Stockers 500-Millionen-Stromplan: Noch weiß niemand, wie die Entlastung kommen soll
500 Millionen Euro weniger Stromkosten – das ist das große Versprechen von Kanzler Stocker. Doch die Finanzierung bleibt ein Mysterium. Aus „den Beteiligungen des Bundes“ soll das Geld kommen. Doch so einfach geht das nicht. Experten warnen vor einem „Nullsummen-Spiel“, das den Energiesektor langfristig schwächt.
Stocker (Bild) verspricht 500 Millionen Euro weniger Stromkosten, die überdies das Budget nicht belasten. Man darf gespannt sein…APA/HANS KLAUS TECHT
Seit Mittwoch herrscht Rätselraten: „500 Millionen Euro weniger Stromkosten für Haushalte und Betriebe“, verkündete der aus dem Krankenstand zurückgekehrte Bundeskanzler für das kommende Jahr. „Das klingt toll – aber wo kommt der Geldsegen denn plötzlich her?“ kommentiert die Wiener Denkfabrik Agenda Austria sarkastisch. „500 Millionen findet man nicht einfach, wenn man den Dachboden entrümpelt. Das Ganze bleibt noch ein Geheimnis.“ Nun, es gibt erste Hinweise, die jedoch neue Fragen aufwerfen.
Geld aus staatlichen Beteiligungen
Das Geld soll „von den staatlichen Unternehmensbeteiligungen kommen, ohne das Budget zu belasten“, heißt es in mehreren Medienberichten. Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) bekräftigte gegenüber dem exxpress, dass die zusätzlichen 500 Millionen „aus Rücklagen und Beteiligungserträgen“ aufgestellt werden sollen. „Die Gespräche laufen und konkrete Vorschläge liegen bereits am Tisch, die aktuell final bewertet und in den nächsten Tagen präsentiert werden“, kündigt Hattmannsdorfer an.
Dividenden gehören zu den Budgeteinnahmen
Das Problem: „500 Millionen aus Beteiligungen, nicht aus dem Budget“ – das klingt nach einem Extra-Topf, ist aber schlichtweg eine normale Budgeteinnahme. Große Beteiligungen wie OMV und Verbund zahlen Dividenden an die Staatsholding ÖBAG oder direkt an den Bund. 2024 flossen rund 1,26 Milliarden Euro aus diesen Quellen ins Budget. Kurz gesagt: Geld aus der ÖBAG ist kein Sondertopf, sondern Teil des normalen Haushalts. „Geld hat ka Mascherl“, wie es so schön heißt. Es bleibt dieselbe Quelle, nur politisch verpackt.
Wenn Stocker nun nicht das Budget belasten will, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Einsparungen oder Mehreinnahmen aus den Beteiligungen.
Einsparungen? Wo wird gekürzt?
Ohne zusätzliche Einkünfte müsste die Regierung die 500 Millionen Euro irgendwo anders einsparen. Doch viele Fragen bleiben offen: Welche Posten sollen gekürzt werden? Wo müssen die Ministerien bluten? Welche Leistungen fallen weg oder werden reduziert? Eine klare Antwort gibt es nicht. Die Rechnung bleibt vage. Ohne konkrete Gegenrechnungen ist das alles nur politisches Wunschdenken.
Mehreinnahmen aus Staatsfirmen? Heikel!
Die zweite Möglichkeit: Mehreinnahmen durch höhere Dividenden aus den Staatsbeteiligungen – eben von „Rücklagen und Beteiligungserträgen“, aber das ist nicht so einfach, und könnte am Ende ein Taschenspielertrick sein.
Der Bund kann nicht einfach mehr Dividenden von OMV, Verbund und Co. anordnen, ohne dass es Konsequenzen gibt. Bei der OMV hält Österreich nur 31,5 Prozent der Anteile. Das bedeutet: Der Bund ist kein Mehrheitseigentümer. Eine Sonderdividende oder das Abrufen von Rücklagen ist nur mit Zustimmung der Gremien möglich. Bei börsennotierten Unternehmen wird die Dividendenpolitik durch den Markt und die Aktionäre bestimmt, nicht durch den politischen Willen.
Es drohen Kursverluste
Wenn der Staat über politische Maßnahmen wie Sonderdividenden oder höhere Abschöpfungen versucht, mehr Geld aus börsennotierten Unternehmen wie der OMV oder dem Verbund zu holen, hat das negative Auswirkungen auf die Marktbewertung und das Investorenvertrauen. Investoren sehen solche Eingriffe als Regulierungsrisiko und befürchten, dass der Staat die Gewinne der Unternehmen stärker kontrolliert oder willkürlich abschöpft.
