Trumpf-Chefin Leibinger-Kammüller: "Die SPD entwickelt sich immer mehr zur Interessenvertretung der Sozialhilfeempfänger"
Sie gilt als eine der wichtigsten Stimmen der Deutschen Industrie: Nicola Leibinger-Kammüller, Chefin des Maschinenbauers und Laserspezialisten Trumpf im schwäbischen Ditzingen (fünf Milliarden Umsatz, 19 100 Mitarbeiter). Im “Spiegel” spricht sie kritisch über die Bundesregierung und über die wirtschaftliche Lage.
Über Olaf Scholz:
“Er tut mir fast leid. Er hat es wahnsinnig schwer, weil er so viel interne Opposition von seiner Parteivorsitzenden Saskia Esken bekommt. Die SPD müsste sich wieder ihrer eigentlichen Klientel zuwenden, den Facharbeitern. Stattdessen entwickelt sie sich immer mehr zur Interessenvertretung der Sozialhilfeempfänger”.
Über Krisen:
“Wir hatten im Maschinenbau schon immer Krisen, aber nun schlittern wir von einer in die nächste…Noch nie habe ich in all den Jahren ein derartiges Gefühl der Beklemmung empfunden. Die Weltlage ist beängstigend, wir haben eine schwierige ökonomische Situation im Land und eine Bevölkerung, die sich von der Politik entfremdet hat und sich nicht mehr vertreten fühlt. Aber ich bleibe positiv und entschlossen”.
Über deutsche Infrastruktur:
“Wir reagieren als Land viel zu langsam. Unsere Infrastruktur wird sträflich vernachlässigt. Wir erkennen zu wenig, wie mächtig China geworden ist, während sich die USA immer stärker von Europa weg orientieren. Wir erleben eine Neuausrichtung der Weltmächte. Statt diese massiven Herausforderungen anzugehen, beschäftigen wir uns mit Dingen, die wichtig sind, aber nicht zentral”.
Über Toiletten in der Firma:
“Wir diskutieren darüber, ob wir in bestimmten Wörtern Sternchen setzen müssen. Wie viele Toiletten ich in der Firma haben muss, damit sich kein Geschlecht benachteiligt fühlt. Ich will diese Themen nicht kleinreden, aber wir haben gerade wirklich andere Probleme. Die Mittelschicht ist gestresst. Wir haben junge Eltern hier in der Firma, die durch den Arbeitstag hetzen müssen, weil die Kita mal wieder früher schließt. Wir leiden unter Fachkräftemangel in Erziehung und Bildung. Die Schulen sind marode”.
Über gute Schulen:
“Wir müssen in großem Stil in Bildung investieren. Mit sehr viel Geld. Und das sage ich als Befürworterin der Schuldenbremse. Lasst uns hier Sonderfonds bilden. Das Einzige, was uns dauerhaft vor Krisen und internationaler Konkurrenz schützt, sind gute Schulen, exzellente Universitäten und gut integrierte Menschen aus anderen Nationen. Und das kostet”.
Über den Fleiß:
“Wir Deutschen sind fleißig. Wir haben top ausgebildete Leute, sind hochinnovativ. Und wenn es hart wird, können wir zusammenstehen und die Ärmel hochkrempeln. Aber der Ernst der Lagre ist noch nicht überall angekommen, weil es den trügerischen Glauben an den allumsorgenden Staat gibt, die Politik den Menschen nicht reinen Wein einschenkt, wo die eigentlichen Herausforderungen liegen”.
Über Lieferketten:
„Gegen faire Lieferketten kann sich ein fühlender Christenmensch nicht ernsthaft aussprechen. Aber die Pflichten sind in diesem Ausmaß einfach nicht zu erfüllen – und ich bezweifle, dass irgendjemand die Daten Tausender Firmen gewissenhaft auswertet. Wir müssen für jeden unserer 2000 Lieferanten lückenlos dokumentieren, woher er seine Vorprodukte bezieht”.
Mehr Vertrauen in die Bürger:
“Es ist ein Irrglaube, dass der Staat alles regeln und kontrollieren muss. Wir brauchen mehr Vertrauen, in die Wirtschaft und in die Bürger. Ich hätte auch überhaupt nichts dagegen, wenn der Staat den CO2-Preis gnadenlos hochsetzen würde, um das Klima zu schützen. Aber dann soll er uns bitte selbst machen lassen, statt E-Autos und Wärmepumpen vorzuschreiben. Wir wünschen uns in Deutschland doch kein Meinungsdiktat bis hinein in einzelne Technologien, oder? Wahre Innovation entsteht nur im Wettbewerb und in freien Gesellschaften, davon bin ich zutiefst überzeugt”.
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