Ukraine-Flüchtlinge: Schutz vor Krieg – oder Flucht in den Sozialstaat?
Österreich prüft nicht, ob Ukraine-Flüchtlinge aus Kriegs- oder aus sicheren Regionen stammen. Das öffnet Tür und Tor für Missbrauch – sehr zum Ärger echter Flüchtlinge. Heikel: Wo Eltern ihre Kinder vernachlässigen, greift das Jugendamt ein. Manche Kinder werden dann dauerhaft fremduntergebracht.
Integrationsministerin Claudia Plakolm (Bild, ÖVP) will Missbrauch bei Familienleistungen eindämmen: Künftig soll es Geld nur noch für jene geben, die arbeiten oder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.APA/GEORG HOCHMUTH
130.201 Ukrainer wurden seit Kriegsbeginn in Österreich als Vertriebene registriert – das bestätigte nun das Innenministerium auf Anfrage des exxpress. Brisant: Es wird dabei nicht erfasst, aus welchem Teil des Landes sie stammen – ob aus dem umkämpften Osten oder etwa aus Regionen in der vergleichsweise sicheren Westukraine, wie etwa Transkarpatien.
Das Ministerium bestätigt das: „In diesem Zusammenhang erfolgt keine statistische Differenzierung nach Regionen.“
Alle haben Zugang zum Sozialsystem
Das hat Folgen: Auch Menschen, die gar nicht aus Kriegsgebieten stammen, erhalten vollen Zugang zum österreichischen Sozialsystem – inklusive Unterkunft, medizinischer Versorgung, Familienleistungen und Bildungsangeboten. Wer als Vertriebener registriert wird, genießt rechtlich denselben Schutz – unabhängig davon, ob tatsächlich Kriegsgefahr bestand oder nicht. Und genau diese Gruppe wird zunehmend größer.
Mehrere Insider berichten: Seit Herbst 2023 reisen vor allem Großfamilien aus der westukrainischen Oblast Transkarpatien an, „wo eigentlich kein Krieg ist“, wie der Salzburger Sonderbeauftragte für Asylwesen, Anton Holzer, kürzlich kritisch gegenüber dem ServusTV-Nachrichtenmagazin „Blickwechsel“ anmerkte. Die großzügige Gleichbehandlung dieser Gruppe sorgt seither für wachsende Kritik.
Mit dem Pass durch Europa – ohne Kontrolle
Zusätzlich erlaubt die EU-Verordnung zum Vertriebenenstatus Bewegungsfreiheit innerhalb des Schengen-Raums. Das Innenministerium erklärt: „Mit dem Ausweis für Vertriebene und dem Reisepass können Ukraine-Vertriebene innerhalb des Schengen-Raums grundsätzlich für 90 Tage innerhalb von 180 Tagen visafrei touristisch reisen.“
Ein Missbrauch ist also durchaus möglich – etwa durch Rückreisen oder Weiterreisen zwischen EU-Staaten, um Sozialleistungen mehrfach zu beziehen. Nur bei dauerhaftem Umzug endet der Status – das wird jedoch nur kontrolliert, wenn die betroffenen Personen sich selbst abmelden oder gemeldet werden.
Zahlreiche Beobachter berichten, dass viele der Großfamilien bereits nach wenigen Monaten weiterziehen – oder zwischen mehreren Ländern pendeln. Die gesetzliche Grundlage dafür ist vorhanden, eine systematische Kontrolle aber nicht.
Früher wurde genau geprüft
Holzer zieht einen historischen Vergleich: Beim Jugoslawien-Krieg seien Aufnahme und Schutz noch gezielter erfolgt. Damals wurde laut Holzer „genau geprüft, ob jemand aus einem tatsächlichen Kriegsgebiet kommt oder nicht“ – heute ist das hingegen nicht mehr der Fall.
Österreich zahlt mehr als Nachbarn
Im europäischen Vergleich ist Österreich für größere Familien besonders attraktiv: Eine fünfköpfige Familie erhält – bei privater Unterbringung – in Österreich rund 1.828 Euro im Monat, in Tschechien etwa 1.320 Euro, in Deutschland sogar rund 2.700 Euro.
In Ungarn und der Slowakei hingegen erhalten nur Menschen aus aktiven Kriegsgebieten Unterstützung. Die Folge: Wer dort abgelehnt wird, zieht weiter nach Österreich oder Deutschland.
Plakolm warnt vor Fehlanreizen
Angesichts knapper Kassen kündigt Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) gegenüber dem exxpress Reformen an. „Wir müssen bei Sozialleistungen gezielter vorgehen. Wer braucht welche Unterstützung wirklich und wer nicht – und von wem dürfen wir auch verlangen, einen Beitrag zu leisten.“
Mit 31. Oktober 2025 endet daher die Sonderregelung für Familienleistungen an ukrainische Vertriebene. Künftig, so Plakolm, sollen diese Leistungen nur noch Menschen erhalten, die arbeiten oder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. „Zu hohe Sozialleistungen dürfen hier nicht im Weg stehen“, hält die Integrations- und Familienministerin fest.