Die Folge: Aktienkurse sinken, Investoren ziehen sich zurück, weil sie sinkende Renditen befürchten. Dieser Verlust an Investitionen kann zu einem massiven Wertverlust des Unternehmens führen, was wiederum die Gesamtbewertung des Unternehmens beeinträchtigt.
Rücklagen anzapfen – geht das so einfach?
Das nächste Problem: Rücklagen. Es klingt harmlos, ist aber in Wahrheit der politisch-technische Code für: Wir holen Geld aus den Unternehmen. Doch Rücklagen gehören den Unternehmen, nicht dem Bund. Sie sind nicht einfach abrufbar wie Staatsgeld. Um sie freizugeben, müssen höhere Ausschüttungen durch den Vorstand und die Hauptversammlung genehmigt werden. Bei börsennotierten Unternehmen ist das ein weiteres Problem. Minderheitsaktionäre müssen zustimmen, sonst drohen rechtliche Konflikte. Auch dieses Modell läuft wieder auf Dividendenpolitik hinaus, mit denselben Markt- und Rechtsrisiken.
Sonderdividenden oder Dividendenvorgriffe – politisch gefährlich
Überdies gilt: Sonderdividenden sind per Definition einmalige Extras, die nur bei entsprechender Unternehmenslage und im Unternehmensinteresse vertretbar sind. Politischer Wunsch allein reicht nicht. Aktienrecht und Gesellschaftsrecht verlangen, dass Ausschüttungen sachlich begründet sind und nicht Minderheitsaktionäre benachteiligen. Ohne die Zustimmung der Unternehmensgremien geht gar nichts – und diese Begründung hat Stocker bisher nicht geliefert.
Der Nullsummen-Verdacht: rechter Tasche, linker Tasche
Die Quintessenz dieser ganzen Finanzierungs-Debatte: Stocker verteilt Geld, das er aus denselben Unternehmen holt, die er eigentlich entlasten will. Das wirkt wie ein Umverteilungskreislauf, bei dem der Bund die Gewinne der Staatsfirmen nimmt, sie als Entlastung an die Bürger weitergibt und sich selbst damit als Retter feiert. Das ist klassische Nullsummenpolitik, die langfristig den Energiesektor sogar schwächt, statt ihn zu entlasten.
Jan Kluge, Ökonom der Agenda Austria, kritisiert dieses Vorgehen scharf: „Wenn der Staat das Geld der Stromkunden nimmt, um es ihnen dann als Geschenk zurückzugeben, ist das kein Wunder der Finanzkunst, sondern ein schlechter Hütchenspielertrick.“
Steuerzahler hassen diesen Trick!
— Agenda Austria (@AgendaAustria) November 27, 2025
Bundeskanzler Christian Stocker ist zurück. Und er hat jede Menge neue Pläne im Gepäck! Das auffälligste Mitbringsel: 500 Millionen Euro! Sie sollen die Energiekosten senken. Das klingt toll – aber wo kommt der Geldsegen denn auf einmal her? 500… pic.twitter.com/bTHsAUD2Mm
Der Trick sei so einfach wie genial. „Schritt 1: Wettern Sie als Politiker über die hohen Gewinne der Energiekonzerne. Schritt 2: Besteuern Sie die Gewinne, schieben Sie das Geld in den Staatshaushalt und füttern Sie die ÖBAG mit den Dividenden der Energiekonzerne. Schritt 3: Nehmen Sie 500 Millionen Euro aus der ÖBAG und geben Sie diese der Bevölkerung als Weihnachtsgeschenk ,zurück‘. Schritt 4: Sorgen Sie dafür, dass der Energiemarkt in staatlicher Hand bleibt. Schritt 5: Fangen Sie wieder bei Schritt 1 an.“
Parallel zum „Billigstrom-Gesetz“: Ein zweiter Widerspruch
Zusätzlich entsteht durch das „Billigstrom-Gesetz“/ElWG ein zweiter Widerspruch: Die Regierung verspricht billigere Strompreise, aber gleichzeitig wird das Gesetz von PV- und Erneuerbaren-Verbänden scharf kritisiert. Neue Einspeise-Netzentgelte könnten den Strom sogar teurer machen – „Österreich-Aufschlag“ inklusive. Hier wird der Nullsummen-Verdacht noch einmal verstärkt: Die Regierung verspricht billiger, aber führt gleichzeitig Regeln ein, die den Preis wieder raufdrücken könnten.
Die Rechnung bleibt vage
Vorerst gibt es keinen klaren Plan und keine konkreten Antworten. Stocker will 500 Millionen Euro entlasten, aber wie genau? Zumindest eines steht fest: Das Geld wächst nicht auf den Bäumen, auch nicht in Österreich.
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