Es ist ernüchternd: Der Arbeitsmarkt in Österreich erholt sich nicht. Mit August hat das AMS aktuelle Zahlen veröffentlicht, und es bleibt erschreckend: 7 % der Österreicher, also 301.421 Personen, sind arbeitslos. Dabei ringen die meisten Branchen nach Arbeitskräften – so auch die Gastronomie. Die multiplen Krisen der letzten Jahre haben diese Entwicklung befeuert, und die Branche hat sich seitdem nicht wirklich erholt. Aktuell gibt es unzählige Gastronomiebetriebe, die nach Angestellten suchen. Trotz 20 bis 30 Bewerbungen am Tag kommt es zu keinem Arbeitsverhältnis, berichtet dem exxpress eine Gastronomin aus Wien.

20-30 Bewerbungen pro Tag aber kein Arbeitsverhältnis

Über den Tag flattern teilweise 30 Bewerbungen auf zwei bis drei offene Stellen ein – also eigentlich allen Grund, Hoffnung zu haben. Die Realität sieht jedoch anders aus. Viele der Bewerber sind langzeitarbeitslos – teilweise seit 15 bis 20 Jahren. Dem exxpress liegen einige dieser Bewerbungen vor: „Sie brauchen weder eine gute Ausbildung noch müssen sie zu 100 % Deutsch sprechen“, schildert uns die Gastronomin. Aber trotzdem: Kaum eine Bewerbung führt zu einem Bewerbungsgespräch, geschweige denn zu einem Arbeitsverhältnis – die Gastronomin erhält schlicht keine Reaktion auf ihre Rückmeldungen. Wollen die meisten gar nicht erst arbeiten gehen?

Verfolgt man die Berichterstattung der letzten Jahre, durchlebt selbst den Alltag als Arbeitsloser oder spricht mit Mitarbeitern des AMS, wird schnell klar: Man findet einen Weg, um nicht so schnell in einem Arbeitsverhältnis zu landen – oft auch, weil es lukrativer ist.

Sozialstaat als Auffangnetz oder Hängematte?

Auch die Wirtin stellt fest: „Wir haben in diesem Land für alles einen Sheriff. Für Zigarettenstummeln oder Parkscheine. Aber warum kontrolliert die Arbeitslosen keiner?“ Nun, das ist nicht so einfach. Von einer Mitarbeiterin des AMS haben wir erfahren, dass viele mit Schmerzen und Krankheit argumentieren. Damit können sie über kurz und lang nicht vermittelt werden. Außerdem ist es ein Fakt, dass gerade Personen, die älter als 50 Jahre sind, schwieriger zu vermitteln sind. Der Hauptanteil der Arbeitslosen sind weiterhin Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau. Verschiedene Faktoren die unterschiedliche Förderungen brauchen. Daran arbeitet das AMS, indem es Menschen in Ausbildungen und Kurse bringt – aber auch das wird oft ausgenutzt, um Zeit zu schinden.

Wirtschaftliche Lage befeuert die Verzweiflung

Die Gastronomin räumt selbst ein: „Was bekommt man heute noch um sein Geld? Es fehlt einem komplett die Perspektive. Worauf kann man sich freuen oder hinarbeiten, wenn das ganze Geld für die Lebenserhaltung draufgeht? Früher war die Miete vielleicht 15-20 % des Einkommens, davon sind wir heute weit entfernt. Ich komme mir fast vor wie im Kommunismus.“

Und tatsächlich: Die wirtschaftliche Lage ist erschütternd. Energiekrisen, Lieferkettenprobleme und eine anhaltend hohe Inflation haben die Kaufkraft gedrückt – und Österreich in eine mittlerweile fast drei Jahre dauernde Rezession gestürzt – spürbar für jeden. Möchte der Staat hier den Bürgern unter die Arme greifen und die Löhne anpassen, so mag das zwar nett klingen, aber die Praxis ist auch hier eine andere: „Im Endeffekt verdient v.a. der Staat an den Lohnerhöhungen. Steigt das Einkommen, steigt auch die Abgabe an Steuern. Somit hört sich die Lohnerhöhung nett an, den Mitarbeitern bleibt aber deutlich weniger in den Taschen – und mir als Unternehmerin sowieso nichts.“

Aber auch die Unternehmer und Gastronomen selbst befinden sich in einer schwierigen Lage. Laut der Austrian-Business-Check-Umfrage des Kreditschutzverbands von 1870 vom April 2025 klagen 54 Prozent der heimischen Betriebe über Personalengpässe, 23 Prozent sind sogar massiv betroffen. Hier fehlt es jedoch nicht an Bewerbungen sonder an Geld. Als Hauptursachen werden hohe Kosten und Umsatzeinbußen genannt. Das schlägt am Ende direkt auf die vorhandenen Mitarbeiter durch – mehr Arbeit, mehr Druck.

Philippinische Arbeitskräfte als Lösung?

In den 2023 erarbeiteten Arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben – damals unter BM a. D. Martin Kocher – wurde dezidiert die Vermittlung von Jobs an Drittstaatsangehörige forciert. Diese Debatte widerspiegelt sich auch In unserem Gespräch wieder. Die Wirtin erzählt  über lukrative, philipinische Arbeitskräfte. Diese werden durch eigens gegründete Agenturen auf den Philippinen ausgebildet, absolvieren Deutschkurse bis zum Sprachniveau B2 und sind danach in der österreichischen Gastronomie und Hotelarie einsatzbereit. Einzige Bedingung: Das Arbeitsverhältnis muss mindestens zwei Jahre aufrecht erhalten bleiben.

Auch kostentechnisch zahlt sich das aus: „Rund 12.000 Euro kostet so eine Vermittlung. Vergleicht man das aber mit den Ausgaben, die für Inserate und Jobanzeigen geschaltet werden, kommt es ungefähr aufs Gleiche – und man hat zumindest für zwei Jahre eine verlässliche Arbeitskraft.“

Dabei erinnert die Gastronomin an frühere Zeiten: „Früher sind die Kellner ewig in einem Unternehmen geblieben, man ist mit ihnen in Pension gegangen. Heute ist das kaum noch vorstellbar. Schauen Sie sich die Lebensläufe an, da sieht man es ja: Alle zwei bis drei Monate ein neuer Job oder wieder arbeitslos. Das kostet. Dieses An- und Abmelden ist unfassbar teuer. Ich freue mich, wenn jemand zumindest zwei Jahre bei uns bleibt.“

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„Mich wundert es nicht, dass keiner arbeiten will“

Für die Wirtin ist es kein Wunder, dass viele Menschen nicht arbeiten wollen: „Wie wir sehen, kann man es sich leisten, ewig arbeitslos zu sein. Und außerdem – schauen Sie sich die Zeiten an. Die Arbeitsmoral ist tief, ja, aber auf welche Zukunft kann man hinarbeiten? Man kann sich nichts aufbauen oder schaffen, weil das verdiente Geld für das Überleben draufgeht. Wessen Eigenheimtraum oder welcher Urlaub schafft es noch in die Realität?“