Maßnahmen gegen Missbrauch
Auch das Innenministerium verweist auf verstärkte Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung: „Die im Rahmen von Kontrollen gesetzten, engmaschigen Maßnahmen dienen der Aufdeckung von Sozialleistungsbetrug. Erhobene Verdachtsfälle werden der Task Force Sozialleistungsbetrug zur weiteren Erhebung übermittelt.“
Familienbeihilfe läuft aus – neue Kriterien geplant
Laut offiziellen Angaben arbeitet eine interministerielle Arbeitsgruppe an neuen Kriterien. Die großzügige Regelung für alle Ukrainer – unabhängig von Herkunftsregion oder Motivation – soll reformiert werden.
Dass Menschen aus der Westukraine ohne Fluchtgrund nach Österreich kommen, um hier in den Genuss teils großzügiger Sozialleistungen zu gelangen, stört auch Ukrainer, die kürzlich gegenüber ServusTV ihren Unmut darüber äußerten. Anonyme Personen aus der Regierung unterstreichen: „Wir wollen definitiv nicht, dass Menschen nur deshalb nach Österreich kommen, weil wir ein gutes Sozialsystem und hohe Familienleistungen haben.“
Brisantes Thema: Wenn Kinder weggenommen werden
Ein besonders heikler Aspekt betrifft Kindesabnahmen durch die Jugendämter. Wie ein Insider gegenüber dem exxpress berichtet, kommt es in Einzelfällen zu dramatischen Situationen – insbesondere bei Alleinerzieherinnen mit vielen Kindern.
„Manche Familien kümmern sich überhaupt nicht um die Kinder. Es kommt zu Vernachlässigung, manchmal auch zu Gewalt. In solchen Fällen greift das Jugendamt ein – mit gutem Grund. Im Extremfall werden die Kinder abgenommen.“
Die Kinder würden dann in Krisenzentren, betreute Wohngemeinschaften oder zu Pflegeeltern kommen – oft dauerhaft. Die Eltern hingegen bleiben in Österreich, da eine Rückführung der Kinder in die Ukraine kompliziert und langwierig ist. Die Folge: Auch die Eltern bleiben weiterhin in Grundversorgung. „Wenn ein Kind einmal Monate oder Jahre bei Pflegeeltern war, dann gilt es als gefährdet, wenn man es da wieder rausreißt. Dann zählt die Qualität der Beziehung – nicht mehr die genetische Herkunft“, sagt der Insider. Die Eltern wollen allerdings ohne ihre Kinder nicht abreisen.
Keine Daten, keine Antworten
Von Seiten des Innenministeriums heißt es dazu: „Die Versorgung der Zielgruppe der Vertriebenen fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Daher liegen dem Innenministerium keine entsprechenden Daten vor.“
Vom Sozialministerium hätte der exxpress gerne konkrete Zahlen erhalten, etwa gewusst, wie viele ukrainische Kinder seit März 2022 von österreichischen Jugendämtern aufgrund von Kindeswohlgefährdung fremduntergebracht wurden. Doch dort zeigte man sich weniger auskunftsbereit, als beim Innen- und beim Integrationsministerium. Unsere Anfrage blieb unbeantwortet.
Roma-Familien unter den Problemfällen
Brisant ist ein weiterer Punkt: Laut dem Insider handelt es sich bei vielen dieser Fälle aus der Westukraine um ukrainische Roma-Familien, die in Großfamilien anreisen. Viele von ihnen seien nie in ein geregeltes Schul- oder Arbeitssystem integriert gewesen und würden völlig andere Alltagsstrukturen mitbringen, berichtet er.
Die Kinder seien mit vielem nicht vertraut – „inklusive Zähneputzen, Lesen und Schreiben, also den grundlegendsten Dingen des Alltags. Die meisten anderen Ukrainer wollen arbeiten oder unternehmen zumindest etwas. Das ist bei diesen Familien nicht so“, sagt der Insider, der gleichzeitig betont, von Einzelfällen zu berichten und Pauschalisierungen bestimmter Volksgruppen klar zurückweist.
Zusammenarbeit mit Kiew schwierig
Da sich die Zusammenarbeit mit ukrainischen Jugendämtern im Kriegsfall schwierig gestaltet, bleibt Österreich oft dauerhaft zuständig für diese Kinder – was langfristige Kosten, integrationspolitische Herausforderungen und familiäre Tragödien nach sich zieht.
Somit gewährt Österreich großzügig Hilfe – doch das System ist anfällig für Missbrauch. Und wenn Kinder involviert sind, geht es längst nicht mehr nur um Sozialleistungen – sondern um Familienschicksale. Künftig soll sich aber einiges ändern.
Familien- und Integrationsministerin Plakolm stellt gegenüber dem exxpress klar: „Ukrainer bekommen seit Beginn des Angriffskriegs Schutz in Österreich. Das steht außer Frage und dazu bekennen wir uns auch weiterhin. Gleichzeitig ist heute mehr denn je klar, dass Österreich weniger ausgeben muss. Das merken wir alle. Das trifft alle Bereiche. Das bedeutet eben auch, dass wir bei Sozialleistungen gezielter vorgehen müssen“.
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