Eigentlich ist es üblich, dass der Wahlsieger einer Nationalratswahl vom Bundespräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Historisch wechselte dieser Auftrag zwischen den beiden großen Parteien, Rot und Schwarz. Doch am Mittwoch machte Bundespräsident Alexander Van der Bellen eine überrasche Ausnahme: Er wird vorerst keiner Partei einen entsprechenden Auftrag erteilen. Er erwartet sich vielmehr, dass die Chefs der drei größten Parteien, FPÖ, ÖVP und SPÖ, “verlässlich klären, welche Zusammenarbeit vorstellbar wäre”.

Damit handelte er aber gegen den Willen der Mehrheit, denn eine INSA-Umfrage, die im Auftrag des exxpress noch vor der Nationalratswahl durchgeführt worden ist, zeigt, dass die Tradition von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird: 53 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, dass der Erstplatzierte weiterhin den Regierungsbildungsauftrag erhalten soll.

Überraschend dabei ist, dass selbst Wähler, die sich politisch “links” einordnen, mit 51 Prozent für die Beibehaltung der Praxis stimmen. In der politischen “Mitte” sind es 53 Prozent, die dieser Meinung sind, während die Zustimmung unter “rechts” verorteten Befragten mit 72 Prozent am höchsten ist.

Kickl beansprucht Gesprächsführung

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht das Handlungsrecht ganz klar auf seiner Seite. Als Obmann “der stimmenstärksten Partei und des klaren Wahlsiegers” werde er “jeweils Gesprächstermine mit den Obleuten der zweitplatzierten ÖVP und der drittplatzierten SPÖ koordinieren”, verkündete er anschließend.