einem Potentaten wie Erdogan.”

In Deutschland habe man das Thema Islamismus der AfD überlassen. Und weil es jetzt bei der AfD sei, wolle überhaupt niemand mehr etwas dazu sagen, weil es ein AfD-Thema ist. Schröter findet das „völlig absurd, ist aber leider so”.

Expertin Schröter: Schwaches Europa abhängig von Erdogan.Goethe Universität /

Die eidgenössische Islamismus-Spezialistin Saida Keller-Messahli empfindet dies als umso absurder, „als DIYANET in der Türkei eng mit rechtsextremen, faschistoiden Parteien wie der MHP oder BBP” kooperiere. „Und wir überlassen dieses Thema den Rechtsextremen”, wundert sich die tunesisch-stämmige Muslima, die seit Jahren an vorderster Front für einen liberalen Islam kämpft und über das europaweite Netzwerk der Muslimbruderschaft aufklärt.

Schröter verweist auf eine weitere Ursache des Stillhaltens: „Durch die beschleunigte Migration in Europa werden die Muslime als Wählergruppe immer interessanter.”

DIYANET-Masterplan

Wie ernst es Islamismus-Exporteur Erdogan ist, lässt sich im DIYANET-Strategieplan 2024-2028″ nachlesen – abrufbar für interessierte Politiker auf der DIYANET-Homepage. Er belegt die von türkischen Behörden und islamischen Verbänden bestrittenen Versuche einer Indoktrination von außerhalb der Türkei lebenden Muslimen im Sinne von Erdogans islamistischer Ideologie.

Erdogans Masterplan für Islamisierung.DIYANET

Als wichtigste Plattformen für die DIYANET-Aktivitäten werden Moscheen und Religionskurse, aber auch der diplomatische Apparat sowie Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) genannt. Explizit wird auch verlangt, ehemalige türkische Staatsbürger in deren Aufnahmeländern für DIANET zu rekrutieren.
Ein zentrales Element der Strategie ist die Islamophobie, ein Kampfbegriff, der jegliche Kritik am Islam im Keim ersticken und zugleich den muslimischen Opfermythos einzementieren soll. Der mittlerweile von Nachfolger Ali Arpagus beerbte Behördenchef Ali Erbas stellt im Vorwort des „Stratejik Plan“ fest, dass „der Islam die einzige Religion ist, die zufriedenstellende Antworten auf die Fragen der Menschheit gibt“.

Nur kurzer Protest

Wie konkret das Wirken der türkischen Islamismus-Exportagentur auch hierzulande ist, beweist das heuer mit DIYANET abgeschlossene Kooperationsabkommen der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ). Wie sehr dieser Vertrag mit Leben erfüllt wird, zeigt sich an den zahlreichen Auftritten von DIYANET-Protagonisten auf Veranstaltungen von IGGÖ-Kultusgemeinden wie ATIB und Islam-Föderation. Integrationsministerin Claudia Plakolm hatte kurz gegen das Abkommen protestiert: „Menschen, die derartige Werte vertreten und nach Österreich tragen wollen, sind in Österreich nicht willkommen“, meinte sie an die Adresse von DIYANET. Das war im Mai. Seither hat man nichts mehr dazu gehört von der Ministerin, obwohl – siehe oben – fragwürdige türkische Prediger ständig durch Österreich touren. Vielleicht hat Plakolm jemand darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht opportun sei, sich mit Erdogan anzulegen. Dieser hatte schon im April 2020 gewarnt: „Ein Angriff auf DIYANET ist ein Angriff auf den Staat!”