„Wir möchten darauf hinweisen, dass das ‚Scharia-Recht’, egal in welcher Form, sowie die Einführung zweier verschiedener Rechtssysteme in Europa verboten sind”, stellt die Türkische Kulturgemeinde Österreich (TKG) auf ihrer Homepage klar. Interessant: Während in Europa der Kniefall vor dem politischen Islam an der Tagesordnung steht, warnen Moslems, die bewußt nach Europa migriert sind und die demokratischen Werte zu schätzen wissen, eindringlich vor der Abkehr des Säkularismus.

Mit einem umfassenden Statement reagiert die TKG auf die aktuellen Presseberichte, wonach zwei Männer in Wien vereinbarten, ihren Vertragsstreit nach islamischem Recht beizulegen. Ein Schiedsgericht verurteilte einen von ihnen zu 320.000 Euro, woraufhin er die Entscheidung als willkürlich und grundwertwidrig anfocht. Doch das Wiener Landesgericht bestätigte das Urteil und stellte klar, dass islamische Rechtsvorschriften bei Vermögensstreitigkeiten in Österreich wirksam vereinbart werden können, solange das Ergebnis nicht den Grundwerten des Rechtsstaates widerspricht – exxpress berichtete.

„Urteil verletzt Grundrechte der Europäischen Union"

Besonders nimmt die Türkische Gemeinde an folgenden Sätzen des Gerichtsurteils Anstoß: „Ob oder welche islamischen Rechtsregeln hier angewandt wurden, habe man nicht nachzuprüfen“ (47 R65/25v) und „Das Ergebnis des Schiedsgerichts widerspricht nicht den österreichischen Grundwertungen. Islamische Rechtsvorschriften können demnach für vermögensrechtliche Ansprüche in einer Schiedsvereinbarung wirksam vereinbart werden.“

Dem widerspricht die Gemeinde nun vehement. „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2003 bestätigt, dass das Scharia-Recht und die daraus resultierende Diskriminierung sowie die Einführung zweier verschiedener Rechtssysteme in Europa verboten sind. Durch die Zulassung des islamischen Rechts durch das Landesgericht Wien werden insgesamt 96 Artikel der konsolidierten Fassung des ‚Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union’, gültig ab dem 30.03.2010 (Amtsblatt der Europäischen Union C 83/47), 15 Artikel des ‚Vertrags über die Europäische Union“ (C 83/13) sowie 16 Artikel der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union’ (C 83/02) verletzt”, so die Türkische Kulturgemeinde juristisch sattelfest.

Scharia unvereinbar mit den Prinzipien der Demokratie

„Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 13.02.2003 etabliert und anerkannt, dass das Scharia-Recht und die daraus resultierende Diskriminierung sowie die Einführung zweier verschiedener Rechtssysteme in Europa, wie es das Landesgericht Wien jetzt zu umgehen versucht, verboten sind”, so die Generalsekretärin der Kulturgemeinde Melissa Günes.

Die Einführung verschiedener Rechtssysteme sei daher nicht vereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die Scharia unvereinbar mit den grundlegenden Prinzipien der Demokratie, die in der Konvention festgeschrieben sind. „Um dem EU-Staatsgrundsatz der Trennung von Kirche und Staat keine Umgehungsmöglichkeit zu schaffen, fordern wir im Namen der Türkischen Kulturgemeinde in Österreich in diversen Normen-Entstehungsprozessen – national wie international – eine Unterbindung der Thematisierung in allen Bereichen!”, so die eindringliche Warnung, die Entscheidung des Landesgerichts Wien „stelle einen starken Eingriff in die heute säkulare Wirtschaft, morgen dann in die Erzeugungs-, Bedienungs-, Verkaufs- und Servicevorschriften dar.”

https://www.turkischegemeinde.at/TKG

Auch den konkreten 320.000 Euro-Fall findet die Türkische Kulturgemeinde äußerst bedenklich und kritisiert die Umgehung des Finanzministeriums und der Steuerabgabe: „Als Muslime in der EU bzw. in unserem neuen Heimatland Österreich müssen wir die Verfassung und Gesetze nicht nur respektieren, sondern bei einer solchen Vereinbarung in Höhe von 320.000 Euro lieber einen Anwalt und Notar hinzuziehen.”