„Ich kann Ihnen versichern, dass die noch offenen Punkte nicht unüberwindbar sind“, sagte Rubio am Sonntagabend. Es gebe noch einige Punkte, „an denen wir weiterarbeiten müssen“, bevor der Vorschlag dem Kreml vorgelegt werden könne, fügte der US-Außenminister hinzu. Er glaube, dass US-Präsident Donald Trump „sehr zufrieden“ sei über die in Genf erreichten Fortschritte, so Rubio zum Abschluss der Verhandlungen. Mit Blick auf Trumps Forderung, bis Donnerstag ein Ergebnis zu erzielen, sei er „sehr optimistisch, dass wir es in einer sehr angemessenen Zeitspanne, also sehr bald, schaffen“.

In einer gemeinsamen Erklärung der USA und der Ukraine hieß es, beide Seiten seien sich einig, die intensive Arbeit an dem gemeinsamen Vorschlag „in den kommenden Tagen“ fortzusetzen und sich dabei weiter eng mit den europäischen Partnern abzustimmen. „Beide Seiten sind sich einig, dass die Beratungen höchst produktiv waren“, hieß es weiter. Die Gesprächspartner bekräftigten, dass jede künftige Vereinbarung die Souveränität der Ukraine „vollständig” wahren und einen nachhaltigen und gerechten Frieden gewährleisten müsse. Die Ukraine habe ihre Dankbarkeit für die Unterstützung der USA ausgedrückt.

28-Punkte-Plan der USA für Kiew nicht akzeptabel

Zuvor hatte der ukrainische Präsidialamtschef Andrij Jermak von „sehr guten Fortschritten” gesprochen. In Genf berieten Regierungsvertreter der Ukraine, der USA und europäischer Staaten in mehreren Gesprächsrunden über den von Washington vorgelegten Plan. Neben Rubio und dem US-Sondergesandten Steve Witkoff saßen Jermak und die außenpolitischen Berater der sogenannten E3-Staaten – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – mit am Tisch.

Vor wenigen Tagen hatten die USA einen 28-Punkte-Plan zur Beendigung des Krieges in der Ukraine vorgelegt. Dieser kam Moskau in zentralen Forderungen weit entgegen und überschritt von Kiew seit langem formulierte rote Linien. So verlangte er von der Ukraine schmerzhafte Zugeständnisse wie die Abtretung großer Gebiete in der Ostukraine an Russland, eine Begrenzung der Truppenstärke und den Verzicht auf einen NATO-Beitritt. Sowohl die Ukraine als auch ihre europäischen Unterstützer hatten vehement Nachbesserungen an dem US-Plan gefordert. Diese Forderungen waren Gegenstand der Beratungen in Genf.

Rubio kündigt Änderungen an

In Onlinediensten schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, die „amerikanischen Vorschläge könnten eine Reihe von Elementen enthalten, die auf ukrainischen Perspektiven basieren und für die ukrainischen nationalen Interessen von entscheidender Bedeutung sind”. Selenskyj dankte den USA und Präsident Donald Trump für ihre Bemühungen um ein Ende des Krieges. Zuvor hatte Trump der Ukraine vorgeworfen, sie habe „null Dankbarkeit” für die US-Hilfe gezeigt. Selenskyj dankte auch den Europäern sowie den G7- und G20-Staaten für ihre Unterstützung.

Rubio kündigte Änderungen des Friedensplans an. Man habe ein „sehr gutes Arbeitsergebnis erzielt, das auf den Beiträgen aller beteiligten Parteien” basiere, sagte der US-Außenminister. Laut Jermak bewege man sich auf einen gerechten und dauerhaften Frieden zu. Endgültige Entscheidungen würden „unsere Präsidenten” treffen. Nun sollen die Differenzen mit Russland verringert und eine Lösung ausgearbeitet werden, mit der sowohl die Ukraine als auch die USA zufrieden wären.

Rubio zufolge gab es in Genf „enorme Fortschritte”. Ein Grundlagendokument sei erstellt worden und strittige Punkte seien eingegrenzt worden, sagte Rubio nach Gesprächen mit Vertretern der Ukraine. Zu den offenen Fragen zählen die künftige Rolle der EU und der NATO sowie Sicherheitsgarantien. In einer separaten Erklärung teilte das Weiße Haus nach den Gesprächen mit, dass eine neue Version des Plans verstärkte Sicherheitsgarantien für die Ukraine enthalte. Dieses Ergebnis müsse nun der russischen Seite vorgelegt werden, die dem Plan zustimmen müsse.

Europäischer Gegenvorschlag zum US-Friedensplan

Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben einen Gegenvorschlag zum US-Friedensplan für die Ukraine vorgelegt, in dem sie zentrale Punkte Washingtons ablehnen. So soll die ukrainische Armee in Friedenszeiten auf 800.000 Soldaten begrenzt werden und nicht pauschal auf 600.000, wie es der US-Plan vorsieht. Zudem sollen Verhandlungen über einen Gebietsaustausch an der derzeitigen militärischen Kontaktlinie beginnen. Damit wird die US-Forderung zurückgewiesen, bestimmte Gebiete als „faktisch russisch” anzuerkennen.

Auch bei der Verwendung der im Westen eingefrorenen russischen Vermögenswerte wurden die ursprünglichen US-Vorschläge deutlich abgeändert. Die Europäer wollen, dass die Gelder eingefroren bleiben, bis Russland den Schaden in der Ukraine kompensiert hat. Der US-Plan sieht hingegen vor, 100 Milliarden Dollar (868 Mrd. Euro) in einen von den USA geführten Wiederaufbaufonds zu investieren, wobei die USA die Hälfte der Gewinne erhalten würden. Die Ukraine soll Sicherheitsgarantien der USA in Anlehnung an Artikel 5 der NATO erhalten.

US-Ultimatum abgelehnt

Zuvor hatten sowohl die Ukraine als auch die EU-Staaten und Großbritannien das von den USA vorgelegte Ultimatum bis Donnerstag abgelehnt, da es einer Kapitulation der Ukraine gleichkomme.

Seit der Bekanntgabe des Plans herrschte erhebliche Verwirrung darüber, wer an seiner Ausarbeitung beteiligt war. Die europäischen Verbündeten kritisierten, nicht konsultiert worden zu sein. Am Samstag warnte der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz die US-Regierung, dass die USA keine Vereinbarung ohne die Ukraine und die Europäer treffen können.