Sektenbericht warnt: Kinder in Sommercamps immer öfter Ziel von Missionierung
Trotz neuem Kinderschutz-Gütesiegel fehlen bundesweit einheitliche Vorgaben – die Bundessektenstelle warnt vor Ferienlagern, in denen Kinder missioniert und indoktriniert werden.
Nach den österreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaften (KIJA) spricht sich nun auch die Bundesstelle für Sektenfragen für verpflichtende Qualitätsstandards in Sommercamps aus. Zwar wurde im Frühjahr ein Kinderschutz-Gütesiegel eingeführt, doch nach wie vor fehlen bundesweit einheitliche Vorgaben für Ferienlager. Im aktuellen Bericht warnt die Bundesstelle ausdrücklich vor Angeboten, bei denen Kinder indoktriniert oder missioniert werden könnten.
Laut einer Umfrage der Arbeiterkammer verbringen Kinder und Jugendliche in Österreich im Durchschnitt eine Woche pro Jahr in Feriencamps. Welche Vorgaben dabei gelten, liegt jedoch in der Verantwortung der Bundesländer. Familienministerin Claudia Plakolm (ÖVP) verweist daher in dieser Frage an die Länder. Einheitliche Regelungen fände sie „sehr gut“, erklärte ihr Büro auf APA-Anfrage, doch konkrete Schritte sieht sie bei den Treffen der zuständigen Landesräte „gut aufgehoben“.
„Soldat Gottes"
Laut einem der APA vorliegenden Bericht mussten in einem Ferienlager die Kinder zum Abschluss einen Schwur als „Soldat Gottes” leisten und wurden aufgefordert ihre Mitschüler zu missionieren. In anderen Fällen wurden Teilnehmer über Wochen von ihren Eltern weitgehend abgeschottet, sodass sie kaum Möglichkeiten hatten, Ängste oder Krankheiten mitzuteilen. Auch Kritik an fragwürdigen pädagogischen Grundlagen wurde laut Bundesstelle mehrfach laut.
Laut dem Sektenbericht der KIJA Wien fehlt bei privaten Anbietern von Sommercamps ohne staatliche Förderung häufig ein verpflichtendes Kinderschutzkonzept – Kontrollen vor Ort seien selten. Dadurch könne ohne akuten Gefährdungsfall kaum präventiv eingegriffen werden. Besonders problematisch seien Camps mit esoterischem, freikirchlichem oder sozialutopischem Hintergrund.
Der Tanz für den Teufel
Wie groß die Gefahr solcher Entwicklungen werden kann, zeigt eine aktuelle Netflix-Dokumentation. Unter dem Titel „Tanzen für den Teufel“ wird die Geschichte junger Erwachsener erzählt, die über eine scheinbar harmlose Künstleragentur in Los Angeles in die Fänge einer sektenähnlichen Kirche gerieten. Sie brachen den Kontakt zu Familie und Freunden ab, standen unter massivem Druck und berichteten von Manipulation sowie psychischem und finanziellem Missbrauch. Auch wenn es hier nicht um Kinder geht, verdeutlicht die Serie, welche erschreckenden Ausmaße Missionierung und Abhängigkeit annehmen können.
Verbindliche Qualitätsstandards gefordert
Die Bundessektenstelle fordert daher verbindliche Qualitätsstandards, regelmäßige Schulungen des Betreuungspersonals zu Kinderrechten und Kinderschutz, anonyme Beschwerdemöglichkeiten sowie unabhängige Kontrollen. Auch ein verpflichtendes erweitertes Führungszeugnis für alle Betreuenden soll zur Pflicht werden.
Derzeit kann jedoch in fast allen Bundesländern noch jede Person ein Ferienlager eröffnen –”ohne jegliche Kontrolle und ohne Schutzmaßnahmen für die betreuten Kinder”. Nur Kärnten und Vorarlberg verfügen bereits über entsprechende Regelungen. Die KIJA plädiert deshalb zusätzlich für eine Bewilligungspflicht und für Kinderschutzmaßnahmen als Voraussetzung für staatliche Förderungen.
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