Deutschland sollte der Ukraine nach Worten der ukrainischen Friedensnobelpreisträgerin Olexandra Matwijtschuk nach langem Zögern den Marschflugkörper Taurus liefern. “Wir leben in Zeiten, die uns alle auf wahre Führung, wahren Mut und wahre Verantwortung prüfen”, sagte die Menschenrechtsanwältin aus Kiew dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Russische Raketen bräuchten von russischem Boden weniger als eine Minute, um eine Schule der ostukrainischen Großstadt Charkiw zu treffen, argumentierte Matwijtschuk. “Der einzige Weg, das zu verhindern, besteht darin, diese Raketen schon auf dem Militärflugplatz in Russland zu stoppen. Dafür brauchen wir den Taurus.”

Scholz wollte keine Lieferung, Merz versprach sie

Der frühere deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Lieferung der bunkerbrechenden Marschflugkörper mit 500 Kilometer Reichweite immer abgelehnt, aus Sorge vor einer möglichen Eskalation mit Russland. Sein Nachfolger Friedrich Merz trat zu Oppositionszeiten für eine Lieferung ein, hat sie aber als Bundeskanzler nicht umgesetzt.

Deutschland und andere europäische Staaten verfolgen nach eigenen Worten die Strategie, der Ukraine eine möglichst starke Position für Verhandlungen über einen Frieden zu verschaffen. Überlegungen zu einer Lieferung leistungsstärkerer Waffen sind aber angesichts der Gespräche über einen US-Friedensplan zum Erliegen gekommen.

Matwijtschuk: Russland durfte zu lange gewähren

Vor der russischen Invasion in die Ukraine 2022 habe Deutschland – wie die “zivilisierte Welt” insgesamt – Russland zu lange gewähren lassen, sagte Matwijtschuk dem RND. “Russische Kriegsverbrechen in Tschetschenien, Moldawien, Georgien, Mali, Libyen, Syrien – niemand bestrafte sie.” Sie plädierte dafür, dass Deutschland seine Politik gegenüber Moskau aufarbeiten sollte, denn der Weg habe in eine Abhängigkeit von Russland geführt.

Matwijtschuk leitet in Kiew die Menschen- und Bürgerrechtsorganisation Center for Civil Liberties, die 2022 gemeinsam mit Aktivisten aus Belarus und Russland mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde.