The Economist urteilt: Angela Merkels Vermächtnis erscheint zunehmend "fürchterlich"
Das britische Magazin “The Economnist” stellt der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: In der aktuellen “Charlemagne”-Kolumne schreibt die Publikation, dass Merkel Deutschland mit ihren “16 Jahren des Durchwurstelns ohne Reformen” zum “wirtschaftlich kranken Mann Europas” gemacht habe. Der Text ist übertitelt mit den Worten, dass Angela Merkels “Legacy”, also eine Art Vermächtnis, “zunehmend fürchterlich” ausfalle. “Was ist in Deutschland schiefgelaufen?”, fragt das Magazin.
Das Sinnbild des “politisch kranken Mannes” nutzte der “Economist” dabei bereits vor 25 Jahren. Nun kommt man erneut zu der Diagnose. Aas aktuelle Resümee Angela Merkels Amtszeit, die von 2005 bis 2021 die Bundesrepublik regierte, fällt nicht weniger kritisch aus: “Jeder Monat, der vergeht, erinnert daran, wie ihre Regentschaft Deutschland in den Abgrund gestürzt hat.” Nahezu jede Entscheidung der “Iron Frau”, so der Vergleich mit der “eisernen Frau” Margaret Thatcher, habe Deutschland und der Europäischen Union geschadet.
Zudem wirke Deutschland nicht nur wirtschaftlich angeschlagen – etwa durch mangelnde Investitionen im öffentlichen Sektor –, sondern auch in geopolitischen Abhängigkeiten. In der Verteidigung sei man auf die USA angewiesen, die Exportwirtschaft stark von China abhängig und schließlich brauche man russisches Gas, um seine Industrie aufrechtzuerhalten. Merkel habe während ihrer Amtszeit regelmäßig den russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen, aber der Angriff Russlands auf die Ukraine habe die “mangelnde Vorbereitung” Deutschlands schmerzlich offenbart, urteilt der “Economist”.
In der “Charlemagne”-Kolumne wird Merkel auch vorgeworfen, die Demokratiekrise in der Europäischen Union mitverantwortet zu haben, insbesondere durch eine nachsichtige Haltung gegenüber Ungarn. Deutschland habe wirtschaftlich von der Zusammenarbeit mit Budapest profitiert, und die heute 70-jährige Merkel habe den “aufstrebenden Autokraten” Viktor Orbán “aus Bequemlichkeit” vor Kritik bewahrt. Darüber hinaus habe ihre “Freundlichkeit” gegenüber Geflüchteten im Jahr 2015 – “obwohl lobenswert” – eine politische Gegenreaktion befördert, die den Aufstieg der “extremen Rechten” in Deutschland und anderswo begünstigt habe.
Der Text kritisiert vor allem den Politikstil des “Merkelns”, also das vermeintliche Aussitzen von Krisen durch oft monatelange Untätigkeit. Abschließend heißt es: “Frau Merkel hat Deutschland wie in einer Scheinwelt geführt und es in ein langes geopolitisches und wirtschaftliches Nickerchen versetzt, aus dem es erst wieder erwachen muss.” Wie Merkel ihren politischen Nachlass selbst beurteilt, wird sich Ende November herausstellen. Dann erscheint Merkels Memoirenbuch mit dem Titel: “Freiheit. Erinnerungen 1954–2021”.
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partner-Portal NIUS erschienen.
Kommentare