Ein explosiver Facebook-Kommentar eines langjährigen ORF-Redakteurs sorgt am Küniglberg für Wirbel. Mit Blick auf die Juden heißt es darin: „Wenn ich 2000 Jahre lang Opfer bin, dann sollte ich mir langsam überlegen, woran das wohl liegen mag.“ Damit unterstellt der Journalist dem jüdischen Volk eine Schuld an seiner jahrtausendelangen Verfolgung. Oder – andere Möglichkeit – er stellt die umfassend dokumentierte antisemitische Repression grundsätzlich infrage.

Antisemitische Motive und Victim-Blaming

Der preisgekrönte ORF-Journalist bedient mit diesem Satz ein bekanntes antisemitisches Motiv: klassisches Victim-Blaming, bei dem den Juden ihre eigene Rolle als Verfolgte zum Vorwurf gemacht wird.

Der Redakteur, der seit 37 Jahren für den ORF arbeitet, legt nach: Man könne „sein aktuelles Handeln nicht mit 2000 Jahren Geschichte begründen“. Das ist der nächste antisemitische Topos: Er diskreditiert die Leidensgeschichte von Juden und Israel als angeblichen Freibrief für heutiges Handeln.

Pauschale Schuldzuweisungen und gefährliche Rhetorik

Noch weiter geht der ORF-Mitarbeiter mit seiner anschließenden Formulierung: „Man kann nicht andere bestehlen, vertreiben und umbringen und dabei unschuldig bleiben.“ Die Aussage schreibt Juden und Israel pauschal und undifferenziert eine Kollektivschuld zu. Die Grenze zwischen völlig legitimer Israel-Kritik und antisemitischer Hetze wird eindeutig überschritten.

Der ORF-Redakteur hat dieses Posting mittlerweile gelöscht.Facebook/Screenshot

Heftige Reaktionen aus Politik und Gesellschaft

Das Posting löste einen wahren Shitstorm aus. Polit-Berater Daniel Kapp kommentiert: Der Journalist legt Juden nahe, sich zu überlegen, warum sie „zum Beispiel vergast wurden.“ Kapp ermunterte den ORF-Stiftungsrat, sich einmal mit Antisemitismus im eigenen Haus zu befassen.

Ex-FPÖ-Politiker Peter Sichrovsky spricht sogar von „gebühren bezahltem ORF Judenhass“ und sieht in dem Posting den Versuch, Juden die Schuld an ihrer Verfolgung zuzuschieben.

ORF reagiert: „Völlig inakzeptabel“

Mittlerweile hat man am Küniglberg reagiert: „Der ORF verurteilt den Inhalt des Posting als völlig inakzeptabel“, wird gegenüber dem exxpress festgehalten. „Eine Überprüfung möglicher dienstrechtlicher Konsequenzen wurde bereits eingeleitet. Das Posting wurde in der Zwischenzeit gelöscht.“

Bis Redaktionsschluss lag dem exxpress keine Stellungnahme des ORF-Mitarbeiters vor. Sollten wir noch eine erhalten, werden wir sie selbstverständlich veröffentlichen.

Historisch unpräzise

Die historische Relativierung samt kollektiver Schuldzuweisung des Redakteurs hat bereits für einen Sturm der Empörung gesorgt.

Zur Verfolgungsgeschichte der Juden seit zuletzt noch kurz angemerkt: Historisch gesehen können Juden in Europa und im Nahen Osten tatsächlich auf eine Jahrtausende andauernde Verfolgung zurückblicken. Das ist allerdings nicht überall so. Anders ist die Lage in Indien, wo jüdische Gemeinden seit rund 2000 Jahren relativ friedlich und ohne systematische Unterdrückung leben konnten.

Das hat man in Israel nicht vergessen. Erst vor kurzem lobte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu Indiens durchgehend toleranten Umgang mit Juden anlässlich eines Besuchs von Premierminister Narendra Modi.